Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzbedürfnis

 

Leitsatz (amtlich)

Ein durch Prozeßvergleich begründeter Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung kann auch mit der Leistungsklage durchgesetzt werden.

 

Normenkette

ZPO § 888 Abs. 1, § 894 Abs. 1, § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 253

 

Verfahrensgang

OLG Köln

LG Aachen

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. Juni 1985 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger hat aufgrund gerichtlichen Vergleichs vom 7. Juli 1983 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek an deren Grundstück H…-str. 37 in A…. Er erhob Klage auf Abgabe der Eintragungsbewilligung. Die Beklagte hält die Klage für unzulässig, weil der Kläger sein Ziel einfacher im Wege der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich erreichen könne.

Das Landgericht verurteilte die Beklagte, die Eintragung einer Sicherungshypothek auf dem vorgenannten Grundstück – eingetragen im Grundbuch von A… Bl. – an bereitester Stelle in Höhe von 100.000 DM zugunsten des Klägers zu bewilligen. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten zurück. Mit der Revision erstrebt diese die Aufhebung des Berufungsurteils und die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsurteil enthält keinen Tatbestand, auch keine Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts und die Schriftsätze der Parteien. Die Revision rügt an sich zu Recht die Verletzung des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Danach darf bei Urteilen, gegen welche die Revision stattfindet, auf die Darstellung eines Tatbestandes nicht gänzlich verzichtet werden; andernfalls verfällt das Urteil regelmäßig der Aufhebung durch das Revisionsgericht (BGHZ 73, 248, 252 = NJW 1979, 227). Davon sieht der Bundesgerichtshof jedoch ab, wenn das Ziel, die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, im Einzelfalle dadurch erreicht werden kann, daß der Sach- und Streitstand sich aus den Entscheidungsgründen in für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichendem Umfange ergibt (vgl. BGH, Urteile v. 27. Mai 1981 – IVa ZR 55/80, NJW 1981, 1848; v. 22. September 1981 – VI ZR 170/80, NJW 1982, 447; v. 20. Januar 1983 – VII ZR 210/81, NJW 1983, 1901; v. 21. Februar 1983 – VIII ZR 102/82, ZIP 1983, 493 = WM 1983, 377; v. 25. Mai 1983 – VIII ZR 16/81, NJW 1983, 2250 und v. 17. Januar 1985 – VII ZR 257/83, NJW 1985, 1784, 1785).

So ist es hier. Aus dem Entscheidungssatz des erstinstanzlichen Urteils und den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils läßt sich ersehen, daß es hier allein um die Rechtsfrage geht, ob trotz der Möglichkeit aus einem gerichtlichen Vergleich, der die Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung enthält, nach § 888 ZPO zu vollstrecken, auch Klage auf Abgabe dieser Willenserklärung erhoben werden kann. Das Berufungsurteil braucht deshalb nicht wegen Fehlens des Tatbestandes aufgehoben zu werden.

II.

1. Das Berufungsgericht geht ersichtlich davon aus, daß auf einen gerichtlichen Vergleich, der die Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung enthält, die Fiktion des § 894 nicht anzuwenden ist. Das ist richtig (RGZ 55, 57, 58; RG ZZP 56, 202, 203/204; OLG Hamm NJW 1956, 918; OLG Köln MDR 1975, 586 Nr. 71; Stein-Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl. § 888 Anm. I 1; Rosenberg/Schwab, ZPO, 13. Aufl. § 132 II 2 d/S. 777).

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Weg, nach § 888 ZPO aus einem solchen Vergleich vorzugehen, angesichts der Pflicht, den Schuldner anzuhören, und der oft notwendigen wiederholten Anordnung von Zwangsmitteln in der Regel keineswegs kürzer und einfacher als ein Klageverfahren. Zudem werde hier das Ziel der Abgabe der geschuldeten Willenserklärung nur mittelbar über in ihrer Wirkung stets unsichere Beugemittel verfolgt, während es durch eine Klage unmittelbar erreicht werden könne, weil mit der Rechtskraft des Urteils die Willenserklärung als abgegeben gelte (§ 894 ZPO). Aus diesem Grunde sei das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Abgabe der Eintragungsbewilligung trotz der Möglichkeit einer Vollstreckung aus dem Vergleich durch Beugestrafen zu bejahen.

