Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des Übergangsgeldes während einer Berufshilfemaßnahme

 

Orientierungssatz

Entscheidend ist bei einem Übergangsgeld nach § 568 Abs 1 RVO nicht der letzte, vier abgerechnete Wochen umfassende Lohnabrechnungszeitraum vor dem Arbeitsunfall, sondern der letzte vier abgerechnete Wochen umfassende Lohnabrechnungszeitraum vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme.

 

Normenkette

RVO § 568 Abs 1 Fassung: 1974-08-07, § 561 Abs 1 S 1 Fassung: 1974-08-07, § 561 Abs 3 S 2 Fassung: 1974-08-07, § 182 Abs 5 S 1 Fassung: 1974-08-07, § 560 Fassung: 1974-08-07

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 14.10.1981; Aktenzeichen L 2 U 218/80)

SG Landshut (Entscheidung vom 06.06.1980; Aktenzeichen S 5 U 150/79)

 

Tatbestand

Die im Jahre 1958 geborene Klägerin wurde von Oktober 1974 bis Juli 1977 als Friseuse ausgebildet. Nach bestandener Gesellenprüfung arbeitete sie noch bis zum 13. August 1977 in diesem Beruf. Ihre Tätigkeit als Friseuse gab sie wegen eines bereits während der Ausbildung aufgetretenen berufsbedingten Hautekzems auf. Vom 3. Oktober 1977 bis zum 12. Januar 1978 und vom 17. April bis 31. Juli 1978 war sie bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Süd als Meßgehilfin beschäftigt. Die Beklagte gewährte der Klägerin nach einer ersten Mitteilung vom 14. April 1978 gemäß Bescheid vom 27. September 1978 als Maßnahme der Berufshilfe vom 21. August 1978 bis zum 31. Juli 1980 eine Umschulung zur Bauzeichnerin in einem Berufsförderungswerk. Das Übergangsgeld für die Zeit der Umschulung berechnete sie später nach dem Arbeitsentgelt der Klägerin als Friseuse. Eine Durchschrift des Auftrages an die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) vom 4. April 1979, der Klägerin das Übergangsgeld in der angegebenen Höhe auszuzahlen, übersandte sie der Klägerin, die mit Schreiben vom 17. April 1979 geltend machte, es sei für die Berechnung des Übergangsgeldes der Regellohn aus ihrer Tätigkeit bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Süd maßgebend. Die Beklagte lehnte eine Neuberechnung ab, da von dem Arbeitsentgelt als Friseuse auszugehen sei. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte durch Urteil vom 6. Juni 1980 verurteilt, der Berechnung des Übergangsgeldes der Klägerin "den bei der BRD (Wasser- und Schiffahrtsverwaltung) in der Zeit vom 17. 4. 1978 bis 31. 7. 1978 erzielten Verdienst zugrunde zu legen". Das SG hat zur Begründung ua ausgeführt: Der Anspruch ergebe sich aus § 568 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die Begründung für die Einführung dieser Vorschrift zeige, daß mit ihr eine neben den Vorschriften der §§ 560, 561 Abs 1 RVO weitere Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Übergangsgeld für solche Fälle geschaffen werden sollte, in welchen der Verletzte während der Durchführung der Berufshilfe arbeitsfähig sei, denn für solche Verletzte, bei denen Arbeitsunfähigkeit vorliege, seien nach wie vor die §§ 560, 561 RVO einschlägig. Zwar verweise § 568 RVO auf § 561 und § 182 Abs 4, 5, 8 RVO, doch gebiete der Unterschied in den Anspruchsvoraussetzungen der Vorschriften des § 568 bzw § 560 RVO, daß ein maßgeblicher Lohnabrechnungszeitraum mangels Arbeitsunfähigkeit des Rehabilitanden der letzte vor Beginn der Maßnahme für die Berechnung des Übergangsgeldes herangezogen werde. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Oktober 1981). Es hat seine Entscheidung ua damit begründet: Der in Abs 4 und 5 des § 182 RVO gewählte Anknüpfungszeitpunkt - der Beginn der Arbeitsunfähigkeit - könne hier nicht in Frage kommen, sondern müsse durch ein anderes sachgerechtes Kriterium ersetzt werden. Da die RVO diese Frage offenlasse, erscheine es durchaus sachgerecht, auf die Vorschriften des RehabilitationsAngleichungsgesetzes (RehaAnglG) zurückzugreifen. § 9 Abs 1 RehaAnglG bestimmte, daß die für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden besonderen Vorschriften "entsprechend den Grundsätzen der §§ 10 bis 20 dieses Gesetzes" anzuwenden seien. Ein solcher entsprechend anzuwendender allgemeiner Grundsatz könnte § 13 Abs 3 RehaAnglG entnommen werden, wonach für die Berechnung des Regellohnes das im letzten vor Beginn der Maßnahme abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum erzielte Entgelt maßgeblich sei. Diese Regelung könnte dafür sprechen, in den hier in Rede stehenden Fällen bei der Anwendung des § 182 Abs 4 und 5 RVO als Anknüpfungszeitpunkt den des Beginns der Arbeitsunfähigkeit durch den des Beginns der Maßnahme zu ersetzen. Es könne nicht übersehen werden, daß dies im Regelfall zu einer Benachteiligung des Rehabilitanden führen würde. Es sei daher davon auszugehen, daß - jedenfalls in den weitaus überwiegenden Fällen der vorliegenden Art - die Einkommens- und allgemeinen Lebensverhältnisse des Verletzten vor der Umschulung durch den Lohn der früheren, infolge des Unfalles oder der Berufskrankheit aufgegebenen Beschäftigung bestimmt würden und es deshalb sachgerecht sei, das Übergangsgeld wegen seines Charakters als Lohnersatz nach diesen Verhältnissen auszurichten. Anderenfalls bestünde die Gefahr, daß ein zukünftiger Umschüler durch eine sehr kurze und hoch bezahlte Tätigkeit vor der Umschulung sein Übergangsgeld auf einen hohen Betrag hinsteuern könnte. Dabei sei zu berücksichtigen, daß tatsächliche oder voraussichtliche Änderungen des Arbeitsentgelts, die erst nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit eingetreten seien, bei der Berechnung des Kranken- bzw Übergangsgeldes grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien. Bei der Tätigkeit der Klägerin bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion handele es sich um eine Übergangsbeschäftigung. Diese Frage könne allerdings nicht allein nach der Dauer der Tätigkeit oder danach beurteilt werden, ob der Arbeitsvertrag befristet oder unbefristet gewesen sei, sondern nur nach den gesamten Umständen des Einzelfalles. Die Klägerin sei jedoch unbeschadet der langen Dauer bis zum Beginn der Umschulung zur Bauzeichnerin interessiert gewesen und offensichtlich auch davon ausgegangen, daß die zwischenzeitlich aufgenommene Beschäftigung nicht als Lösung des beruflichen Problems, sondern nur als Übergangsbeschäftigung gedacht gewesen sei. Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie führt aus: Das Berufungsgericht verkenne die Bedeutung des § 568 Abs 1 RVO als eigenständige Anspruchsgrundlage. Das dem Lohnersatz dienende Krankengeld solle allen Veränderungen in den Lohnverhältnissen des Versicherten so dicht wie möglich folgen, mithin das aktuelle Lohnniveau widerspiegeln. Deshalb sei von dem letzten Lohnabrechnungszeitraum vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme auszugehen. Rein vorsorglich werde die Ablehnung der Voraussetzungen für § 568 Abs 3 Ziff 3 RVO durch das Berufungsgericht gerügt. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. Oktober 1981 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 6. Juni 1980 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Februar 1981 (8/8a RU 88/80) die Entscheidung des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die Beklagte hat der Klägerin nach Maßgabe des § 568 Abs 1 RVO idF des § 21 Nr 51 RehaAnglG vom 7. August 1974 (BGBl I 1881) während der Maßnahme der Berufshilfe Übergangsgeld nach den §§ 560, 561 RVO zu zahlen.

