Gesetzestext

 

(1) Unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten ist das Gericht zuständig, das zuerst mit der Angelegenheit befasst ist.

(2) Die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts bleibt bei Veränderung der sie begründenden Umstände erhalten.

(3) Gerichtliche Handlungen sind nicht deswegen unwirksam, weil sie von einem örtlich unzuständigen Gericht vorgenommen worden sind.

A. Zweck der Vorschrift.

 

Rn 1

Die durch die §§ 3–5 ergänzte Vorschrift enthält entgegen seiner Überschrift keine Vorgaben für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts, die sich nach den besonderen Bestimmungen für die einzelnen Angelegenheiten richtet. Geregelt sind vielmehr Einzelfragen für die Behandlung von Zuständigkeitsproblemen (Prütting/Helms/Prütting § 2 Rz 1).

B. Geltungsbereich.

 

Rn 2

§ 2 gilt in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Familiensachen, nach § 113 Abs 1 S 1 aber nicht für Ehe- und Familienstreitsachen.

C. Exkurs: Örtliche Zuständigkeit.

 

Rn 3

Da § 2 keine Regelungen für die örtliche Zuständigkeit enthält, werden diese nachfolgend kurz zusammengefasst. Während einige Vorschriften an den ›gewöhnlichen Aufenthalt‹ eines Beteiligten anknüpfen (zB §§ 122 Nr 1–5, 152 Abs 2, 170 Abs 1, 2, 187 Abs 1–3, 201 Nr 3, 211 Nr 3, 218 Nr 2–4, 232 Nr 2, Abs 3, 262 Abs 2, 267 Abs 2, 272 Nr 2, 313 Nr 2, 341, 377 Abs 3), ist nach anderen der Wohnsitz, Aufenthalt oder Gerichtsstand (zB §§ 313 Nr 3, 343 Abs 13, 411 Abs 1, 466 Abs 1), der tatsächliche Aufenthaltsort (zB bei §§ 201 Nr 2, 211 Nr 2), das Bedürfnis der Fürsorge (zB bei § 152 Abs 3, 4, 272 Nr 3, Abs 2), das Bedürfnis für den Erlass der Maßnahme (zB bei § 313 Abs 2, 416), die Belegenheit der Sache (zB § 343 Abs 3, 466 Abs 2) oder den Ort der Tat (§ 211 Nr 1) bzw der Einrichtung (§ 416 S 2) maßgebend (zu allem Prütting/Helms/Prütting § 2 Rz 11 ff). Die örtliche Zuständigkeit ist als Verfahrensvoraussetzung vAw in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen.

D. Zuständigkeit des zuerst befassten Gerichts (Abs 1).

 

Rn 4

Nach Abs 1 ist unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten das zuerst mit der Angelegenheit befasste Gericht zuständig (›Vorgriffszuständigkeit‹). Maßgebend ist nur, wann das Gericht mit einer Sache befasst wurde, nicht, wann es tatsächlich tätig geworden ist. Die Anknüpfung an einen nach außen erkennbaren Zeitpunkt dient der höheren Transparenz und erhöht die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens. In auf Antrag eingeleiteten Verfahren wird dieser Zeitpunkt durch den Eingang des Antrags bestimmt; in vAw eingeleiteten Verfahren kommt es auf die Kenntnisnahme der Umstände an, die eine Verpflichtung zur Tätigkeit des Gerichts begründen (Begr zu § 2 RegE in BTDrs 16/6308, S 175).

 

Rn 5

Eine nach Abs 1 begründete Zuständigkeit betrifft nur die Angelegenheit, in der das Gericht tätig geworden ist, wobei es darauf ankommt, ob sie Gegenstand eines einheitlichen und selbstständigen Verfahrens sein kann (etwa bei ›Dauerverfahren‹ und ›Gesamtverrichtungen‹, wie Betreuung, Erteilung, Einziehung und Kraftloserklärung eines Erbscheins nach demselben Erblasser, Anordnung und richterliche Prüfung der Freiheitsentziehung nach §§ 417 und 428). Nicht erfasst sind einzelne Angelegenheiten, auch wenn zwischen ihnen ein sachlicher Zusammenhang besteht (Prütting/Helms/Prütting § 2 Rz 24), wie es bei Eröffnung des Testaments durch das Gericht, der Verwahrung und Erteilung des Erbscheins durch das Nachlassgericht (BayObLG Rpfleger 95, 254 [OLG Frankfurt am Main 11.11.1994 - 20 W 534/94]), Erteilung des Erbscheins und Testamentsvollstreckerzeugnisses (LG Berlin Rpfleger 71, 318) und Stellung eines neuen Antrags nach Rücknahme (KG Rpfleger 70, 134) der Fall ist.

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