Rn 93

Da die konkrete Behauptungslast von der jeweiligen Prozesssituation im Einzelfall abhängig ist, lassen sich allgemeingültige Grundsätze nur für die abstrakte Behauptungslast aufstellen (vgl Schultz NJW 17, 16 ff). Die Rspr verlangt insoweit, dass der Kl Tatsachen vorträgt, die iVm einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden sein zu lassen (BGH MDR 19, 119 Rz 8; BGHZ 223, 139, 148 Rz 30 = NJW 19, 3722, 3724). Das Gericht muss in der Lage sein, auf Grund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen (BGH NJW 84, 2888, 2889 [BGH 12.07.1984 - VII ZR 123/83]; MDR 11, 1464 [BGH 25.10.2011 - VIII ZR 125/11]). Überzogene Anforderungen dürfen aber an die Substantiierungslast nicht gestellt werden (vgl Geipel/Prechtel MDR 11, 336f). Die Gerichte sind zwar nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um die geltend gemachten Ansprüche zu konkretisieren. Dies bedeutet aber nicht, dass der Bezug auf Anlagen unzulässig wäre. Es reicht vielmehr aus, wenn eine Partei auf eine Anlage Bezug nimmt, der eine Tabelle vorangestellt ist, in der einzelne Positionen nach Rechnungsnummer, Datum, Rechnungsbetrag und Leistungsort aufgelistet sind (BGH MDR 19, 182, 183 [BGH 02.10.2018 - VI ZR 213/17] Rz 8).

 

Rn 94

Wird das Zustandekommen bestimmter Abreden behauptet, muss nicht unbedingt zu Einzelheiten dieser Abreden vorgetragen werden (BGH NJW 99, 1859, 1860 [BGH 21.01.1999 - VII ZR 398/97]; 12, 1647, 1648 [BGH 29.02.2012 - VIII ZR 155/11] Rz 16; vgl auch Brose MDR 08, 1315 ff). Ebenso wenig kann der Vortrag von Einzeltatsachen verlangt werden, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen (BGH NJW-RR 10, 1217, 1218 [BGH 11.05.2010 - VIII ZR 212/07]). Bei einer Klage, die sich auf eine getroffene Einigung stützt, gilt dies etwa für die Umstände dieser Vereinbarung wie Zeit, Ort oder teilnehmende Personen (BGH NJW 11, 3291, 3292 [BGH 19.05.2011 - VII ZR 24/08] Rz 14). Wird ein Sachmangel geltend gemacht, reicht eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen aus; die – ohnehin häufig nicht bekannte – Ursache der Mangelsymptome braucht nicht bezeichnet zu werden (BGH NJW-RR 97, 1376; NJW 12, 382, 383 [BGH 25.10.2011 - VIII ZR 125/11]; Frankf NJW-RR 15, 1165, 1166 Rz 32). Bei einer Mietminderung genügt der Mieter seiner Behauptungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Beeinträchtigung braucht er hingegen nicht vorzutragen. Das Gleiche gilt für eventuelle Ursachen der Mängel (BGH NJW-RR 16, 1291, 1292 [BGH 27.07.2016 - XII ZR 59/14] Rz 5; NJW 17, 1877, 1878 [BGH 21.02.2017 - VIII ZR 1/16] Rz 11; NJW 18, 647, 648 [OVG Nordrhein-Westfalen 28.09.2017 - 16 A 980/16] Rz 6 ff). Bei der Geltendmachung von Lärmbeeinträchtigungen braucht auch das Ergebnis einer Messung des von Bauarbeiten ausgehenden Schalldruckpegels in Dezibel (dB) vorgelegt zu werden (BGH NJW 20, 2884, 2893 [BGH 29.04.2020 - VIII ZR 31/18] Rz 83). Geht es um den Verkehrswert einer Sache, reicht es grds aus, wenn der Kl einen bestimmten Wert behauptet und mit einem Sachverständigengutachten unter Beweis stellt (BGH NZM 18, 294 [BGH 12.10.2017 - V ZR 17/17] Rz 10). Im Bauprozess darf die Beweiserhebung zu einer behaupteten mündlichen Stundenlohnvereinbarung nicht davon abhängig gemacht werden, dass zu Ort, Zeit und Umständen der behaupteten Abrede vorgetragen wird, selbst wenn der schriftliche Bauvertrag für das Gegenteil – nämlich die Vereinbarung eines Einheitspreises – spricht (Kobl NJW 16, 1523, 1524 [OLG Koblenz 29.07.2015 - 5 U 211/15] Rz 22f). Eine Partei braucht auch keine Erklärung dafür zu erbringen, warum eine von ihr behauptete mündliche Vereinbarung keinen Eingang in den schriftlichen Vertrag gefunden hat (BGH MDR 15, 234, 235 [BGH 21.10.2014 - VIII ZR 34/14] Rz 25; NJW 15, 409, 410 Rz 13). Dies folgt bereits aus dem Grundsatz, dass der Grad der Wahrscheinlichkeit für den Umfang der Behauptungslast regelmäßig ohne Belang ist und erst iRd Beweiswürdigung Bedeutung erlangt. Es ist deshalb auch unerheblich, ob die behaupteten Tatsachen auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruhen (BGH NJW-RR 18, 1150, 1151 [BGH 21.06.2018 - IX ZR 129/17] Rz 16).

 

Rn 95

Im Arzthaftungsprozess dürfen an die Substantiierungspflicht des Patienten ebenfalls nur maßvolle Anforderungen gestellt werden. Der Patient bzw. sein Prozessbevollmächtigter ist nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen oder ein Sachverständigengutachten einzuholen (BGH NJW 16, 1328, 1329 [BGH 01.03.2016 - VI ZR 49/15] Rz 6; MDR 16, 1264, 1265 Rz 14; NJW 19, 3236, 3237 [BGH 28.05.2019 - VI ZR 328/18] Rz 11 m Anm Heßeler). Das Vorbringen muss nur in groben Zügen erkennen lass...

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