Leitsatz (amtlich)

Ein bereits in erster Instanz gestellter Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ist in der Regel wegen eines Verzichts nach § 399 ZPO dann als neues Angriffsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO anzusehen, wenn der in erster Instanz vom Gericht erforderte Kostenvorschuß trotz gewährter Fristverlängerung nicht eingezahlt wird.

 

Normenkette

ZPO §§ 379, 399, 403, 531 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 45 O 233/15)

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass er der Berufung des Klägers gegen das am

23. Dezember 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, Az.: 45 O 233/15, keine Aussichten auf Erfolg einräumt.

An einer Entscheidung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sieht sich der Senat wegen der Entscheidung des BGH, Urt. vom 31. Mai 2017, VIII ZR 69/16, gehindert.

Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme von vier Wochen eingeräumt. Der Senat regt die Rücknahme der Berufung an. Nach Ablauf der Frist wird ein Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt.

 

Gründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Die Berufung ist fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Begründungsfrist begründet worden. Die Begründung enthält auch die notwendigen Anträge. Dass die Anträge zu beanstanden sind, weil sie das in erster Instanz ergangene klageabweisende Versäumnisurteil unberücksichtigt lassen, schadet nicht, weil das Berufungsbegehren eindeutig erkennbar ist.

II. Die Berufung wird aber keinen Erfolg haben.

1. Das Landgericht hat seiner Entscheidung die Behauptung des Klägers, dass er sich mit seinem Fahrzeug auf der mittleren Spur des dreispurigen Richtung Norden führenden Fahrbahnteils der P... Str. befunden habe und mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) bei dessen Versuch kollidiert sei, von der Linksabbiegerspur in die mittlere Spur zu wechseln, trotz der Vernehmung der zwei von dem Kläger benannten Zeugen nicht zugrunde gelegt. Es hat insoweit keine ausreichenden Anzeichen dafür erkannt, dass die Schilderung des Klägers und der beiden Zeugen dem tatsächlichen Ablauf entsprach. Die Angaben des Klägers und des Zeugen ... wichen von ihren Angaben im Ermittlungsverfahren ab, das gegen den Beklagten zu 1) wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort geführt worden war, die Angaben des Bruders des Klägers seien dadurch geprägt gewesen, dass dieser zwar das Kerngeschehen des Unfalls wieder gegeben habe, aber weitere Umstände, die sich im Übrigen zugetragen haben müssen, nicht angeben konnte. Die von den Beklagten vernommenen Zeugen hätten demgegenüber einen ganz anderen Unfallverlauf geschildert, der dahin gegangen sei, dass der Beklagte zu 1) an der Ampel der Kreuzung der P... Str. mit der G... str. auf der mittleren Spur und der Kläger auf der rechts davon befindlichen Busspur gestanden hätten. Beim durch Lichtzeichen angekündigten Versuch nach rechts abzubiegen, sei der Kläger vor dem Beklagtenfahrzeug über die Kreuzung gefahren, ohne dass es im Übrigen zu einer Berührung gekommen sei. Auch insoweit sei von einer Verständigung der Zeugen und des Beklagten zu 1) über die Angaben zum Geschehensablauf auszugehen, diese bedeute aber nicht, dass die vom Kläger behauptete Version zutreffend sei. Der Beschluss über die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die Beschädigungen an den Fahrzeugen von einer Berührung entsprechend dem Vortrag des Klägers stammten, musste wegen der fehlenden Einzahlung des Kostenvorschusses durch den Kläger nicht ausgeführt werden.

2. Diese Ausführungen sind auch unter Berücksichtigung der vom Kläger mit der Berufung erhobenen Bedenken nicht zu beanstanden.

a) Der Senat ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen werden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 19. April 2005, VI ZR 175/04, VersR 2005, 945). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGH, Urt. vom 8. Juni 2004, VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254, 258 = NJW 2004, 2828; Urt. v. 18. Oktober 2005, VI ZR 270/04, NJW 2006, 152); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, aaO).

Der Hinweis des Klägers, die Würdigung der Angaben der Zeugen durch das Landgericht sei nicht stimmig, weil das Gericht nicht zugleich annehmen könne, es habe keine Berührung der Fahrzeuge und es habe eine Berührung der Fahrzeuge gegeben, reicht nicht aus. So wie wiedergegeben ist das Lan...

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