Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegenüber dem Rentenversicherungsträger. offensichtliche Unrichtigkeit. fiktiver Rentenantrag. Dispositionsmaxime. ärztlich verordnete Schonungszeit

 

Orientierungssatz

1. Erstattungsansprüche einer Krankenkasse gegen einen Rentenversicherungsträger, die darauf beruhen, daß einem Versicherten anstatt gezahlten Krankengeldes Rente zugestanden hätte, richten sich nach § 103 SGB 10. Das gilt auch für vor Inkrafttreten der Vorschrift entstandene Ansprüche aus noch nicht abgeschlossenen Verfahren (vgl BSG vom 13.9.1984 4 RJ 37/83 = BSGE 57, 146).*

2. Das Gebot der engen Zusammenarbeit der Leistungsträger verpflichtet den Rentenversicherungsträger, seine Leistungsentscheidung auf Anforderung der Krankenkasse zu überprüfen und bei offensichtlicher Unrichtigkeit zu korrigieren (vgl BSG vom 13.9.1984 4 RJ 37/83 = BSGE 57, 146).

3. Hat ein Versicherter, der nach ärztlichem Gutachten als erwerbsunfähig anzusehen ist, beim Rentenversicherungsträger eine Rehabilitationsmaßnahme beantragt, läßt sich aber durch die Maßnahme die Erwerbsfähigkeit des Versicherten nicht wiederherstellen, so ist der Antrag zugleich als Rentenantrag anzusehen (vgl BSG vom 10.10.1979 3 RK 25/79 = BSGE 49, 71).

4. Die Dispositionsbefugnis des Versicherten zur Inanspruchnahme von Leistungen der Rentenversicherung ist bei Erstattungsansprüchen der Krankenkasse gegen den Rentenversicherungsträger zu beachten (vgl BSG vom 13.9.1984 4 RJ 63/83 = SozR 1300 § 103 Nr 3).

5. Zur Frage des Einflusses einer ärztlichen verordneten Schonungszeit im Anschluß an eine stationäre medizinische Maßnahme bei Geltendmachung eines Erstattungsanspruches.

 

Normenkette

SGB 10 § 86 Fassung: 1982-04-11, § 103 Fassung: 1982-04-11; RVO § 183 Abs 3 S 1; RVO § 183 Abs 6; SGB 10 Art 2 § 21 Fassung: 1982-11-04; RVO § 1241d Abs 4 Fassung: 1980-08-18, § 1240 S 2 Fassung: 1974-08-07

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 29.02.1984; Aktenzeichen L 2 J 230/83)

SG Hildesheim (Entscheidung vom 10.06.1983; Aktenzeichen S 4 J 4/82)

 

Tatbestand

Die klagende Betriebskrankenkasse (BKK) begehrt von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) Erstattung in Höhe der dem beigeladenen Versicherten angeblich für die Zeit vom 1. Dezember 1977 bis 30. April 1978 zustehenden Erwerbsunfähigkeitsrente.

Der 1926 geborene Beigeladene, der bei der Klägerin kranken- und der Beklagten rentenversichert ist, war zuletzt als Metallarbeiter (Hülsenschneider) beschäftigt. Im Mai 1977 wurde er arbeitsunfähig krank und erhielt (nach Wegfall der Lohnfortzahlung) ab 20. Juni 1977 von der Klägerin Krankengeld. Im September 1977 beantragte er medizinische Leistungen zur Rehabilitation; dem entsprach die Beklagte, indem sie ihm vom 27. Oktober bis zum 24. November 1977 eine stationäre Heilbehandlung in der Kurklinik T. in Bad R. gewährte und für diese Zeit Übergangsgeld zahlte. Im Entlassungsbericht hieß es, daß der Beigeladene als weiterhin arbeitsunfähig entlassen werde, allerdings "nach einer schicklichen Schonzeit ein Arbeitsversuch wieder unternommen werden sollte"; im Formularblatt wurde die Fortsetzung der zuletzt ausgeübten Beschäftigung als möglich bezeichnet und ein Einsatz für "leichte Arbeiten vollschichtig" bejaht; die Rubrik für eine ärztlich verordnete Schonungszeit blieb offen.

