Rz. 19

Die Vorschrift des § 45 enthält keine vollständige Regelung über die Verjährung, sondern verweist ergänzend auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des BGB, insbesondere für die Fälle der Hemmung, die Ablaufhemmung und den Neubeginn der Verjährung (früher: der Unterbrechung), die den Ablauf der Verjährung verschieben. Nach Abs. 2 gelten auch für die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des BGB, also § 214 Abs. 1 BGB und das Recht, die Leistung (durch Erhebung der Verjährungseinrede) verweigern zu dürfen (vgl. Rz. 10).

 

Rz. 20

Die Regelung des Abs. 2 ist mit dem HZvNG mit Wirkung zum 1.1.2002 neu gefasst worden. Mit der vollständigen Neufassung wird verdeutlicht, dass die grundlegenden Neuerungen im Verjährungsrecht des BGB auch für das Sozialrecht gelten sollen. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) waren, neben den für das Sozialrecht nicht relevanten Änderungen der zivilrechtlichen Verjährungsfristen, insbesondere die Regelungen über die Hemmung der Verjährung auch auf frühere Regelungen der Unterbrechung ausgeweitet (§§ 203 ff. BGB) und die frühere Unterbrechung der Verjährung durch die Regelung zum Neubeginn der Verjährung (§ 212 Abs. 1 BGB) ersetzt worden.

 

Rz. 21

Sowohl die Hemmung als auch der Neubeginn der Verjährung beziehen sich immer nur auf die zuvor entstandenen Ansprüche. Neu entstehende Ansprüche, insbesondere also auch laufende und regelmäßig wiederkehrende Zahlungsansprüche, werden davon nicht erfasst. Für sie läuft jeweils eine neue eigenständige Verjährungsfrist ab ihrem Entstehenszeitpunkt.

2.4.1 Hemmung der Verjährung

 

Rz. 22

Die Hemmung der Verjährung bewirkt, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird (§ 209 BGB), diese also für den Zeitraum der Hemmung in ihrem Ablauf unterbrochen wird. Nach Beendigung der Hemmung läuft die bereits begonnene Verjährungsfrist weiter. Der Lauf der Verjährungsfrist ist daher nur vorübergehend gehindert (ruht) und der Ablauf der Verjährungsfrist verlängert sich um die Zeit der Hemmung, d. h., die Zeit der Hemmung wird einschließlich des Tages des Beginns und des Endes des Hemmungstatbestands taggenau an den Tag des Ablaufs der ursprünglichen Verjährungsfrist angehängt. Die Verjährungsfrist kann daher, abweichend von der Regelung in Abs. 1, auch erst im Verlaufe eines Kalenderjahres ablaufen.

 

Rz. 23

Für die in § 45 gegenständlich geregelte Verjährung von Sozialleistungsansprüchen gegenüber dem Sozialleistungsträger kommen für die Hemmung nur einige der im BGB geregelten Tatbestände in Betracht. So scheiden z. B. § 207 BGB (Hemmung aus familiären und ähnlichen Gründen) und § 208 BGB (Hemmung von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung) überwiegend bereits als nicht einschlägig aus. Auch § 205 BGB (Hemmung wegen eines Leistungsverweigerungsrechts) dürfte keinen Anwendungsbereich haben, denn eine Stundungsvereinbarung zwischen Sozialleistungsberechtigtem und Sozialleistungsträger über die Erfüllung der Sozialleistungsansprüche ist kaum denkbar, denn dies setzte das beiderseitig bekannte Bestehen der Ansprüche voraus.

 

Rz. 24

Als für die Hemmung der Verjährung von Sozialleistungsanspruch relevante Tatbestände kommen Verhandlungen über die den Anspruch begründende Umstände (§ 203 BGB) und insbesondere Maßnahmen der Rechtsverfolgung zur Durchsetzung dieser Ansprüche (§ 204 BGB) in Betracht.

 

Rz. 25

Beim Hemmungstatbestand der Verhandlungen i. S. d. § 203 BGB über einen Anspruch kann zweifelhaft sein, ob hier nicht bereits Abs. 3 einschlägig ist, denn im Regelfall wird es überhaupt nur zu Verhandlungen in weitestem Sinn zwischen Sozialleistungsberechtigten und Sozialleistungsträgern kommen, wenn in irgendeiner Form das Bestehen von Sozialleistungsansprüchen und/oder die den Anspruch begründenden Umstände geltend gemacht worden waren, was typischerweise in Form der Geltendmachung durch den Sozialleistungsberechtigten (als Antrag i. S. d. § 16) erfolgt. Die Klärung der Anspruchsvoraussetzungen nach § 20 SGB X von Amts wegen stellt richtigerweise wohl auch kein Verhandeln über einen Anspruch oder die dem Anspruch zugrunde liegenden Umstände dar, selbst wenn im Verwaltungsverfahren unterschiedliche und gegensätzliche Sachverhalte und Rechtsauffassungen vertreten werden. Ob und in welchen Fällen daher wegen des nur einseitigen Antrags auch noch mehrseitige Verhandlungen über den Anspruch zu einer Hemmung führen (so Schifferdecker, in: KassKomm. SGB I, § 45 Rz. 39, Stand: Dezember 2018; Rolfs, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 45 Rz. 23, Stand: Juli 2017), wird die Rechtsprechung klären müssen. In den Fällen der Verhandlung über einen Anspruch endet die Hemmung 3 Monate nach der endgültigen Verweigerung weiterer Verhandlungen (§ 203 Satz 2 BGB).

 

Rz. 26

Von den in § 204 BGB geregelten und aufgezählten Fällen der Verjährungshemmung wegen Rechtsverfolgung sind für den Bereich des Sozialrechts nur einige Tatbestände von Bedeutung. Hierbei ist zu beachten, dass sich auch in dies...

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