Rz. 37

Auch die Vorschriften über den Neubeginn der Verjährung, die durch die Schuldrechtsreform an die Stelle der früheren Unterbrechung getreten sind, gelten sinngemäß auch für das Sozialrecht. Gegenüber den früheren Unterbrechungstatbeständen ist der Neubeginn der Verjährung jedoch nur noch in § 212 Abs. 1 BGB für Fälle des Anerkenntnisses oder die Vornahme oder des Antrags auf gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgesehen. Der Neubeginn der Verjährung bewirkt, dass die Verjährungsfrist in voller Länge neu beginnt. Die in § 212 Abs. 1 BGB genannten Tatbestände fallen in den Verlauf eines Tages, so dass nach § 187 Abs. 1 BGB die neue vollständige Verjährungsfrist an dem auf das Ereignis folgenden Tag beginnt. Abweichend von Abs. 1 berechnet sich die Verjährungsfrist in diesen Fällen nach dem reinen Zeitraum von 4 Jahren, also unabhängig vom Kalenderjahr.

 

Rz. 38

Als Tatbestand für den Neubeginn der Verjährung nennt § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB namentlich ein Anerkenntnis des Schuldners gegenüber dem Gläubiger durch Abschlags- oder Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise. Ausreichend und notwendig ist die Anerkennung des Anspruchs dem Grunde nach nur ein während der noch laufenden Verjährungsfrist abgegebenes Anerkenntnis führt zum Neubeginn der Verjährung, nicht jedoch ein Anerkenntnis, das nach der bereits eingetretenen Verjährung abgegeben wird (BGH, Urteil v. 21.11.1996, IX ZR 159/95). Die Bewilligung eines Vorschusses nach § 42 beinhaltet kein Anerkenntnis, das die Verjährung neu beginnen lässt (a. A. Rolfs, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 45 Rz. 32, Stand: Juli 2017, und NZS 2002 S. 169; Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 45 Rz. 17; Bigge, in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB I, 2. Aufl., § 45 Rz. 17), denn der Vorschuss ist eine von der eigentlichen Sozialleistung zu unterscheidende eigenständige Leistung (BSG, Urteil v. 8.11.1989, 1 RA 23/86; BSG, Urteil v. 31.8.1983, 2 RU 80/82; Kretschmer, in: GK-SGB I, 3. Aufl., § 45 Rz. 21). Die Bewilligung einer vorläufigen Leistung, gleiches dürfte für den vorläufigen Verwaltungsakt und/oder die Vorwegleistung (vgl. Komm. zu § 42) gelten, enthält schon wegen der vorausgesetzten Unklarheit über den eigentlichen Anspruch kein Anerkenntnis; insbesondere auch in den Fällen des § 14 SGB IX nicht zulasten des zuständigen Leistungsträgers (so auch Bigge, in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB I, 2. Aufl., § 45 Rz. 17; Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 45 Rz. 17).

 

Rz. 39

Der Neubeginn der Verjährung durch den Antrag oder die Vornahme von Vollstreckungshandlungen (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB) dürfte im Bereich des Sozialrechts von eher theoretischer Bedeutung sein. Vollstreckungshandlungen gegen den Sozialleistungsträger zur Durchsetzung des Anspruchs auf Sozialleistungen setzen schon tatbestandlich das Vorliegen eines entsprechenden Titels voraus. Dass der Sozialleistungsträger derart titulierte Forderungen nicht erfüllt, erscheint eher unwahrscheinlich. Auch hier gilt jedoch, dass Antrag und Vornahme von Vollstreckungshandlungen solche Ansprüche nicht mehr erfassen, für die bereits die Verjährung eingetreten ist, zumal auch bei rechtskräftig festgestellten Ansprüchen die 4-jährige Verjährungsfrist weiterläuft (vgl. BGH, Urteil v. 27.1.2015, VI ZR 87/14).

 

Rz. 40

Der erneute Beginn der Verjährung durch eine Vollstreckungshandlung gilt als nicht eingetreten, wenn die Vollstreckungshandlung auf Antrag des Gläubigers oder wegen eines Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird (§ 212 Abs. 2 BGB), wie auch der erneute Beginn der Verjährung durch den Antrag auf Vornahme einer Vollstreckungshandlung als nicht eingetreten gilt, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird oder der Antrag vor der Vollstreckungshandlung zurückgenommen oder die erwirkte Vollstreckungshandlung nach Abs. 2 aufgehoben wird (§ 212 Abs. 3 BGB).

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