Aufgrund von Berichten des Nephrologischen Zentrums N. vom 27. Januar und 8. März 1978 (im Anschluß an eine stationäre Behandlung vom 10. bis zum 22. Februar 1978), wonach der Beigeladene nicht mehr in der Lage sei, die im Stehen auszuführende Tätigkeit eines Hülsenschneiders weiter zu verrichten und "der Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente ...daher zu unterstützen" sei, beantragte der Beigeladene am 17. April 1978 Rente wegen Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit.

Die Beklagte lehnte den Antrag ab, nachdem sie von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. W. ein Gutachten eingeholt hatte, demzufolge der Beigeladene noch leichte Arbeiten vollschichtig leisten könne. Während des Widerspruchsverfahrens zog sie den Befund des Nephrologischen Zentrums N. über die erneute stationäre Behandlung des Beigeladenen in der Zeit vom 25. Januar bis zum 23. Februar 1979 bei, in dem es hieß, wegen des Allgemeingesundheitszustandes sei die Ausübung eines Berufs ohne gesundheitliche Gefährdung nicht möglich. Nach entsprechender Stellungnahme ihres prüfärztlichen Dienstes gewährte die Beklagte nunmehr mit bindend gewordenem Bescheid vom 8. Mai 1979, ausgehend von einem am 17. April 1978 eingetretenen Versicherungsfall, ab 1. Mai 1978 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Klägerin erhielt wegen des vom 1. Mai bis zum 14. Oktober 1978 gezahlten Krankengeldes von der Beklagten einen Nachzahlungsbetrag in Höhe der auf diesen Zeitraum entfallenden (niedrigeren) Rente.

Nachdem die Klägerin bereits im Juli 1980 einen weiteren Erstattungsanspruch geltend gemacht hatte, erhob sie im Januar 1982 gegen die LVA Klage auf Erstattung von 6.136,40 DM für das vom 1. Dezember 1977 bis zum 30. April 1978 gezahlte Krankengeld bis zur Höhe der dem Beigeladenen angeblich zustehenden Erwerbsunfähigkeitsrente: Der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit sei nicht erst am 17. April 1978, sondern spätestens bereits am 24. November 1977 (Ende der Heilbehandlung) eingetreten, so daß die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den vom Beigeladenen auf sie - die Klägerin - übergegangenen Rentenanspruch bereits ab 1. Dezember 1977 bestanden hätten, da ein Antrag auf Rehabilitationsmaßnahmen auch dann als Rentenantrag gelte, wenn der Versicherte bei Abschluß der Maßnahme berufs- oder erwerbsunfähig sei.

Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. Juni 1983), das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und im Urteil vom 29. Februar 1984 ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei die Klage zulässig, da sich die BKK auf einen vermeintlichen übergegangenen oder eigenen Anspruch stütze; sie sei jedoch unbegründet. Die Klägerin müsse gem § 183 Abs 3 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) tatbestandlich gegen sich gelten lassen, daß die Beklagte in ihrem, dem Beigeladenen, erteilten Bescheid vom 8. Mai 1979 Erwerbsunfähigkeitsrente erst mit Wirkung vom 1. Mai 1978 "zugebilligt" habe. Auch auf das Urteil des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Oktober 1979 (BSGE 49, 71) könne sich die Klägerin nicht berufen; weder dort noch in Folgeurteilen des 3. Senats sei es darum gegangen, ob die Krankenkasse auf die Feststellung des fiktiven Rentenbeginns durch den Rentenversicherungsträger Einfluß nehmen könne. Nichts anderes ergebe sich aus § 103 des 10. Buches des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB 10), so daß offen bleiben dürfe, ob diese Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt überhaupt Anwendung finde.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Da die am 24. November 1977 beendete Heilbehandlung erfolglos geblieben sei, hätte der Antrag vom September 1977 auf Rehabilitation als Rentenantrag gelten müssen. Der von der Beklagten dem Versicherten erteilte Rentenbescheid habe ihr - der Klägerin - gegenüber keine Tatbestandswirkung, zumal das Verhältnis der beiden Sozialleistungsträger zueinander nicht durch Verwaltungsakt geregelt werden könne. Sie brauche eine willkürliche oder sonst fehlerhafte Rechtsanwendung der Beklagten nicht hinzunehmen; diese habe gegen § 103 Abs 1 SGB 10, der hier Anwendung finde, verstoßen.

