1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 169 gilt unverändert seit der Bekanntmachung der Neufassung des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) v. 23.9.1975 (BGBl. I 2535). Er ist mit § 143 VwGO, § 124 FGO und § 552 ZPO vergleichbar. § 158 enthält eine entsprechende Parallelvorschrift für das Berufungsverfahren. Auf Nichtzulassungsbeschwerden ist § 169 gemäß § 160a Abs. 4 Satz 1 HS 2 entsprechend anwendbar.

2 Prüfkompetenz des BSG

 

Rz. 2

Das BSG prüft von Amts wegen die speziellen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Revision. Ob das Verfahren in den Vorinstanzen mit von Amts wegen oder auf Rüge zu überprüfenden Verfahrensfehlern behaftet ist, ist Gegenstand der Prüfung der Begründetheit der Revision (vgl. BSG, Urteil v. 8.11.2007, B 9/9a SB 3/06 R).

3 Zulässigkeit der Revision

 

Rz. 3

Zulässig ist die Revision, wenn sie statthaft ist und die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen. Statthaft ist die Revision, wenn sie gegen die angefochtene Entscheidung vorgesehen ist und das LSG oder BSG, bzw. im Fall einer Sprungrevision das SG, sie zugelassen hat. Auch an eine fehlerhafte Zulassung der (Sprung)Revision ist das BSG gebunden (vgl. BSG, Urteil v. 9.2.2011, B 6 KA 3/10). Hat ein LSG die Revision in seinem Urteil ausdrücklich nicht zugelassen und liegt auch ein die Revision zulassender Beschluss des BSG (§ 160a Abs. 4 Satz 2) nicht vor, ist die Revision nicht statthaft und muss deswegen gemäß § 169 als unzulässig verworfen werden (vgl. BSG, Urteil v. 29.2.1988, 3/8 RK 35/87, für den Fall der gleichzeitigen Einlegung von Revision und Nichtzulassungsbeschwerde).

 

Rz. 4

Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision sind das Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen wie die Beteiligten- und Prozessfähigkeit, die Beschwer des Revisionsführers sowie die fristgerechte Einlegung und Begründung der Revision. Ist Kläger nicht eine Behörde oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Anstalt, muss die Revisionsschrift von einem gemäß § 73 Abs. 4 vor dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, wenn ein unvertretener Kläger persönlich die Revision eingelegt und trotz Aufklärung durch das erkennende Gericht die Revisionseinlegung nicht in ordnungsmäßiger Form nachgeholt hat.

4 Verwerfung

 

Rz. 5

Die unzulässige Revision kann aufgrund mündlicher Verhandlung oder ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2) durch Urteil verworfen werden. Will das BSG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, kann es nach Satz 3 auch durch Beschluss entscheiden. Wird die Revision ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss verworfen, erfolgt dies ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.

 

Rz. 6

Die Entscheidung über die teilweise unzulässige, im Übrigen aber zulässige Revision muss, da es sich um ein Verfahren handelt, in einheitlicher Form ergehen. Über den zulässigen Teil der Revision ist durch Urteil in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, 2 weiteren Berufsrichtern und 2 ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden (§ 170, § 40 Satz 1, § 33 Satz 1). In dieser Form und in dieser Besetzung muss auch über den unzulässigen Teil der Revision entschieden werden, da die höhere Form des Urteils und die volle Besetzung des Spruchkörpers mit 5 Richtern unter Einschluss der ehrenamtlichen Richter die geringere Form des Beschlusses und die Besetzung des Spruchkörpers nur mit den Berufsrichtern verdrängen (vgl. BSG, Urteil v. 22.4.1998, B 9 SB 16/97 R; BFH, Urteil v. 17.2.1971, I R 148/68; BVerwGE 15 S. 239).

 

Rz. 7

Vor der Verwerfung ist rechtliches Gehör zu gewähren. Der Verwerfungsbeschluss muss begründet (§ 142 Abs. 2) und zugestellt werden. Da nur die eingelegte Revision verworfen wird, steht dies der (erneuten) Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels nicht entgegen (vgl. Peters/Sautter/Wolf, § 169 Rz. 28).

5 Unanfechtbarkeit

 

Rz. 8

Der Verwerfungsbeschluss wird materiell rechtskräftig. Er kann grundsätzlich nicht frei geändert werden (vgl. BSG, Beschluss v. 30.5.1967, 4 RJ 231/67). Gegen den Verwerfungsbeschluss gibt es kein Rechtsmittel; er kann auch nicht im Wege einer Nichtigkeitsklage zum Gegenstand einer erneuten Überprüfung gemacht werden (vgl. BSG, Beschluss v. 29.4.1965, 9 RV 20/65). Lediglich bei groben, also grundrechtsrelevanten Verfahrensverstößen ist eine Abänderung auf Gegenvorstellung möglich (vgl. BVerwG, NJW 1994 S. 674; vgl. auch BVerfG, NJW 2002 S. 387, zur Erschöpfung des Rechtswegs durch Gegenvorstellung; zur Statthaftigkeit der Gegenvorstellung auch nach Einführung der Anhörungsrüge vgl. BVerfG, Beschluss v. 25.11.2008, 1 BvR 848/07; BSG, Beschluss v. 28.7.2005, B 13 RJ 178/05 B; BSG, Beschluss v. 10.12.2010, B 4 AS 97/10 B). Entsprechend den Vorgaben des BVerfG (Beschluss v. 30.4.2003, 1 PBvU 1/02 = NJW 2004 S. 1924 ff.) ist mittels des Anhörungsrügengesetzes (BGBl. I S. 3220) nunmehr gesichert, dass eine Anhörungsrüge sich auf unanfechtbare Urteile und Beschlüsse aller Instanzen beziehen kann, was zuvor umstritten war (vgl. OLG Oldenburg, NJW 2003 S. 149, 150; OLG Rostock, NJW 2003 S. 2106 zu § 321a ZPO; dagegen Müller, NJW 2002 S. 2746; OLG Celle, NJW 2003 S. 906). Hierdur...

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