Es kann hier dahinstehen, ob und inwieweit bereits § 568 RVO idF des RehaAnglG eine Sondervorschrift für die Gewährung des Übergangsgeldes während der Berufshilfe auch bei seit dem Arbeitsunfall bis zum Beginn der Rehabilitationsmaßnahme arbeitsunfähigen Verletzten war (vgl BSGE 49, 219; BSG SozR 2200 § 568 Nr 3; s. aber auch BSGE 45, 171, 172; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-9. Aufl, S 566p; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 568 Anm 2; Trachte BG 1974, 515, 519; Ricke BG 1976, 157; BT-Drucks 7/1237, S 68, zu Nr 45; Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften VB 154/74 vom 26. August 1974, S 14; s nunmehr § 560 Abs 1 Satz 1 und § 568 Abs 1 RVO idF des Art 4 § 1 Nr 7 und 10 des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 -AFKG- BGBl I 1497, s dazu BT-Drucks 9/846, S 53, zu Art 4 § 1 Nr 8). Jedenfalls würde die Gewährung des Übergangsgeldes nach § 560 RVO in der hier maßgebenden Fassung voraussetzen, daß bei der Klägerin in der Zeit von der durch die Berufskrankheit bedingten Aufgabe der Beschäftigung als Friseuse bis zum Beginn der Berufsförderungsmaßnahme Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung vorgelegen hat (s BSG Urteil vom 24. Februar 1982 - 2 RU 14/81; Brackmann aaO; Lauterbach aaO; Trachte aaO, Ricke aaO; BT-Drucks 7/1237, S 68 zu Nr 45; Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften aaO). Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Erkrankte wegen seiner - hier durch die Berufskrankheit bedingten - Erkrankung nicht oder nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen (vgl ua BSGE 19, 179, 181 mit Anschluß an die ständige Rechtsprechung des RVA, BSGE 26, 288, 290; BSG Urteil vom 26. Juli 1978 - 3 RK 26/76 - USK 7894; Brackmann aaO S 390 c ff, 562 l). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG konnte die Klägerin ihre bisher ausgeübte Tätigkeit als Friseuse infolge der Berufskrankheit nicht mehr verrichten. Versucht jedoch ein Versicherter, der infolge Krankheit seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben kann, nicht nur "eine etappenweise Wiedereingliederung" (s BSG Urteil vom 26. Juli 1978 aaO) oder eine Arbeitserprobung (s BSGE 46, 190), sondern nimmt er eine seinem Gesundheitszustand entsprechende volle Beschäftigung auf, so ist, wie auch das SG zutreffend entschieden hat, nunmehr eine etwaige Arbeitsunfähigkeit nach seiner neuen Beschäftigung zu beurteilen (vgl BSGE 32, 18; Heinze in RVO-Gesamtkommentar § 182 Anm 16; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, § 182 Anm 4.1.). Somit ist die Klägerin seit der Aufnahme ihrer Beschäftigung bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion nicht mehr infolge der Berufskrankheit arbeitsunfähig gewesen. Ihr ist Übergangsgeld für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme aufgrund des § 568 RVO zu gewähren.