Die Klägerin beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. Februar 1984 und des Sozialgerichts Hildesheim vom 10. Juni 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Dezember 1977 bis zum 30. April 1978 6.136,50 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Nach ihrer Meinung könne der Anspruch der Kasse gegen den Rentenversicherungsträger nicht weiter gehen als der Anspruch des Versicherten selbst.

Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung wegen des von ihr gezahlten Krankengeldes zusteht.

Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin richtet sich nach den Vorschriften des 3. Kapitels des SGB 10 vom 4. November 1982 (BGBl I 1450), insbesondere nach den §§ 102 ff. Mit den dadurch mit Wirkung vom 1. Juli 1983 eingeführten Bestimmungen hat der Gesetzgeber die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander neu geregelt und damit das bisherige Recht abgelöst. Nach Art II § 21 des Gesetzes vom 4. November 1982 aa0 sind bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen, wobei diese Vorschrift auch noch nicht zu Ende geführte Gerichtsverfahren erfaßt, in denen Leistungsträger gegeneinander Erstattungsansprüche geltend machen. Dies hat der erkennende Senat durch Urteil vom 1. Dezember 1983 (SozR 1300 Art 2 § 21 SGB 10) sowie mehrere Urteile vom 13. September 1984 (4 RJ 37/83 = BSGE 57, 146 = SozR 1300 § 103 SGB 10 Nr 2, 63/83 = SozR aa0 Nr 3, 39/83, 45/83, 57/83 und 41/83 sowie Urteil vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 79/84) in Übereinstimmung mit dem 9a Senat (Urteil vom 28. März 1984 = SozR 1300 § 102 Nr 1), dem 7. Senat (Urteil vom 24. Mai 1984 - 7 RAr 97/83), dem 8. Senat (Urteil vom 22. Mai 1984 - 8 RK 45/83) und dem 1. Senat (Urteile vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 und vom 30. Januar 1985 - 1/4 RJ 107/83) entschieden.

Die Klägerin stützt ihren Anspruch gegen die Beklagte darauf, daß sie dem Versicherten Krankengeld für einen Zeitraum gezahlt habe, für den die Beklagte Erwerbsunfähigkeitsrente hätte zahlen müssen. Aufgrund dieser Leistungspflicht der Beklagten sei der Krankengeldanspruch bis zur Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente entfallen. Damit macht die Klägerin einen Anspruch nach § 103 Abs 1 SGB 10 geltend (Urteile des Senats vom 13. September 1984; Schroeder-Printzen/Engelmann ua, SGB X, Ergänzungsband, Anm 2.5 zu § 103; Gerlach DOK 1983, 393 ff, 398; Stüwe, SdL 1983, 95 ff, 99; Dederer, DRV 1983, 566 ff, 568 f). § 104 SGB 10 greift demgegenüber bei derartigen Ansprüchen nicht ein, wie der Senat in den Urteilen vom 13. September 1984 bereits im einzelnen dargelegt hat (vgl das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil 4 RJ 337/84 S 8 f). Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der die Ansprüche der Krankenkassen aus dem früheren § 183 Abs 3 Satz 2 RVO durch § 103 SGB 10 ersetzen wollte (vgl BT-Drucks 9/95 S 24, Begründung zu § 108 des Entwurfs, ferner Clausing/Dörr/Hermann/Schöning, SGB X § 103 Anm 8.2; VDR-Komm SGB X § 103 Anm 6.2.4).

