Gesetzestext

 

Die Partei kann auf einen Zeugen, den sie vorgeschlagen hat, verzichten; der Gegner kann aber verlangen, dass der erschienene Zeuge vernommen und, wenn die Vernehmung bereits begonnen hat, dass sie fortgesetzt werde.

A. Zweck der Norm.

 

Rn 1

§ 399 ist Ausfluss der Parteiautonomie im Zivilprozess. Die Partei entscheidet über den von ihr zu liefernden Sachvortrag und über die Beweismittel, mit denen sie strittige Tatsachen nachweisen will. Handelt es sich bei dem Beweismittel um einen Zeugen, so kann sie auf diesen – auch ohne eine Begründung dafür anzugeben – verzichten. Hs 2 dient demgegenüber dem Schutz des Prozessgegners (Musielak/Huber § 399 Rz 1), der sich von der unmittelbar bevorstehenden oder bereits begonnenen Vernehmung des Zeugen Vorteile verspricht.

B. Beweisführer.

 

Rn 2

Beweisführer (Vorschlagender iSd § 399) ist diejenige Partei, die den Zeugen gem § 373 benannt hat.

C. Verzicht.

I. Form.

 

Rn 3

Der Verzicht als Prozesshandlung unterliegt zwar – unter den Voraussetzungen des § 78 – dem Anwaltszwang, kann aber gleichwohl sowohl ausdrücklich als auch konkludent (BGH NJW 94, 329, 330) erklärt werden, zB wenn der Beweisführer sich gegen eine unberechtigte Zeugnisverweigerung oder gegen ein befugtes (Brandbg 16.1.08 – 4 U 145/06, Rz 62) oder unbefugtes Ausbleiben des Zeugen nicht wehrt (§ 386 Rn 4, § 387 Rn 3) oder wenn die Partei rügelos hinnimmt, dass das Gericht sichtlich die Beweisaufnahme schließt, obwohl die Partei ihrer Auffassung nach noch nicht vernommene Zeugen angeboten hat (BGH NJW-RR 97, 342 [BGH 19.11.1996 - X ZR 75/96]; NJW-RR 87, 1403, 1404 [BGH 14.07.1987 - IX ZR 13/87]; 10.11.11 – IX ZR 27/11, Rz 6), wenn also das Gericht, das ggf nachfragen muss gem § 139 (Zö/Greger § 399 Rz 2), seine Aufklärungspflicht – für die Partei erkennbar – als erschöpft ansieht (BGH NJW 94, 329, 330; Dresd 4.9.18 – 4 U 427/18 Rz 16; Musielak/Huber § 399 Rz 2). Für einen Zeugen den geforderten Vorschuss (§ 379) nicht einzuzahlen, ist nicht mit einem Verzicht auf den Zeugen gleichzusetzen (BGH NJW 17, 2288 [BGH 31.05.2017 - VIII ZR 69/16] Rz 21; aA KG MDR 18, 361 [KG Berlin 16.11.2017 - 22 U 24/17]).

II. Zeitpunkt.

 

Rn 4

Der Verzicht kann schon vor der Ladung oder vor dem Erscheinen des Zeugen erklärt werden mit der Folge, dass der Zeuge nicht zu laden oder wieder abzuladen oder noch vor der Vernehmung wieder zu entlassen ist. § 399 Hs 2 zeigt aber, dass auch noch während der Vernehmung des Zeugen der Beweisführer auf ihn verzichten kann mit der grds Folge, dass die Vernehmung zu beenden ist; die bisher geleistete Teil-Aussage darf nicht verwertet werden (Musielak/Huber § 399 Rz 3), sofern nicht der Verfahrensmangel, der in der Verwertung einer Aussage entgegen § 399 liegt, dadurch gem § 295 geheilt wird, dass der Beweisführer der Verwertung nicht widerspricht (Zö/Greger § 399 Rz 1). Nach Abschluss der Vernehmung ist der Verzicht des Beweisführers in jedem Fall irrelevant.

D. § 399 Hs 2.

 

Rn 5

Der Gegner kann im Fall des Verzichts die Vernehmung des bereits erschienen Zeugen oder, wenn der Beweisführer während der Vernehmung auf den Zeugen verzichtet, die Fortsetzung der Vernehmung verlangen. Hierdurch wird er nunmehr selbst Beweisführer (Zö/Greger § 399 Rz 3) und damit in dem Fall, dass der Zeuge sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, Partei des Zwischenstreitverfahrens gem § 387 (§ 387 Rn 5).

E. Erneuter Beweisantritt.

 

Rn 6

Ein Zeuge, auf den die Partei einmal verzichtet hat, kann von ihr grds erneut als Beweismittel benannt werden. Die Vernehmung steht – mangels früherer Vernehmung – nicht im Ermessen des Prozessgerichts gem § 398 I. Eine Zurückweisung des erneuten Zeugenangebots kommt aber nach den Verspätungsregeln (§§ 282, 296) in Betracht (BAG NJW 1974, 1349, 1350; Musielak/Huber § 399 Rz 3 aE; Zö/Greger § 399 Rz 3). Wird auf einen Zeugen in 1. Instanz verzichtet, dieser aber in 2. Instanz erneut benannt, so stellt dies ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel iSd § 531 II dar (BGH NJW 17, 2288 [BGH 31.05.2017 - VIII ZR 69/16] Rz 19).

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