Die §§ 560, 561 RVO, auf die der hier maßgebende § 568 Abs 1 RVO Bezug nimmt, bestimmen selbst nicht, nach welchem Entgelt das Übergangsgeld zu bemessen ist. Aufgrund der weiteren Verweisung in § 561 Abs 1 und 3 RVO auf § 182 Abs 4, 5, 8 und 10 RVO sind die krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften zur Berechnung des Krankengeldes entsprechend anzuwenden. Nach § 182 Abs 5 Satz 1 RVO ist für den Regellohn das Entgelt maßgebend, das der Versicherte im letzten, vor Beginn der Maßnahme abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum mit mindestens vier abgerechneten Wochen (Bemessungszeitraum) erzielt hat (vgl auch § 13 Abs 3 RehaAnglG). Dabei ist der Beginn der Maßnahme dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 560 Abs 1 RVO gleichzusetzen (§ 9 Abs 1 iVm § 13 Abs 3 RehaAnglG). Entscheidend ist demnach bei einem Übergangsgeld nach § 568 Abs 1 RVO nicht der letzte, vier abgerechnete Wochen umfassende Lohnabrechnungszeitraum vor dem Arbeitsunfall, hier der Berufskrankheit, sondern der letzte, vier abgerechnete Wochen umfassende Lohnabrechnungszeitraum vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme. Auch § 568 Abs 2 und Abs 3 Satz 1 Nr 1 RVO in der hier maßgebenden Fassung (s ebenso § 568 Abs 3 und Abs 4 Satz 1 Nr 1 RVO idF des AFKG) stellt auf die Zeit vor Beginn der Maßnahme ab. Der letzte, vier Wochen umfassende Lohnabrechnungszeitraum vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme war der Monat Juli 1978.

Sinn und Zweck des § 568 RVO bestätigen diese Auslegung. Das Übergangsgeld soll während des gesamten Rehabilitationsgeschehens die wirtschaftliche Sicherung des Rehabilitanden und seiner Familienangehörigen gewährleisten (BT-Drucks 7/1237, S 58, zu § 13 Abs 1). Die Höhe des Übergangsgeldes richtet sich nach den bisherigen Einkommensverhältnissen (s BT-Drucks aaO, zu Abs 2). Das bedeutet, daß der Berechnung des Übergangsgeldes Einkommensverhältnisse zugrunde zu legen sind, die den Lebensstandard des Versicherten ausreichend widerspiegeln (BSGE 51, 193, 196). Allerdings ist erst ein Zustand von gewisser Dauer geeignet, den Lebensstandard des Versicherten zu repräsentieren (vgl Jung/Preuß Rehabilitation, 2. Aufl, § 13 Anm 10, S 189). Ist dies der Fall, so kann aber auch bei einer erneuten Übergangsgeldgewährung entgegen der Auffassung des LSG grundsätzlich nicht mehr auf das ursprüngliche Entgelt zurückgegriffen werden. Eine feste zeitliche Grenze für den Zustand von gewisser Dauer läßt sich auch für die gesetzliche Unfallversicherung nicht ziehen; vielmehr sind die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen. Der vorliegende Fall gibt noch keine Veranlassung zu einer weitergehenden Erörterung dieser Frage. Eine Tätigkeit von insgesamt fast sieben Monaten erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen, unter denen das Übergangsgeld nach den aus dieser Tätigkeit in dem maßgebenden Lohnabrechnungszeitraum erzielten Arbeitsentgelt zu berechnen ist. Der Hinweis des LSG, daß bei der Berechnung des Kranken- und Übergangsgeldes "tatsächliche oder voraussichtliche" Änderungen des Arbeitsentgelts, die erst nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eintreten, unberücksichtigt bleiben (BSGE 36, 59, 60; Brackmann aaO, S 394 c), führt zu keinem anderen Ergebnis, da auch nach der Auffassung des Senats nur das in dem maßgebenden Lohnabrechnungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt berücksichtigt wird.

