Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit von AVG § 37c (= RVO § 1260c). Gewährleistung einer Hinterbliebenenversorgung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Anwendung von AVG § 39 Abs 1 S 2 Nr 3 (= RVO § 1262 Abs 1 S 2 Nr 3) ist es bei "Personen iS des § 7 Abs 1" (Versorgungsempfängern) nicht erforderlich, daß sie sich noch in einer abhängigen, an sich in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung befinden.

2. AVG § 39 Abs 1 S 2 Nr 3 (= RVO § 1262 Abs 1 S 2 Nr 3) ist verfassungsgemäß (Fortentwicklung von BSG 17.3.1983 11 RA 46/82 = SozR 2200 § 1260c Nr 3).

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschrift des AVG § 37c (= RVO § 1260c) verstößt nicht gegen das GG, sie greift weder in das Eigentum ein noch enthält sie hinsichtlich der Abgrenzung des benachteiligten Personenkreises eine Verletzung des Gleichheitssatzes (vgl BVerfG 14.10.1980 1 BvR 201/80 = SozR 2200 § 1260c Nr 1).

2. Auch die Grundsätze der freien Persönlichkeitsentfaltung (GG Art 2 Abs 1) sowie des Vertrauens- bzw Dispositionsschutzes (GG Art 20 Abs 3) sind durch AVG § 37c (= RVO § 1260c) nicht verletzt. Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes für die vermögenswerten Güter (und damit auch für Renten bzw Rentenanwartschaften) hat in Art 14 Abs 1 GG eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren; es bedarf nicht eines Rückgriffs auf GG Art 2 Abs 1, GG Art 20 Abs 3 (vgl BVerfG 28.2.1980 1 BvL 17/77 = SozR 7610 § 1587 Nr 1).

3. In AVG § 7 Abs 1 (= RVO § 1230 Abs 1) wird die Feststellung, ob Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist, nicht von einer Gewährleistungsentscheidung nach AVG § 6 Abs 2 (= RVO § 1229 Abs 2) abhängig gemacht (Auseinandersetzung mit BSG 26.1.1983 1 RA 1/82 = BSGE 54, 247 = SozR 2200 § 1262 Nr 23).

 

Normenkette

AVG § 37c Abs 1 Fassung: 1982-12-20; RVO § 1260c Abs 1 Fassung: 1982-12-20; AVG § 39 Abs 1 S 2 Nr 3; RVO § 1262 Abs 1 S 2 Nr 3; AVG § 7 Abs 1; RVO § 1230 Abs 1; AVG § 6 Abs 2 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1229 Abs 2 Fassung: 1957-02-23; GG Art 14 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 2 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 20 Abs 3 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 15.12.1983; Aktenzeichen L 5 A 83/83)

SG Trier (Entscheidung vom 21.09.1983; Aktenzeichen S 2 A 24/83)

 

Tatbestand

Der Streit geht um die Berücksichtigung von Ersatzzeiten beim Altersruhegeld des Klägers und um die Gewährung von Kinderzuschuß.

Der 1920 geborene Kläger erhält seit 1967 als ehemaliger Berufssoldat (zuletzt: Fahnenjunker-Oberfeldwebel) Versorgungsbezüge nach dem Gesetz zu Art 131 des Grundgesetzes (GG) in Höhe von 43 vH der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge einschließlich eines Kinderzuschlages, die im Jahre 1983 monatlich etwa 1.500,-- DM betrugen. Die Beklagte zahlt ihm ab Januar 1983 Altersruhegeld gem § 25 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG- von etwa 1.400,-- DM (Bescheid vom 14. März 1983), bei dessen Berechnung sie die Ersatzzeiten des militärischen Dienstes (Dezember 1938 bis April 1945) sowie des Gewahrsams iS von § 1 des Häftlingshilfegesetzes (November 1948 bis Dezember 1955) unberücksichtigt gelassen hat, weil diese Zeiten der Versorgung zugrundegelegt sind (§ 37c AVG); hierdurch minderte sich das Ruhegeld um etwa 500,-- DM. Die Gewährung des Kinderzuschusses zum Altersruhegeld lehnte sie unter Hinweis auf § 39 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AVG wegen der in der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften enthaltenen kindbezogenen Zuschläge ab.

