Leitsatz (amtlich)

Veräußert ein Land- und Forstwirt seine Nutzflächen und setzt seine land- und forstwirtschaftliche Betätigung an einem neuen, mehr als 200 km entfernt liegenden Standort fort, so scheitert die Übertragung der realisierten stillen Reserven nach §§ 6c und 6b EStG auf Reinvestitionen nicht bereits daran, dass er die am neuen Standort erworbenen landwirtschaftlichen Nutzflächen teilweise sowie eine Milchreferenzmenge vollständig verpachtet bzw. verleast (Fortführung des BFH-Urteils vom 17.6.1993, IV R 110/ 91, BStBl II 1993, S. 752 = INF 1993, S. 543).

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein Landwirt, bewirtschaftete in S einen rd. 32 ha großen Betrieb. Im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens veräußerte er zum 15.10.1987 rd. 27 ha für 1,4 Mio. DM. Am 1.12.1988 veräußerte er auch den Hofraum nebst Gebäuden. Ferner übertrug er am 21.7.1989 zur Abgeltung von Abfindungsansprüchen nach der HöfeO eine Forstfläche von rd. 4 ha an seine Geschwister. Ihm selbst blieben danach nur noch 0,1372 ha Wald. Zum 1.11.1987 erwarb der Kläger rd. 63 ha landwirtschaftliche Nutzflächen eines Betriebes in B einschließlich einer Milchquote von rd. 144000 kg. Am 31.10.1987 verpachtete der Kläger die erworbenen Flächen - ausgenommen 6,05 ha Moor, 0,32 ha Wege-, 2,879 ha Forst- und 1,23 ha Hoffläche - und die entsprechend gekürzte Milchquote gegen einen jährlichen Pachtzins von 21705 DM an einen Landwirt. Das auf der nicht verpachteten Hoffläche errichtete Wohnhaus und eine Mehrzweckhalle wurden zum 15.11.1988 fertiggestellt. In B betrieb der Kläger eine Ammenkuhhaltung sowie eine Rindermast. Eine am 7.4.1988 erworbene landwirtschaftliche Nutzfläche von 5,27 ha bewirtschaftete der Kläger selbst, die darauf befindliche Milchquote überließ er dem Pächter der übrigen Milchquote. Maschinen, Geräte und Tiere verlegte der Kläger nach und nach an den neuen Standort; seit November 1988 betrieb er die Landwirtschaft nur noch in B. In der ESt-Erklärung 1987 gab der Kläger einen Gewinn aus der Veräußerung von 28,86 ha von 722054 DM an und begehrte für 719 054 DM den Abzug nach den §§ 6c, 6b EStG. Das Finanzamt versagte den Abzug. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos[1]. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, der Kläger könne die bei dem Verkauf der in S belegenen und befindlichen Wirtschaftsgüter entstandenen Gewinne nicht nach den §§ 6c, 6b EStG auf die in B neu errichteten Wirtschaftsgüter übertragen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger den ursprünglich in S unterhaltenen Betrieb nicht aufgegeben, sondern nach B verlegt hat. Jedenfalls führte er dort einen landwirtschaftlichen Betrieb, zu dessen notwendigem Betriebsvermögen auch die nach dem Erwerb verpachteten landwirtschaftlichen Nutzflächen sowie die verpachtete bzw. verleaste Milchreferenzmenge gehörten.

Der Kläger hat am 28.9.1987 in B einen neuen einheitlichen Betrieb mit Milchquote und damit notwendiges Betriebsvermögen erworben. Zwar konnte er die Hofstelle nicht miterwerben, weshalb er eine neue Hofstelle errichtete. Dies steht aber der Annahme eines Betriebserwerbs und folglich des Erwerbs notwendigen Betriebsvermögens ebenso wenig entgegen wie die anschließende Verpachtung eines großen Teils der erworbenen Flächen an einen anderen Landwirt. Schon die Errichtung einer neuen Hofstelle in B spricht dafür, dass der Kläger von einem einzigen Veräußerer insgesamt einen landwirtschaftlichen Betrieb und nicht daneben noch einzelne - die bedeutendsten - Flächen dieses Betriebs zu Privatvermögen erworben hat. Der Kläger hat nicht etwa einen Teil der Flächen gesondert als Privatvermögen und den übrigen in Selbstbewirtschaftung übernommenen Teil als Betriebsvermögen erworben. Dem steht der einheitliche Kaufvertrag über eine Einheit verschiedener Flächen entgegen, die zuvor Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs waren und dies jederzeit wieder sein können. Ohne dass es im Streitfall hierauf ankäme, erscheint eine spätere Selbstbewirtschaftung der verpachteten Flächen angesichts des Alters des Klägers (Jahrgang 1956) durchaus möglich. Hinzu kommt, dass der Kläger über ein außerordentliches Sonderkündigungsrecht jederzeit einzelne Flächen bis zur Größe von 25 ha in Selbstbewirtschaftung übernehmen könnte.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht nicht festgestellt, in welcher Höhe der Kläger die in S aufgedeckten stillen Reserven auf neu angeschaffte Wirtschaftsgüter in B übertragen konnte.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 28.6.2001 – IV R 23/00

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