Rz. 22

Die Hemmung der Verjährung bewirkt, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird (§ 209 BGB), diese also für den Zeitraum der Hemmung in ihrem Ablauf unterbrochen wird. Nach Beendigung der Hemmung läuft die bereits begonnene Verjährungsfrist weiter. Der Lauf der Verjährungsfrist ist daher nur vorübergehend gehindert (ruht) und der Ablauf der Verjährungsfrist verlängert sich um die Zeit der Hemmung, d. h., die Zeit der Hemmung wird einschließlich des Tages des Beginns und des Endes des Hemmungstatbestands taggenau an den Tag des Ablaufs der ursprünglichen Verjährungsfrist angehängt. Die Verjährungsfrist kann daher, abweichend von der Regelung in Abs. 1, auch erst im Verlaufe eines Kalenderjahres ablaufen.

 

Rz. 23

Für die in § 45 gegenständlich geregelte Verjährung von Sozialleistungsansprüchen gegenüber dem Sozialleistungsträger kommen für die Hemmung nur einige der im BGB geregelten Tatbestände in Betracht. So scheiden z. B. § 207 BGB (Hemmung aus familiären und ähnlichen Gründen) und § 208 BGB (Hemmung von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung) überwiegend bereits als nicht einschlägig aus. Auch § 205 BGB (Hemmung wegen eines Leistungsverweigerungsrechts) dürfte keinen Anwendungsbereich haben, denn eine Stundungsvereinbarung zwischen Sozialleistungsberechtigtem und Sozialleistungsträger über die Erfüllung der Sozialleistungsansprüche ist kaum denkbar, denn dies setzte das beiderseitig bekannte Bestehen der Ansprüche voraus.

 

Rz. 24

Als für die Hemmung der Verjährung von Sozialleistungsanspruch relevante Tatbestände kommen Verhandlungen über die den Anspruch begründende Umstände (§ 203 BGB) und insbesondere Maßnahmen der Rechtsverfolgung zur Durchsetzung dieser Ansprüche (§ 204 BGB) in Betracht.

 

Rz. 25

Beim Hemmungstatbestand der Verhandlungen i. S. d. § 203 BGB über einen Anspruch kann zweifelhaft sein, ob hier nicht bereits Abs. 3 einschlägig ist, denn im Regelfall wird es überhaupt nur zu Verhandlungen in weitestem Sinn zwischen Sozialleistungsberechtigten und Sozialleistungsträgern kommen, wenn in irgendeiner Form das Bestehen von Sozialleistungsansprüchen und/oder die den Anspruch begründenden Umstände geltend gemacht worden waren, was typischerweise in Form der Geltendmachung durch den Sozialleistungsberechtigten (als Antrag i. S. d. § 16) erfolgt. Die Klärung der Anspruchsvoraussetzungen nach § 20 SGB X von Amts wegen stellt richtigerweise wohl auch kein Verhandeln über einen Anspruch oder die dem Anspruch zugrunde liegenden Umstände dar, selbst wenn im Verwaltungsverfahren unterschiedliche und gegensätzliche Sachverhalte und Rechtsauffassungen vertreten werden. Ob und in welchen Fällen daher wegen des nur einseitigen Antrags auch noch mehrseitige Verhandlungen über den Anspruch zu einer Hemmung führen (so Schifferdecker, in: KassKomm. SGB I, § 45 Rz. 39, Stand: Dezember 2018; Rolfs, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 45 Rz. 23, Stand: Juli 2017), wird die Rechtsprechung klären müssen. In den Fällen der Verhandlung über einen Anspruch endet die Hemmung 3 Monate nach der endgültigen Verweigerung weiterer Verhandlungen (§ 203 Satz 2 BGB).

 

Rz. 26

Von den in § 204 BGB geregelten und aufgezählten Fällen der Verjährungshemmung wegen Rechtsverfolgung sind für den Bereich des Sozialrechts nur einige Tatbestände von Bedeutung. Hierbei ist zu beachten, dass sich auch in diesen Fällen die Hemmung nur auf die konkret bezifferten Ansprüche erstreckt. Für darüber hinausgehende Ansprüche läuft die Verjährung weiter.

 

Rz. 27

Die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt unmittelbar nur in den Fällen einer möglichen echten Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) aufgrund eines durch Verwaltungsakt festgestellten konkreten Leistungsanspruchs in Betracht, da Klagen auf Feststellung eines Anspruchs im SGG nicht vorgesehen sind (vgl. § 55 SGG und Komm. dort). Allerdings folgt aus der entsprechenden sinngemäßen Anwendung der Vorschriften des BGB, dass auch eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) zur Leistungsgewährung die Verjährung hemmt. Eine Vollstreckungsklausel kann nur für den Fall konkret ausgeurteilter Sozialleistungen erteilt werden, so dass auch dies ein eher seltener Fall der Verjährungshemmung sein dürfte.

 

Rz. 28

Die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs auf Sozialleistungen im Prozess (§ 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB) kann wohl nur den Fall betreffen, dass der Sozialleistungsberechtigte in einem Verfahren, das der Sozialleistungsträger gegen ihn betreibt, mit seinen Sozialleistungsansprüchen aufrechnet und diese Aufrechnung dann Gegenstand des Klageverfahrens wird. Hemmungswirkung hat dann nur die im Ergebnis erfolglose Aufrechnung, denn soweit die Aufrechnung durchgreift, erlischt der Anspruch, so dass sich die Frage nach der Verjährung der Sozialleistung nicht mehr stellt.

 

Rz. 29

Die...

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