Die dagegen gerichtete Klage, mit der der Kläger Verstöße gegen das GG rügte, blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat im Urteil vom 15. Dezember 1983 ausgeführt, die Vorschriften stünden sowohl mit den Art 2 Abs 1, 3 Abs 1 als auch Art 14 Abs 1 und 20 Abs 3 GG im Einklang. In der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit sei der Kläger dadurch nicht beeinträchtigt, daß eine solidarische Daseinsvorsorge durch Gesetzesänderung eingeschränkt werde; die zusätzlichen freiwilligen Beiträge habe er im übrigen schon vor Inkrafttreten der Änderung entrichtet gehabt. Da er ebenso behandelt werde wie alle Versicherten mit einem vor Januar 1966 begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, scheide auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus. Der grundgesetzlich garantierte Eigentumsschutz umfasse die Befugnis, Rentenansprüche zu beschränken, wenn damit eine unumgängliche Entlastung der Rentenversicherungsträger und ein sachgerechter Ausschluß von Doppelversorgungen erfolge, wie es mit § 37c und § 39 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AVG der Fall sei. Darauf, daß die beitragslosen Ersatzzeiten und beitragsunabhängigen Zuschüsse weiterhin bei der Rente und zugleich bei den Versorgungsbezügen berücksichtigt würden, habe der Kläger sich nicht verlassen dürfen. Die Änderung zu einem Stichtag ohne spezielle Übergangsregelung liege im Wesen der Sache; zu einer Ausnahme bei besonderer Härte bestehe keine Verpflichtung.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision beantragt der Kläger (sinngemäß), die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 14. März 1983 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeiten von Dezember 1938 bis April 1945 und von November 1948 bis Dezember 1955 als Ersatzzeiten rentensteigernd zu berücksichtigen und ihm ab Januar 1983 ein höheres Altersruhegeld sowie den Kinderzuschuß zu gewähren, hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen.

Nach seiner Ansicht sind die §§ 37c, 39 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AVG im Hinblick auf die Art 14, 20 und 2 GG unwirksam. Bei ihm sei wegen des besonders großen Umfanges der unberücksichtigt bleibenden Ersatzzeiten der Eingriff in den Rentenanspruch unverhältnismäßig; auch komme hinzu, daß er der Versichertengemeinschaft mit Beitragszahlungen verbunden geblieben sei. In seinem Falle führe die Regelung fast zu einem Totalausfall an Ersatzzeiten, sie mache über 30 vH der gesamten Versicherungszeiten aus. Mit Rücksicht darauf sowie auf die Kürzung der Versorgungsbezüge aufgrund des geänderten § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) könne von einer Doppelversorgung bei ihm keine Rede sein, zumal er mit 43 vH eine Mindestversorgung, noch dazu nach einem unverändert gebliebenen niedrigen Dienstgrad, erhalte. Da er erst mit 40 Jahren ins Berufsleben habe eintreten können, komme dem Schutz seines Vertrauens in den Bestand der Altersvorsorge besondere Bedeutung zu. Wegen des Wegfalls der Ersatzzeiten sei er zum reinen Beitragszahler der Rentenversicherung in einem Alter geworden, das ihm jede andere Disposition für eine Versorgung verbiete; damit sei der Kernbereich der freien Persönlichkeitsentfaltung berührt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet; der angefochtene Bescheid ist nicht zu beanstanden.

Nach § 37c AVG, den das 20. Rentenanpassungsgesetz (RAG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1040) mit Wirkung vom 1. Januar 1980 in das AVG eingefügt hat (aufgrund von Art 20 Nr 10 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 ab 1. Januar 1983 § 37c Abs 1 AVG), bleiben Ersatz-, Ausfall- und Zurechnungszeiten bei der Rentenberechnung unberücksichtigt, soweit sie bei einer Versorgung aus einem vor dem 1. Januar 1966 begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt sind. Daß die Beklagte hierauf gestützt die Ersatzzeiten des Klägers als Soldat und als Strafgefangener in der Sowjetunion (§ 28 Abs 1 Nr 1 und 5 AVG) bei der Berechnung des Altersruhegeldes unberücksichtigt lassen mußte, ist weder streitig noch zweifelhaft. Zu beurteilen ist allein, ob § 37c AVG mit dem GG vereinbar ist. Diese Frage ist zu bejahen; eine Aussetzung und Vorlage der Sache an das BVerfG nach Art 100 GG kommt daher nicht in Betracht.