§ 103 Abs 1 SGB 10 setzt voraus, daß durch die Erfüllung eines entsprechenden (zweiten) Leistungsanspruchs der erbrachte (erste) Leistungsanspruch zum Wegfall kommt. Eine solche Wegfallregelung trifft der auch nach dem 30. Juni 1983 geltende § 183 Abs 3 Satz 1 RVO, wonach der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tage endet, von dem an vom Träger der Rentenversicherung ua Erwerbsunfähigkeitsrente zugebilligt wird. Das Gesetz knüpft also, was die "Zubilligung" anlangt, grundsätzlich an eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers an; dieser erläßt den Verwaltungsakt (Rentenbescheid) darüber, ob und (bejahendenfalls) ab wann und in welcher Höhe Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt wird. In den Urteilen vom 13. September 1984 (vgl BSGE 57, 146, 149) hat der Senat näher ausgeführt, daß - anders als dies anscheinend die Revision möchte - die gesetzliche Krankenkasse kein Recht hat, in das Verhältnis Rentenversicherungsträger/Versicherter hineinzuwirken oder an ihm beteiligt zu werden, soweit nicht das Gesetz ausdrücklich begrenzt Ausnahmen zuläßt (§ 183 Abs 7, 8 RVO). Deshalb ist der Krankenkasse auch nicht die Möglichkeit eingeräumt, den Bescheid des Rentenversicherungsträgers anzufechten. Umgekehrt stehen dem Versicherten keine Mitwirkungsrechte hinsichtlich der sich aus § 103 SGB 10 ergebenden Rechtsbeziehungen zu, weil es sich hierbei im Ergebnis lediglich um einen Zahlungsausgleich zwischen den beiden Versicherungszweigen handelt.

Allerdings erfahren diese Grundsätze eine Modifizierung dadurch, daß sich die Leistungen der beiden genannten Träger gegenseitig beeinflussen, so daß es eines Zusammenwirkens der beteiligten Versicherungsträger zu dem Ziel bedarf, die Interessen auch des Versicherten sachgerecht zu wahren. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 86 SGB 10 die Leistungsträger verpflichtet, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetzbuch eng zusammenzuarbeiten. Dies umfaßt zumindest die Verpflichtung, bei widerstreitenden gegenseitigen Interessen auch die Belange des anderen Versicherungsträgers angemessen zu berücksichtigen. Das kann jedoch nicht bedeuten, daß die beklagte LVA auf Verlangen des Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung ein erneutes Verwaltungsverfahren anstrengen und eine neue Sachaufklärung betreiben müßte. Sie ist lediglich gehalten, unter Verwendung der bereits getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu überprüfen, ob eine Änderung ihres Standpunktes notwendig ist. Ein Beharren auf der früheren Position wäre ihr nur versagt, wenn sich die frühere Entscheidung als offensichtlich fehlerhaft erweist und der Klägerin zum Nachteil gereicht. Das Ausnutzen einer formalen Rechtsposition unter Mißachtung einer klaren anderen Rechtslage würde das gesetzliche Gebot der engen Zusammenarbeit verletzen und wäre insoweit auch rechtsmißbräuchlich (zu alledem: BSGE 57, 146, 149 f; Urteil vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 79/84, S 8 f).

Eine solche Fehlerhaftigkeit liegt hier nicht vor.

