Leitsatz

  1. Ein Arbeitnehmer kann nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben, auch wenn er fortdauernd und immer wieder verschiedene Betriebsstätten seines Arbeitgebers aufsucht. In einem solchen Fall ist der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit (regelmäßige Arbeitsstätte) zu bestimmen (Fortentwicklung von BFH-Urteilen v. 11.5.2005, VI R 25/04, BFH/NV 2005 S. 1694, und vom 14.9.2005, VI R 93/04, BFH/NV 2006 S. 53).
  2. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, welcher Tätigkeitsstätte der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugeordnet worden ist, welche Tätigkeit er an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat und welches konkrete Gewicht dieser Tätigkeit zukommt.
  3. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeitsstätte im zeitlichen Abstand immer wieder aufsucht, reicht für die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte jedenfalls nicht aus. Ihr muss vielmehr zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten zukommen (Anschluss an BFH, Urteil v. 4.4.2008, VI R 85/04, BFH/NV 2008 S. 1237).
 

Sachverhalt

K war Geschäftsführer der X-GmbH und durfte einen Firmenwagen auch privat nutzen. Er wohnte in H in einer von seiner Lebensgefährtin gemieteten Wohnung. Im Keller des Anbaus nutzte er einen Raum mit separatem Zugang für berufliche Zwecke. Der Kellerraum war von der Z an die X-GmbH verpachtet. Z hatte ihn wiederum von der Lebensgefährtin des K gepachtet. Der Raum diente allein der Unterbringung einer EDV-Anlage der X-GmbH. K führte darin Wartungs- und Optimierungsarbeiten durch. Die X-GmbH behandelte die Fahrten vom Wohnort des K und zu ihrer Betriebsstätte als Dienstfahrten, das Finanzamt dagegen als solche zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zurück.

 

Kommentar

Praxishinweis

Bisher umschrieb der BFH die regelmäßige Arbeitsstätte als (ortsgebundenen) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit. Damit war typischerweise der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers gemeint, die der Arbeitnehmer mit einer gewissen Nachhaltigkeit aufsuchte. Danach konnte ein Arbeitnehmer auch mehrere regelmäßige Arbeitsstätten haben. Hieran hält der BFH nicht mehr fest. Die Rechtsprechungsänderung gründet auf dem "ortsgebundenen Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit": Nur auf eine Arbeitsstätte kann sich der Arbeitnehmer einstellen. Zu dieser hat er die immer gleichen Wege und kann auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken.

Die regelmäßige Arbeitsstätte ist danach zu bestimmen, welche Tätigkeitsstätte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zuweist, welche Tätigkeit er an möglichen anderen Arbeitsstätten wahrnimmt und welches konkrete Gewicht diese Tätigkeit hat. Es genügt nicht mehr, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeitsstätte im zeitlichen Abstand fortdauernd und immer wieder aufsucht. Einer regelmäßigen Arbeitsstätte muss zentrale Bedeutung gegenüber weiteren Tätigkeitsorten zukommen.

Das FG hat noch zu prüfen, ob der Keller eine Betriebsstätte der GmbH bildet. Räume in unmittelbarer Nähe zur Wohnung des Arbeitnehmers, die von den übrigen Räumen der Wohnung nicht getrennt sind und keine geschlossene Einheit bilden, gelten auch dann nicht als Betriebsstätte, wenn der Arbeitgeber diese Räume dem Arbeitnehmer überlässt und der Arbeitnehmer sie beruflich nutzt. Entscheidend ist die räumliche Trennung.

 

Link zur Entscheidung

BFH, 09.06.2011, VI R 55/10.

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