2. Diese Entscheidung trifft zu.

a) Allerdings entspricht es einer gefestigten Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, daß im allgemeinen das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage zu verneinen ist, wenn der Kläger bereits einen vollstreckbaren Titel über die Klageforderung in Händen hat und aus diesem unschwer die Zwangsvollstreckung gegen seinen Schuldner betreiben kann. Doch ist dem Gläubiger trotz eines Vollstreckungstitels die Erhebung einer Klage nicht verwehrt, wenn hierfür nach Lage der Dinge ein verständiger Grund angeführt werden kann (vgl. BGH, Urteile v. 3. Dezember 1957 – I ZR 156/57, LM § 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO Nr. 9; v. 23. Februar 1961 – II ZR 250/58, NJW 1961, 1116; v. 24. Oktober 1984 – IVb ZR 35/83, FamRZ 1985, 166, 167; OLG Hamm NJW 1976, 246; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 44. Aufl. Grundz. § 253 Anm. 5 Ag, § 794 Anm. 1 B; Zöller/Stöber, ZPO, 14. Aufl. vor § 253 Rdnr. 18). In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß auch beim Vorhandensein vollstreckbarer Titel, die keine Urteile sind (wie u.a. Vergleiche), beim Vorliegen eines besonderen Bedürfnisses oder Interesses, so wenn mit einer Vollstreckungsgegenklage zu rechnen ist, das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage vorliegt (BGH, Urt. v. 23. Mai 1962 – V ZR 167/60, NJW 1962, 1392 m. w. N.).

b) Nach § 888 ZPO kann der Gläubiger vom Schuldner durch die Verhängung von Zwangsgeld und Zwangs-(Beuge-)haft die Abgabe der geschuldeten Willenserklärung erzwingen (vgl. RGZ 55, 57, 59/60; OLG Hamm NJW 1956, 918 und MDR 1971, 401; OLG Braunschweig NJW 1959, 1929; OLG Köln a.a.O. und MDR 1975, 586; OLG Stuttgart, Die Justiz 1970, 381; Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O. § 888 Anm. 1 A; Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl. § 881 Anm. 1 a, § 894 Anm. 2 b; Zöller/Stöber a.a.O. § 894 Anm. I 2; Stein-Jonas/Münzberg a.a.O. § 887 Anm. I, § 894 Anm. I 1; Bauer/Stürner, Zwangsvollstreckung und Konkurs, 11. Aufl., Rdnr. 670, 700, 701; Zydow/Busch, ZPO, 22. Aufl. § 894 Anm. 1, 3; Seuffert/Walsmann, ZPO, 12. Aufl. § 888 Anm. 1 a S. 602; Lehmann, Der Prozeßvergleich, Abhandlungen zum Privatrecht und Zivilprozeß, 1911 Bd. 22 Heft 1 S. 228; Gerhardt, Grundbegriffe des Vollstreckungs- und Insolvenzrechts, 1985, Rdnr. 174 § 116, 117).

Das Verfahren ist zeitraubend und kostenträchtig, sein Ergebnis unsicher. Der Gläubiger, der die Abgabe einer Willenserklärung aufgrund Prozeßvergleiches verlangen kann, steht damit schlechter da als der Gläubiger, dem ein solches Recht durch Urteil zugesprochen ist, weil dieses nach § 894 ZPO die verlangte Erklärung ersetzt. Damit räumt die Prozeßordnung mit § 894 ZPO dem Urteil eine besondere Stellung vor anderen Vollstreckungstiteln ein, weil sie sich im Falle der Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung nicht erst mit einer Erzwingung der begehrten Erklärung durch Beugestrafe aufhält. Zu Recht wird daraus hergeleitet (Bötticher Anm. zu RG ZZP 56, 202, 205), daß dem Gläubiger dieser einfache und gerade Weg zur Erreichung seines Zieles Abgabe der Willenserklärung auch dann offen gehalten werden muß, wenn der Weg über § 888 ZPO zur Verfügung steht, ohne daß es zur Rechtfertigung einer Leistungsklage noch des Vorliegens besonderer Umstände bedarf (vgl. weiter Lehmann a.a.O. S. 229; Thomas/Putzo a.a.O. § 894 Anm. 2 b).

Schutzwürdige Belange des Schuldners werden dadurch nicht betroffen. Er hat kein Recht darauf, die Schwierigkeiten, die dem Gläubiger aus dem Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO erwachsen können, in der Weise für sich zu nutzen, daß er sich auf unbestimmte Zeit der im Vergleich übernommenen Verpflichtung zur Abgabe einer bestimmten Willenserklärung entzieht, die, wäre ein Urteil ergangen, nach § 894 ZPO schon längst als abgegeben zu gelten hätte. Durch die Leistungsklage kann er sich auch kostenmäßig nicht zu Unrecht belastet fühlen. Hätte er nämlich durch sein Verhalten zur Erhebung einer solchen Klage keinen Anlaß gegeben, so könnte er sich nach § 93 ZPO durch ein sofortiges Anerkenntnis von der Kostenpflicht befreien. Es kann davon ausgegangen werden, daß in aller Regel der Gläubiger, bevor er die Vollstreckung nach § 888 ZPO aus dem Vergleich einleitet oder Leistungsklage erhebt, zur Abgabe der Willenserklärung entsprechend der Vergleichsverpflichtung auffordert. Der Schuldner kann also die möglichen Folgen einer Erfüllungsverweigerung prüfen und das Risiko einer etwa drohenden Leistungsklage des Gläubigers dementsprechend einschätzen. Der leistungsunwillige Schuldner verdient keine besondere Nachsicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609751

BGHZ, 127

BB 1987, 364

NJW 1986, 2704

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