Das BVerfG hat bereits mehrfach die Annahme von Verfassungsbeschwerden gegen § 37c AVG abgelehnt (s Beschlüsse vom 14. Oktober 1980 - 1 BvR 201/80 in SozR 2200 § 1260c Nr 1 und 1 BvR 400/80 in MittLVA Oberfranken 1981, 402), da die Vorschrift nicht gegen das GG verstoße; weder greife sie in das Eigentum ein noch enthalte sie hinsichtlich der Abgrenzung des benachteiligten Personenkreises eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Dieser Rechtsauffassung ist der erkennende Senat im Urteil vom 17. März 1983 (SozR 2200 § 1260c Nr 3) gefolgt (im Ergebnis für den vorliegenden Fall ebenso Urteil vom 12. April 1984 - 1 RA 85/82 -, weil die strittigen Jahre in die ersten 35 ruhegehaltsfähigen Jahre fallen) mit einer gewissen Einschränkung in der Argumentation, die sich aufgrund der Neufassung von § 55 BeamtVG durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz (HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1523) ergab. Der hier zu entscheidende Fall gibt keine Veranlassung, von der aaO dargelegten Beurteilung des § 37c AVG als verfassungsgemäß abzugehen.

Was die vom Kläger für verletzt erachteten Grundsätze der freien Persönlichkeitsentfaltung (Art 2 Abs 1) sowie des Vertrauens- bzw Dispositionsschutzes (Art 20 Abs 3) betrifft, hat das BVerfG wiederholt (BVerfGE 53, 257 ff = SozR 7610 § 1587 Nr 1; BVerfGE 58, 81 ff = SozR 2200 § 1255a Nr 7 sowie ferner BVerfGE 64, 87 ff) ausgesprochen, daß der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes für die vermögenswerten Güter (und damit auch für Renten bzw Rentenanwartschaften) in Art 14 Abs 1 GG eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren habe; es bedürfe nicht eines Rückgriffs auf Art 2 Abs 1, 20 Abs 3 GG. Dem ist der erkennende Senat beigetreten (Urteil vom 18. August 1983 - 11 RA 39/82; ebenso der 1. Senat in BSGE 53, 86, 89 = SozR 5121 Art 1 § 4 Nr 1).

Die hiernach allesamt unter dem Blickwinkel der Eigentumsgarantie zu betrachtenden Argumente des Klägers vermögen eine Verfassungswidrigkeit nicht zu belegen; die Regelung des § 37c AVG wird durch Art 14 Abs 1 Satz 2 GG gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung des Klägers liegen auch den Ersatzzeiten des militärischen Dienstes im Kriege keine "eigenen Leistungen" zugrunde, weil dazu nur Beitragsleistungen an Versicherungsträger rechnen. Ersatzzeiten iS von § 28 Abs 1 Nr 1 bis 6 AVG werden dem Versicherten angerechnet, ohne daß er für sie Beiträge gezahlt hat, sie beruhen überwiegend auf staatlicher Gewährung. Der Eigentumsschutz des GG erfaßt einen Anspruch jedoch desto weniger, je geringer dieser auf dem Schutzgrund der Eigenleistung - hier: der eigenen Beitragsleistung - basiert, vielmehr fürsorgehalber eingeräumt worden ist. Das hat das BVerfG wiederholt entschieden, so im Beschluß vom 1. Juli 1981 in SozR 2200 § 1255a Nr 7 für die "Ausbildungs-Ausfallzeiten" (s dort die weiteren Nachweise), und hat in gleicher Weise für die Ersatzzeiten zu gelten (Bundessozialgericht -BSG-, 1. Senat in SozR 2200 § 1255 Nr 18 auf Bl 45). Es besteht dementsprechend wegen des besonderen sozialen Bezuges der Ersatzzeiten eine weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers für ihre Ausgestaltung und den Umfang ihrer Gewährung, so daß Einschränkungen in der Anrechnung nicht als "systemwidrige Eingriffe" bezeichnet werden können. Allerdings darf ein Eingriff in aufgrund solcher Zeiten bereits bestehende günstige Positionen nicht unverhältnismäßig sein. Die Grenze hierfür ist hier indes eingehalten. Es ist nicht unverhältnismäßig, daß der Gesetzgeber diese und andere beitragslose Zeiten, die in der Rentenversicherung aus Mitteln der Versichertengemeinschaft und in der Beamtenversorgung aus Mitteln der Allgemeinheit honoriert werden müßten, in beiden Systemen nicht doppelt berücksichtigen will. Wie sich dies im Einzelfall in der Höhe auswirkt, kann dabei nicht von Bedeutung sein; zur Vermeidung der unerwünschten Doppelversorgung ist eine Nichtberücksichtigung sogar um so gebotener, je mehr an solchen Zeiten der Berechnung zugrunde zu legen wären.

