Gesetzestext

 

(1) 1Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. 2Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 EUR nicht übersteigen. 3Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

A. Normzweck und systematische Einordnung.

 

Rn 1

§ 888 regelt die Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung von Ansprüchen auf Vornahme unvertretbarer, ausschl vom Schuldnerwillen abhängiger Handlungen mittels Beugezwang. Zwangsgeld/Zwangshaft sind hier eine Beugemaßnahme und nicht wie in § 890 repressive Sanktion für einen erfolgten Verstoß (Frankf GRUR-RR 15, 408 Rz 14; Karlsr 17.1.20 – 12 U 27/19 Rz 29). Vollstreckungsmittel ist also die Ausübung von Zwang auf den Schuldnerwillen.

 

Rn 2

Die Vorschrift hat durch das FGG-RefG v 17.12.08 (BGBl I 08, 2586) zum 1.9.09 eine Änderung ihres Abs 3 erfahren). Die Änderung des Abs 1 durch das G zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v 29.7.09 (BGBl I 09, 2258), iKg zum 1.1.13, ist rein redaktioneller Natur. Der Abs 1 verweist nun auf den Zweiten Abschnitt.

I. Abgrenzung zu § 887.

 

Rn 3

Die Abgrenzung zur Vollstreckung vertretbarer Handlungen nach § 887 bereitet tw Schwierigkeiten, vgl dazu die Einzelfalllisten in der Kommentierung des § 887 Rn 23 ff.

II. Abgrenzung zu besonderen Vollstreckungsregeln.

 

Rn 4

Abgrenzungsprobleme bestehen zur Herausgabevollstreckung nach §§ 883 ff (s schon bei § 887) und zur Vollstreckung zur Abgabe einer Willenserklärung nach § 894. Im letztgenannten Fall werfen die Verpflichtung des Schuldners zur Erteilung einer Vollmacht (s schon bei § 887) und der begehrte Widerruf einer (ehrverletzenden) Behauptung Fragen auf. Die hM spricht sich für eine Vollstreckung der Widerrufsverpflichtung nach § 888 aus (BVerfG NJW 70, 651, 652 [verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden]; BGH NJW 62, 1438 [BGH 05.06.1962 - VI ZR 236/61]; offengelassen: BGH NJW 77, 1288, 1290 [BGH 03.05.1977 - VI ZR 36/74]; Frankf MDR 98, 986; diff Celle InVo 02, 301). Die Gegenansicht wendet § 894 analog an (Hamm NJW-RR 92, 634, 635 [OLG Hamm 12.03.1991 - 9 U 202/90] mwN; Frankf NJW 82, 113). Dies überzeugt deshalb nicht, weil weder eine planwidrige Lücke besteht noch dem Gläubigerinteresse damit genügend Rechnung getragen würde. Kann eine Erklärung des Schuldners an sich nach § 888 vollstreckt werden, muss das Urt hinreichend bestimmt sein, damit den Erfordernissen der Norm genügt wird (BGH JR 12, 243 [BGH 19.05.2011 - I ZB 57/10] m Anm Schreiber; aA Karlsr InVo 05, 201 [OLG Karlsruhe 08.10.2004 - 19 W 61/04]: Verurteilung zu ›erforderlichen Erklärungen‹ reiche aus). Auch Fälle, in denen außer der Erklärung weitere Handlungen erforderlich sind, können statt nach § 894 gem § 888 vollstreckt werden (vgl MüKoZPO/Gruber Rz 8 mwN). Gleiches gilt, wenn sich die Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung aus einem Prozessvergleich ergibt (BGH NJW 86, 2704, 2705 [BGH 19.06.1986 - IX ZR 141/85]).

 

Rn 5

Abgrenzungsprobleme bestehen weiterhin bei Auskunftsansprüchen nach § 1686 BGB (bzw § 1686a I Nr 2 BGB) – str ist, ob sie als nicht vertretbare Handlungen nach § 888 oder als Annexanspruch zum Umgangsrecht nach §§ 88 ff FamFG zu vollstrecken sind (zu Recht für letzteres Brandbg 14.4.16 – 10 WF 48/16 Rz 11 mwN).

III. Vollstreckung auf Duldung oder Unterlassung.

 

Rn 6

Ob eine Verpflichtung auf ein Unterlassen oder eine unvertretbare Handlung gerichtet ist, lässt sich ebenfalls zT nur schwer abgrenzen. Maßgeblich ist die Auslegung des Titels, nicht die Formulierung des Tenors. Sie muss ergeben, ob ein Gebot zum Unterlassen oder zu einem Handeln ausgesprochen wird (Saarbr NJW-RR 01, 163, 164 [OLG Saarbrücken 06.04.2000 - 5 W 22/00 - 8]). Enthält der Titel beides, entscheidet der Schwerpunkt der Verpflichtung über die anwendbare Vollstreckungsregel (Köln OLGZ 94, 599, 602; im Erg ebenso BGH NJW-RR 03, 1235 ff [BGH 11.04.2003 - V ZR 323/02]).

 

Rn 7

Eine Abgrenzung zu § 890 ist schließlich auch bei der Vollstreckung von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen aus § 1004 I BGB notwendig, die uU nach § 887 oder § 888 zu vollstrecken sind (Saarbr OLGR 04, 640).

B. Allgemeine Voraussetzungen und Tatbestandsvoraussetzungen.

I. Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung.

1. Vollstreckungsantrag/Rechtsschutzbedürfnis.

 

Rn 8

Die Festsetzung von Zwangsmitteln erfordert einen ordnungsgemäßen Vollstreckungsantrag des Gläubigers an das Prozessgericht des ersten Rechtszuges. Dafür besteht Anwaltszwang, soweit § 78 dies erfordert (str). Der Antrag muss erkennen lassen, dass der Gläubiger nach § 888 vorgehen will, wobei keine zu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen (München MDR 03, 53; zur Umdeutung in Bezug auf § 887 vgl die dortige Kommentierung und in Bezug auf § 890 München MDR 03, 53 [bejahend] sowie München OLGR 00, 86 [abl]). Die geforderte Handlung muss im Antrag so genau w...

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