Möglicherweise scheitert der geltend gemachte Erstattungsanspruch schon daran, daß der Beklagten hinsichtlich der "Zubilligung" einer Rente für Zeiträume vor Mai 1978 die Regelungsbefugnis entzogen war. Da die Rentengewährung einen entsprechenden Antrag voraussetzt (§ 1545 Abs 1 Nr 2 RVO) und Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich vom Ablauf des Antragsmonats und von dessen Beginn nur dann zu gewähren ist, wenn der Antrag später als drei Monate nach Eintritt des Versicherungsfalls gestellt wird (§ 1290 Abs 1 Satz 1, Abs 2 RVO), der Beigeladene aber tatsächlich lediglich im April 1978 die Rente beantragt hat, kommt hier nur die Anwendung des § 1241d Abs 3 RVO in Betracht. Danach gilt der Antrag auf Rehabilitation als Antrag auf Rente, wenn der Versicherte berufs- oder erwerbsunfähig ist und nicht zu erwarten ist, daß seine Erwerbsfähigkeit durch die Rehabilitationsmaßnahme erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Die Rechtsprechung hatte den Anwendungsbereich dieser Vorschrift bereits auf diejenigen Fälle ausgedehnt, in denen zunächst eine Maßnahme gewährt, dann aber deren Erfolglosigkeit festgestellt worden war (vgl BSGE 49, 71 = SozR 2200 § 1241d Nr 1; BSG SozR aa0 Nr 2 und Urteil des erkennenden Senats vom 21. Februar 1980 - 4 RJ 53/79), bevor mit Wirkung vom 1. Januar 1981 eine entsprechende gesetzliche Regelung mit dem durch Art II § 4 Nr 2 SGB 10 angefügten Abs 4 geschaffen wurde. Im Anschluß an den 11. Senat des BSG (aa0 Nr 2 S 10) hat der erkennende Senat im Urteil vom 13. September 1984 - 4 RJ 63/83 (= SozR 1300 § 103 SGB 10 Nr 3) entschieden, daß die gesetzliche Antragsfiktion jedenfalls durch eine entgegenstehende Erklärung des Versicherten entkräftet werden könne, dem - wie auch den Gesetzesmaterialien und der Gesetzessystematik zu entnehmen sei - eine Dispositionsbefugnis zustehe, ob er es bei der Fiktionswirkung belassen oder von der Rentenantragstellung absehen wolle (aa0 S 13 f). Zwar hatte in dem jenem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt der Versicherte ausdrücklich betont, daß mit seinem Antrag auf Rehabilitationsmaßnahmen nicht zugleich Rente beantragt sein solle, während vorliegend der Antrag von September 1977 keine derartige Beschränkung enthält. Dennoch geht es im Grunde auch hier darum, ob die seit jeher in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Antragsmaxime zum Nachteil des Versicherten in ihr Gegenteil verkehrt werden kann. Hätte nämlich die Beklagte, wie dies die Klägerin möchte, den Rehabilitationsantrag von September 1977 zugleich als Rentenantrag gelten lassen, so wäre der Beigeladene Gefahr gelaufen, seinen - gegenüber der Erwerbsunfähigkeitsrente höheren - Krankengeldanspruch nicht voll auszuschöpfen und die Möglichkeit einer längeren auf die Rente anrechenbaren Ausfallzeit (§ 1259 Abs 1 Nr 1, Abs 3 RVO) auszuschalten. Ein bereits im September 1977 gestellter Rentenantrag hätte also schwerlich dem Interesse des Beigeladenen entsprochen, was uU von der Beklagten bei beabsichtigter Anwendung der Fiktion zu beachten gewesen wäre und Rückwirkungen auf den geltend gemachten Erstattungsanspruch haben kann. Indessen durfte der Senat die Beantwortung dieser Frage hier offen lassen. Denn das Vorbringen der Klägerin, der Beigeladene sei schon vor dem von der Beklagten angenommenen Datum des Versicherungsfalles - dem 17. April 1978 - erwerbsunfähig gewesen, läßt sich den vorhandenen tatsächlichen Feststellungen nicht entnehmen.