Der vom Kläger hervorgehobene negative Kumulierungseffekt aufgrund der durch das 2. HStruktG erweiterten Ruhensregelung in § 55 BeamtVG vermag sich auf die Verfassungsmäßigkeit des § 37c AVG nicht auszuwirken. Beide Vorschriften wollen zwar gemeinsam "Überversorgungen" begegnen; sie haben dabei jedoch unterschiedliche Zielrichtungen. Die begrenzten Ziele des § 37c AVG, Doppelleistungen für beitragslose Zeiten zu verhindern und die Rentenversicherung von der Honorierung dieser Zeiten zu entlasten, bleiben insoweit durch § 55 BeamtVG unangetastet; auch wird die Versicherungsrente ungeachtet der Ruhensregelung ungekürzt gezahlt. Soweit es bei der Abgrenzung zu Unbilligkeiten kommt, liegen sie außerhalb des § 37c AVG und können die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung nicht berühren. Ob und wieweit der Kläger überhaupt von "Unbilligkeiten" solcher Art betroffen ist, dh ob auch seine Versorgungsbezüge aufgrund von § 55 BeamtVG zu kürzen sind, lassen die tatsächlichen Feststellungen des LSG im übrigen gar nicht erkennen. Dagegen ist dem festgestellten Versicherungsverlauf kein aus dem Rahmen des Gesetzes fallendes Schicksal zu entnehmen. Spätheimkehrer, die mit 36 Jahren eine - zweite - Berufsausbildung begannen, waren nach 1945 keine Seltenheit; dadurch entstandene Nachteile in der Versorgung hat der Gesetzgeber mit der Zubilligung von Nachkriegsersatzzeiten weitgehend ausgeglichen. Gerade hierdurch hat der Kläger seine schon ab 1967 zahlbare Versorgung von 43 vH der ruhegehaltsfähigen Bezüge erlangt; sie stellt - zusammen mit der Versichertenrente, die ebenfalls schon in Zeiten vor Vollendung seines 65. Lebensjahres begonnen hat - eine Alterssicherung dar, die nicht als unbillig gering bezeichnet werden kann.

Daß der Kläger den § 37c AVG zufolge eingetretenen Verlust an Rente nicht mehr ausgleichen kann, schlägt angesichts des Leitgedankens der Vorschrift, Vermeidung einer Doppelversorgung, verfassungsrechtlich nicht zu Buche. Unverhältnismäßig ist das auch deswegen nicht, weil ihm anzurechnende Ersatzzeiten verblieben sind und im übrigen sämtliche Ersatzzeiten der Erfüllung der Anwartschaft nach § 25 Abs 7 AVG gedient haben; ohne sie hätte der Kläger nicht die hierfür erforderlichen 35 Versicherungsjahre erreicht. Soweit er eine Vermögensdisposition durch Nachentrichtung von Beiträgen getroffen hat, ist dies nach der am 27. Juni 1977 erfolgten Verkündung des 20. RAG geschehen; im Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand des früheren Rechtszustandes kann er mithin nicht gehandelt haben.

