Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. stufenweise Wiedereingliederung. keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation. keine Erstattung der Fahrkosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der stufenweisen Wiedereingliederung handelt es sich nicht um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation durch die Krankenkasse.

2. Eine Erstattung von Fahrtkosten zur stufenweisen Wiedereingliederung kann weder über § 60 SGB V noch über § 73 SGB IX (juris: SGB 9 2018) beansprucht werden.

3. Die Auffassungen anderer Gerichte dazu finden keine Stütze im Gesetzestext.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Berufung wird gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte dem Kläger für die Zeit einer stufenweisen Wiedereingliederung Fahrtkosten zu erstatten hat.

Der 1961 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist als Verwaltungsangestellter bei der K sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Eine Schwerbehinderung ist festgestellt. In der Zeit vom 30.01.2020 bis zum 26.07.2020 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte gewährte in dieser Zeit Krankengeld nach den gesetzlichen Vorschriften. In der Zeit vom 15.05.2020 bis zum 26.07.2020 wurde eine stufenweise Wiedereingliederung durchgeführt. Ab dem 27.07.2020 bestand wieder Arbeitsfähigkeit. Mit Schreiben vom 26.08.2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Erstattung der ihm entstandenen Fahrtkosten für die Zeit der Wiedereingliederungsmaßnahme. Der Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 09.12.2020 abgelehnt. Fahrtkosten könnten von den Krankenkassen nur in den gesetzlich festgelegten Ausnahmefällen und nur nach vorheriger Antragstellung übernommen werden. Eine Kostenerstattung sei nur für solche Fahrten möglich, die zu einer ärztlichen Behandlung oder einer vom Arzt verordneten Behandlung führten. Dies treffe für die Wiedereingliederung nicht zu. Mit seinem dagegen gerichteten Widerspruch vom 04.01.2021 verwies der Kläger auf folgende Urteile:

· SG Berlin, Urteil vom 29.11.2018 - S 4 R 1970/18,

· LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2020 - L 6 KR 100/15.

Darin werde ausgeführt, dass Fahrtkosten zur Wiedereingliederung auf der Grundlage des § 73 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu erstatten seien. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben der in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB IX genannten Rehabilitationsträger würden ergänzt durch Reisekosten. Als solche seien u.a. die erforderlichen Fahrtkosten anzusehen, die im Zusammenhang mit der Durchführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Bei der stufenweisen Wiedereingliederung handele es sich um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne der §§ 64, 73 SGB IX. Dies ergebe sich aus den §§ 42 bis 48 SGB IX, die in § 42 Abs. 2 SGB IX sowohl die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als auch in § 44 SGB IX die Leistungen zur stufenweisen Wiedereingliederung regelten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Nach den gesetzlichen Vorgaben in § 60 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien Fahrtkosten eine Nebenleistung, die nur dann übernommen werden können, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung Fahrten bei Leistungen, die (teil-) stationär erbracht werden,

· Rettungsfahrten zum Krankenhaus,

· Krankentransporte, wenn ein Krankenkraftwagen benutzt wird und es während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung bedarf,

· Fahrten zur „besonderen“ ambulanten Behandlung bei an sich gebotener stationärer Krankhausbehandlung,

· Fahrten zu einer ambulanten Behandlung in besonderen Ausnahmefällen entsprechend der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nach vorheriger Genehmigung der Krankenkasse

· Fahrten im Zusammenhang mit Leistungen der medizinischen Rehabilitation.

Fahrten zur stufenweisen Wiedereingliederung seien von diesem Katalog nicht umfasst. Die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben sei ausschließlich als betriebsbezogene Maßnahme mit rehabilitativer Zielsetzung unter Mitwirkung der ärztlichen Versorgung anzusehen und somit keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Daran änderten auch die genannten Urteile nichts.

Hiergegen richtet sich die am 22.06.2021 beim Sozialgericht Koblenz eingegangene Klage.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm der geltend gemachte Fahrtkostenanspruch zusteht. Die stufenweise Wiedereingliederung sei von seinem Hausarzt empfohlen worden für zunächst zwei, dann vier und später sechs Stunden pro Tag, bis ab dem 27.07.2020 wieder volle Arbeitsfähigkeit für acht Stunden pro Tag vorgelegen habe. Die Fahrt mit dem PKW sei dabei im Vergleich zur Busverbindung die günstigste Lösung gewesen. Die Rechtsprechung gehe davon, dass im Falle einer stufenweisen Wied...

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