Aus diesen Gründen rechtfertigt auch der Grundsatz der Kontinuität der Leistungen hier keine andere Entscheidung. Hat der Behinderte Übergangsgeld oder Krankengeld bezogen und wird im Anschluß daran eine Maßnahme der Rehabilitation durchgeführt, so ist nach § 16 Satz 1 RehaAnglG bei der Berechnung des Übergangsgeldes von dem bisher zugrunde gelegten Entgelt auszugehen. Auch nach dieser Vorschrift hat das aus einer zwischen der Gewährung von Krankengeld oder Übergangsgeld und einer Rehabilitationsmaßnahme ausgeübten Beschäftigung erzielte Entgelt nicht stets, sondern nur dann unberücksichtigt zu bleiben, wenn sich die Rehabilitationsmaßnahme an den Bezug von Übergangsgeld oder Krankengeld anschließt. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht zu entnehmen, ob die Beklagte der Klägerin nach Aufgabe der Beschäftigung als Friseuse Übergangsgeld oder die Krankenkasse Krankengeld gezahlt hat. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin war danach erst über 3 Monate und zuletzt über 3 1/2 Monate lang beschäftigt. Aus der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck des vergleichbaren § 1241b RVO idF bis zum Inkrafttreten des AFKG ergibt sich allerdings, daß eine Rehabilitationsmaßnahme "im Anschluß daran" nicht nahtlos und unmittelbar an den Bezug des Kranken- oder Übergangsgeldes anzuschließen braucht (vgl BSGE 51, 193, 195). Eine feste zeitliche Grenze läßt sich nicht ziehen; es muß vielmehr auf die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles abgestellt werden (BSGE aaO). Dabei ist auch hier ua zu berücksichtigen, daß das Übergangsgeld während des gesamten Rehabilitationsgeschehens die wirtschaftliche Sicherung des Behinderten gewährleisten soll. Dies bedeutet wiederum, daß der Berechnung des Übergangsgeldes Einkommensverhältnisse zugrunde zu legen sind, die den Lebensstandard des Versicherten ausreichend widerspiegeln. Vorübergehende Zufälligkeiten sollen nicht den Ausschlag für die Höhe des Übergangsgeldes geben. § 16 RehaAnglG verdeutlicht, daß die finanzielle Unterstützung des Behinderten in derselben Höhe bestehenbleiben soll, wie wenn dieser infolge einer Rehabilitationsmaßnahme seine Beschäftigung unterbrochen oder aufgegeben und diese nicht mehr in vollem Umfang aufgenommen hat (BSGE aaO S 196). Danach kann die zwischen dem Bezug von Übergangsgeld oder Krankengeld einerseits und dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme andererseits liegende Zeit des Bezuges von Arbeitsentgelt zur Feststellung der Einkommensverhältnisse des Versicherten und seines dadurch geprägten Lebensstandards dann nicht ausreichen und somit den Anschluß nicht beseitigen, wenn nicht eine Beschäftigungszeit von mindestens vier Wochen vorliegt (vgl BSGE aaO). Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen des § 568 RVO iVm § 16 RehaAnglG. Danach ist bei einer längeren Zeit unter Beachtung der besonderen Umstände des jeweiligen Falles zu prüfen, ob die Rehabilitationsmaßnahme noch im Anschluß an das Übergangs- oder Krankengeld gewährt wird. Das ist aber jedenfalls bei einer erstmals vor Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme aufgenommenen und fast sieben Monate ausgeübten Beschäftigung nicht der Fall, so daß der Senat von einer weiteren Erörterung möglicher Entscheidungskriterien hier absehen kann. Dies gilt insbesondere für das vom LSG angeführte und seine Entscheidung mitbestimmende Beispiel einer nur zum Zweck der Erhöhung des Übergangsgeldes aufgenommenen "sehr kurzen und hoch bezahlten" Tätigkeit.