Für die Ablehnung des Kinderzuschusses hat die Beklagte sich zu Recht auf § 39 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AVG (in der ab Januar 1978 geltenden Fassung durch das 20. RAG) gestützt. Danach erhöht sich das Altersruhegeld nicht um den Kinderzuschuß, wenn "der Berechtigte zu den Personen iS des § 6 Abs 1 Nr 2 bis 7 oder des § 7 Abs 1 AVG gehört oder nach § 8 Abs 1 AVG von der Versicherungspflicht befreit worden ist und in den Dienst- oder Versorgungsbezügen oder dem Arbeitsentgelt Beträge enthalten sind, die wegen des Kindes gewährt werden". Daß die Versorgungsbezüge des Klägers derartige Beträge enthalten, steht nach dem Sachverhalt fest. Des weiteren sind aber auch die im übrigen geforderten Voraussetzungen erfüllt. Der Kläger gehört zwar nicht "zu den Personen iS des § 6 Abs 1 Nr 2 bis 7", wobei hier allein die Nr 7 zu erwägen wäre, deren Anwendung an der nicht erreichten Versorgungshöhe (von 65 vH der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge) scheitern muß, doch gehört er "zu den Personen iS des § 7 Abs 1". Hierfür ist nicht erforderlich, daß er sich noch in einer abhängigen, an sich in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung befindet. Dafür spricht schon die Gesetzesformulierung, die - abweichend von dem Wortlaut der §§ 9 Abs 1, 10 Abs 1a, 13 Abs 1a Satz 3, 21a Abs 7 Satz 2 AVG - bei den Personen iS des § 6 Abs 1 Nrn 2 bis 7 und des § 7 Abs 1 nicht auch auf Rechtsfolgen der Versicherungsfreiheit bzw die Befreiung von der Versicherungspflicht abstellt. Der 1. Senat des BSG hat allerdings im Urteil vom 26. Januar 1983 (BSGE 54, 247 = SozR 2200 § 1262 Nr 23) zunächst dargelegt, daß auf den dortigen Kläger mangels einer Berufstätigkeit, die grundsätzlich versicherungspflichtig sein könnte, die Vorschrift des § 7 Abs 1 AVG unanwendbar sei. Im folgenden hat er es jedoch für denkbar gehalten, daß § 39 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AVG den § 7 Abs 1 AVG "nur teilweise mit den dort angeführten personenbezogenen Tatbestandsmerkmalen im engeren Sinn" in Bezug genommen habe. Der erkennende Senat hält allein diese Auslegung für zutreffend. Verweisungen auf andere Vorschriften sind von dem mit der Verweisung verfolgten Zweck her zu verstehen (BSGE 16, 38, 42; 20, 190, 192). Nach der für § 39 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AVG maßgebenden Begründung (BT-Drucks 8/425 S 5) sollen Kinderzuschüsse dann nicht mehr gewährt werden, wenn für das Kind bereits andere beitragsunabhängige kindbezogene Leistungen gewährt werden; das sei (ua) der Fall, wenn in Dienst- oder Versorgungsbezügen von Beamten oder vergleichbaren Personen Beträge enthalten sind, die mit Rücksicht auf das Kind gezahlt werden. Hieraus läßt sich nicht erkennen, daß nur Leistungsbezieher erfaßt sein sollten, die noch eine an sich versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, wie es für die unmittelbare Anwendung des § 7 Abs 1 (bzw der §§ 6 und 8) AVG Voraussetzung wäre. Der zu verhindernde Doppelbezug kann mit oder ohne solche Beschäftigung eintreten; das zeigt gerade die Einbeziehung der Empfänger von Versorgungsbezügen, die in der Regel keine Beschäftigung mehr ausüben. Müßten auch sie noch in einer Beschäftigung stehen, so würde damit eines der Ziele des § 39 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AVG, bei gleichzeitigem Versorgungs- und Rentenbezug die Doppelzahlung von Leistungen für Kinder auszuschließen, verfehlt.

Zu dem so abzugrenzenden Kreis der "Personen iS des § 7 Abs 1 AVG" zählt der Kläger. Ihm ist vom Bund eine lebenslängliche Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften bewilligt, die nicht die in § 6 Abs 1 Nr 7 AVG bezeichnete Höhe erreicht. Nach dem Wortlaut des § 7 Abs 1 AVG kommt es allerdings ferner darauf an, ob ihm "Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist". Dies trifft beim Kläger aufgrund des G 131 zu. Die Feststellung dieser Voraussetzung wird in § 7 Abs 1 nicht davon abhängig gemacht, daß eine Gewährleistungsentscheidung nach § 6 Abs 2 AVG ergangen ist. Der gegenteiligen Auffassung des 1. Senats im Urteil vom 26. Januar 1983 vermag der 11. Senat nicht zu folgen. Gleichwohl besteht für den Senat kein Anlaß, nach § 42 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eine Entscheidung des Großen Senats herbeizuführen. Denn im vorliegend zu entscheidenden Fall stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Gewährleistungsentscheidung jedenfalls deswegen nicht, weil es beim Kläger als Berechtigten nach dem Gesetz zu Art 131 GG einer ausdrücklichen Gewährleistungsentscheidung auch in den Fällen des § 6 Abs 1 Nr 3 AVG nicht bedarf; Anwartschaft auf lebenslange Versorgung und Hinterbliebenenversorgung ist bei ihm auch ohne solche Entscheidung schon kraft Gesetzes als gewährleistet anzusehen (s hierzu BSGE 10, 103, 106; 21, 252, 254 = SozR Nr 5 zu § 73 G 131; SozR aa0 Nr 7; SozR Nr 7 zu § 8 GAL aF).

Verfassungsrechtlich ist § 39 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AVG ebensowenig zu beanstanden wie § 37c AVG. Zwar hat das BVerfG noch nicht entschieden, ob auch der eigenständige Leistungsteil des Kinderzuschusses überhaupt dem Schutz des Art 14 Abs 1 GG unterfällt. Nimmt man dies an, dann läßt auch hier die bezweckte Vermeidung von Doppelleistungen aus Mitteln der Allgemeinheit die Regelung als verfassungsmäßig erscheinen; die Erwartung in die Beständigkeit eines Doppelbezuges für Kinder kann nicht schutzwürdiger sein als die Interessen der Allgemeinheit am Abbau sonstiger Doppelversorgungen und allgemein an der Sanierung der gesetzlichen Rentenversicherung.

Nach alledem war das angefochtene Urteil zu bestätigen und die Revision zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661450

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