Insbesondere bietet der im Anschluß an die Heilverfahrensmaßnahme vom 27. Oktober bis zum 24. November 1977 verfaßte Entlassungsbericht keinen Anhaltspunkt dafür, daß von den Ärzten der Kurklinik beim Beigeladenen eine Minderung des Leistungsvermögens festgestellt worden wäre, aufgrund deren bereits damals Erwerbsunfähigkeit hätte bejaht werden müssen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, der Beigeladene sei als weiterhin arbeitsunfähig entlassen worden, läßt sie unbeachtet, daß aus dem Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit noch nicht auf das Bestehen von Erwerbsunfähigkeit iS von § 1247 Abs 2 RVO geschlossen werden kann. Denn während sich die (krankenversicherungsrechtliche) Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nach der bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit beurteilt (vgl zB zuletzt BSGE 57, 227 = SozR 2200 § 182 Nr 96 mwN), ist der (rentenversicherungsrechtliche) Begriff der Erwerbsunfähigkeit erst erfüllt, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen einer Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann und wenn er keine selbständige Tätigkeit ausübt (§ 1247 Abs 2 Sätze 1 und 3 RVO). Hinzu kommt aber hier noch, daß der Beigeladene im Entlassungsbericht für fähig befunden worden ist, leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten - eine medizinische Beurteilung, die gegen das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit spricht. Selbst in den Berichten des Nephrologischen Zentrums N. vom 27. Januar und vom 8. März 1978 heißt es zum Leistungsvermögen lediglich, daß der Beigeladene nicht mehr "die im Stehen auszuführende Tätigkeit eines Hülsenschneiders" verrichten könne. Wenn dann die Beklagte vor allem unter Berücksichtigung einer erst im Januar/Februar 1979 durchgeführten stationären Behandlung des Beigeladenen den Eintritt des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit auf den Tag der Rentenantragstellung - 17. April 1978 - festgelegt hat, so erscheint dies sachgerecht; jedenfalls kann diese Feststellung der Beklagten nicht als offensichtlich fehlerhaft angesehen werden, zumal - wie dargelegt - das Vorbringen, mit dem die Klägerin für eine Vorverlegung des Versicherungsfalles streitet, unschlüssig ist. Auch dafür, daß vor dem 17. April 1978 Berufsunfähigkeit bestanden habe (was nach § 103 Abs 1 SGB 10 iVm § 183 Abs 5 RVO für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ebenfalls relevant wäre), gibt es keine Anhaltspunkte.

Der Senat hat noch geprüft, ob der geltend gemachte Anspruch möglicherweise zum Teil aus anderen als den von der Klägerin vorgetragenen Gründen besteht. Zu denken ist an § 1240 Satz 2 RVO, wonach Übergangsgeld auch für eine ärztlich verordnete Schonungszeit im Anschluß an eine stationäre medizinische Maßnahme gewährt wird; bezieht der Versicherte Übergangsgeld, so ruht solange der Anspruch auf Krankengeld (§ 183 Abs 6 RVO). Durch die Rechtsprechung ist geklärt, daß eine Schonungszeit durch fortbestehende Arbeitsunfähigkeit nicht ausgeschlossen wird (BSGE 46, 108 = SozR 2200 § 1240 Nr 1; BSGE 48, 23 = SozR aa0 Nr 6). Nun heißt es im Bericht über die stationäre Heilbehandlung des Beigeladenen in der Zeit vom 27. Oktober bis zum 24. November 1977 einerseits, daß von dem als weiterhin arbeitsunfähig entlassenen Beigeladenen allerdings "nach einer schicklichen Schonzeit ein Arbeitsversuch wieder unternommen werden sollte"; andererseits blieb aber im Formular die Rubrik "ärztlich verordnete Schonungszeit" offen.

Damit ist schon zweifelhaft, ob überhaupt eine Schonungszeit ärztlich "verordnet" wurde. Jedenfalls ist aber keine bestimmte Schonungszeit verordnet worden. Deshalb kann es auch - unbeschadet dessen, daß die Klägerin Erstattung nur für Krankengeldzahlungen ab 1. Dezember 1977 verlangt - nicht offensichtlich unrichtig sein, wenn die Beklagte im Anschluß an die Heilmaßnahme kein Übergangsgeld mehr gezahlt hat. Im übrigen ist nicht mehr im nachhinein, sondern nur bei Beendigung der Heilverfahrensmaßnahme von dem für deren Durchführung zuständigen Arzt zu entscheiden, ob und wie lange eine Schonungszeit verordnet wird (vgl BSGE 46, 108, 110; 48, 23, 26).

Die Revision der Klägerin konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662233

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