Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufiger Rechtsschutz in einem Wettbewerbsstreit zwischen Krankenkassen. Beschränkungen bei der Mitgliederwerbung von Krankenkassen. Unterschiede in der finanziellen Belastung der Versicherten ab 1.1.2009 durch das GKV-WSG. Wettbewerbsstreit zwischen Krankenkassen. Einschaltung der Aufsichtsbehörde. Erhebung eines kassenindividuellen Zusatzbeitrags. Allgemeiner Beitragssatz. Einstweilige Anordnung. Rechtschutzinteresse. Unterlassungsanspruch. Finanzbedarf. Wahlentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in einem Wettbewerbsstreit zwischen Krankenkassen entfällt nicht wegen der Möglichkeit der Einschaltung der Aufsichtsbehörde (Abweichung von LSG Saarland vom 21.6.2006 - L 2 B 5/06 KR und von LSG Schleswig-Holstein vom 26.9.2007 - L 5 B 522/07 KR ER).

2. Eine Krankenkasse darf nicht mit der Aussage werben, ab dem Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) am 1.1.2009 komme es nicht mehr zu Unterschieden in der finanziellen Belastung der Versicherten zwischen den einzelnen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung, ohne auf die Möglichkeit der Erhebung eines kassenindividuellen Zusatzbeitrages und der Auszahlung von Prämien an die Mitglieder (§ 242 SGB 5 idF des GKV-WSG) hinzuweisen.

 

Normenkette

SGB V § 242 Abs. 1-2, §§ 241, 175 Abs. 4 S. 5, §§ 220, 4 Abs. 3; SGB I §§ 13, 15; SGB X § 86; SGG § 86b Abs. 2, §§ 172-173

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 14.9.2007 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- € für jeden Fall des Zuwiderhandelns, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin, untersagt zu behaupten, dass ab dem Jahr 2009 alle Krankenkassen denselben Beitragssatz haben, ohne auf die Möglichkeit kassenindividueller Zusatzbeiträge bzw. Prämienzahlungen nach § 242 Abs 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung hinzuweisen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung der Behauptung hat, dass ab dem Jahr 2009 alle gesetzlichen Krankenkassen denselben Beitragssatz haben, ohne auf die Regelungen kassenindividueller Zusatzbeiträge bzw. Prämienzahlungen nach § 242 Abs 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung (BGBl I 278) hinzuweisen.

In einem Schreiben vom 13.2.2007 verwendete der "Privatkundenservice" der Antragsgegnerin ua folgende Formulierung: “...der deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 2. Februar 2007 die Gesundheitsreform verabschiedet. Dieses Gesetz erfüllt die von Sozialpolitikern lange gehegte Forderung des einheitlichen Beitragssatzes für alle Krankenkassen, der von der Bundesregierung erstmals mit Wirkung ab 01. Januar 2009 festzulegen ist. Dann werden Service und Dienstleistungen für die Mitglieder mehr denn je von Interesse sein und der heutige Preiswettbewerb um gesunde Versicherte tritt in den Hintergrund...„. In einem Schreiben an Mitglieder, die ihre Versicherung bei ihr gekündigt haben, führt die Antragsgegnerin ua aus: “Ab 1.1.2009 wird der Beitragssatz von der Bundesregierung einheitlich für alle Krankenkassen festgelegt. Dann haben alle Krankenkassen den gleichen Beitragssatz. Dann ist nur noch der Service ein Unterschied. Und der ist bei uns durch den TÜV getestet - mit dem Ergebnis GUT 95 % zufriedene Kunden.„ Ein Werbeflyer der Antragsgegnerin enthält ua folgende Aussage: “Mit dem Start des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 werden alle gesetzlichen Krankenkassen denselben Beitragssatz haben.„

Mit ihrem am 30.7.2007 beim Sozialgericht (SG) gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat die Antragstellerin geltend gemacht, die Werbung der Antragsgegnerin enthalte falsche und irreführende Behauptungen, die geeignet seien, den Wettbewerb unzulässig zu deren Gunsten zu beeinflussen. Zwar sei ab dem 1.1.2009 ein einheitlicher Beitragssatz festgelegt worden. Die Antragsgegnerin habe aber den Hinweis unterlassen, dass gemäß § 242 SGB V idF ab dem 1.1.2009 ein Zusatzbeitrag erhoben werden und dass eine Krankenkasse bei Überschüssen Prämien an ihre Mitglieder auszahlen könne. Mit einem solchen Zusatzbeitrag sei gerade bei der Antragstellerin wegen derer prekärer Finanzsituation zu rechnen. Die Antragsgegnerin versuche als hochpreisige gesetzliche Krankenkasse, durch irreführende Hinweise auf die ab 2009 geltenden Neuregelungen Versicherte von einem Wechsel zu einer anderen Krankenkasse abzuhalten.

Das Sozialgericht (SG) hat durch Beschluss vom 14.9.2007 den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz sei zu...

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