Schwierige Abgrenzung

Das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) verbindet man gemeinhin mit häuslicher Gewalt und Stalking im persönlichen Umfeld. Doch ist der Anwendungsbereich im Laufe der Zeit ausgedehnt worden. So kann das Gesetz grundsätzlich etwa auch bei Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn am Grenzzaun oder Mietern im Treppenhaus zum Tragen kommen. Eine verwandtschaftliche oder persönliche Nähebeziehung zwischen den Beteiligten ist nicht erforderlich. Eine Entscheidung trifft in jedem Fall das Familiengericht in dem besonderen familiengerichtlichen Verfahren mit seinen verfahrensrechtlichen Erleichterungen (Amtsermittlung und Festsetzung der Rechtsfolgen von Amts wegen). Die Einordnung als Familiensache (§ 111 Nr. 6 FamFG) ist insoweit irreführend. Im Einzelfall kann die Anwendbarkeit des Gewaltschutzgesetzes allerdings zweifelhaft sein, wie 2 neue obergerichtliche Entscheidungen zeigen.

I. Streit um Gartennutzung

Eine ganz normale ­Familie

In dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall ist der Antragsgegner gemeinsam mit seiner getrennt lebenden Ehefrau Eigentümer eines Hausgrundstücks mit Garten. Ihre gemeinsame Tochter nutzt mit ihrer Familie seit Jahren Haus und Garten. Ein Mietvertrag wurde erst nachträglich aufgesetzt. Die jungen Eheleute tragen vor, dass der Antragsgegner das Grundstück wiederholt betreten habe trotz Aufforderung, es zu verlassen. Auch habe er den Ehemann bedroht bis hin zur Ankündigung, er werde ihn totschlagen. Das von den Eheleuten beantragte Unterlassungs- und Abstandsgebot nach § 1 GewSchG hat das Familiengericht gegen den Antragsgegner erlassen. Doch das OLG hob die Entscheidung auf.

Schwerpunkt des Streits im Nutzungs- und Mietvertragsrecht

Es stellt noch einmal klar, dass § 1 GewSchG nur verfahrensrechtliche Regelungen zur vereinfachten Durchsetzung von anderweitig bestehenden Unterlassungsansprüchen zur Abwehr von Gewalttätigkeit, Bedrohung und Nachstellung (§§ 823, 1004 BGB) oder zum Schutze von Wohnung und befriedetem Besitztum (§§ 858 ff. BGB) enthält. Dieses besondere Verfahrensrecht stehe aber auch nur für diese besonderen Abwehransprüche zur Verfügung, nicht auch für andere Ansprüche zwischen den Beteiligten, die im allgemeinen Zivilprozess oder gegebenenfalls als sonstige Familienstreitsache (§ 266 FamFG) verfolgt werden müssten. Hier liege das Schwergewicht der tatsächlichen und rechtlichen Auseinandersetzung nicht beim Schutz von Körper, Gesundheit und Freiheit der Gläubiger, sondern im Streit um die Reichweite des Rechts der Antragsteller, das Grundstück des Antragsgegners zu nutzen, und um Bestand und Inhalt des Mietvertrags.

(OLG Brandenburg, Beschluss v. 20.5.2016, 13 UF 15/16, NZM 2016 S. 869 mit Anm. Wilsch, dazu Neumann, FamRB 2016, S. 464)

II. Blicke vom Balkon

Im Luftraum des Balkons

In einem Fall vor dem OLG Frankfurt hatte die Besitzerin einer Wohnung angeführt, dass ihr Nachbar wiederholt von seinem Balkon über die trennende Brüstung auf ihren Balkon und in Richtung ihrer Wohnung geschaut habe und sich auch einmal über die nur halbhohe Brüstung in den Luftraum ihres Balkons gelehnt habe. Das Familiengericht hat die begehrte Unterlassungsanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz erlassen. Der Senat hat diese aufgehoben, da kein Fall des Gewaltschutzes gegeben sei: Weder sei in einem Umschauen vom Balkon ein Nachstellen i. S. v. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b GewSchG zu erkennen noch verwirkliche das bloße Überlehnen ein Eindringen in befriedetes Besitztum gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a GewSchG.

(OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 21.3.2016, 4 UF 26/16)

Gang zum ­Zivilgericht

Fazit: In solchen Fällen müssen die Antragsteller ihre Unterlassungsansprüche vor dem Zivilgericht nach den allgemeinen materiell-rechtlichen und zivilprozessualen Regeln zur Darlegungs- und Beweislast geltend machen, auch Beweismittel bezeichnen und ihren Antrag auf ausreichend bestimmte, zur Vollstreckung geeignete Rechtsfolgen richten.

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