Die Rechtsauffassung des Senats steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung in der Krankenversicherung. Bei wiederholter, durch eine Zwischenbeschäftigung unterbrochenen Arbeitsunfähigkeit ist von demjenigen Entgelt auszugehen, das vor der "letzten" Arbeitsunfähigkeit, für die Krankengeld beansprucht wird, erzielt worden ist (vgl BSGE 36, 55; Brackmann, aaO, S 394b; Heinze aaO, § 182 Anm 20 Buchst a; Lauterbach aaO, § 561, Anm 4, Buchst b, aa). Dabei ist es für die Berechnung des Krankengeldes unerheblich, ob die vor der "letzten" Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Beschäftigung "nicht als Lösung des beruflichen Problems, sondern nur als Übergangsbeschäftigung" (LSG S 9/10 des Urteils), zB vor einem erst danach beabsichtigten Berufswechsel gedacht war, der auf den verschiedensten (gesundheitlichen, familiären, ortsbedingten, konjunkturellen) Gründen beruhen kann.

Die gegenteilige Auffassung der Beklagten läßt sich auch nicht aus § 568 Abs 2 RVO ableiten. Durch diese Vorschrift soll - insbesondere bei Beziehern von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld (s § 561 Abs 2 RVO; vgl Lauterbach, aaO, § 568 Anm 4) - ermöglicht werden, auf Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen zurückzugreifen, die vor Beginn der Maßnahme in den letzten drei Jahren erzielt worden sind (s auch Brackmann, aaO, S 366r). Der Betreute braucht also nicht unmittelbar vor Beginn der Maßnahme versicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein. Ist der Verletzte aber vor Beginn der Maßnahme beschäftigt gewesen, so ist der letzte abgerechnete Lohnabrechnungszeitraum im Sinne des § 182 Abs 5 RVO maßgebend. § 568 Abs 2 RVO regelt nur, wie weit zurückgegriffen werden darf, wenn ein solcher Lohnabrechnungszeitraum nicht unmittelbar vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme liegt. In § 568 Abs 3 RVO ist dann eine weitere Sonderregelung für die Fälle getroffen, in denen der letzte Tag der Erwerbstätigkeit vor Beginn der Maßnahme länger als drei Jahre zurückliegt, kein Arbeitsentgelt und kein Arbeitseinkommen erzielt worden ist oder es unbillig hart wäre, das Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen der Bemessung des Übergangsgeldes zugrunde zu legen. Wesentlich ist wiederum, daß auch § 568 Abs 2 und 3 RVO auf den Zeitraum vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme und nicht der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit abstellt. Für die Entscheidung des Senats ist zudem § 568 Abs 4 RVO anzuführen, nach dem eine Rente, die der Verletzte wegen des Arbeitsunfalls bezieht, auf das Übergangsgeld nach den Abs 1 und 2 dieser Vorschrift anzurechnen ist, wenn der Verletzte seit dem Arbeitsunfall kein Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen erzielt hat. Der Verletzte jedoch, der in der Zeit zwischen dem Arbeitsunfall und der Rehabilitationsmaßnahme Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt hat, ist dem Verletzten gleichgestellt, der nach einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit wieder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt hat und danach erneut infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig wird (vgl Lauterbach, aaO, § 568, Anm 6; Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 21. Juli 1977 VB 99/77). Bei diesem Verletzten wird das Übergangsgeld nach dem Arbeitsentgelt vor der Wiedererkrankung und nicht nach dem vor dem Arbeitsunfall berechnet (s Brackmann, aaO, S 563 o; Lauterbach aaO, § 562 Anm 4 Buchst b; § 574 RVO). Dem Verletzten, der in der Zeit zwischen dem Arbeitsunfall und der Rehabilitationsmaßnahme Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt hat, ist die Verletztenrente neben dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu gewähren. § 568 Abs 4 RVO geht somit davon aus, daß das Übergangsgeld an die Stelle dieses Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens tritt und deshalb die Rente auch nicht auf dieses Übergangsgeld anzurechnen ist. Es ist aber nicht ersichtlich, weshalb dieses Übergangsgeld, das an die Stelle des nach dem Arbeitsunfall und vor der Rehabilitationsmaßnahme erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens tritt, nicht auch nach diesem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berechnen sein soll. Die neben dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gewährte Verletztenrente bietet zugleich auch insoweit einen Ausgleich in den Fällen, in denen der Verletzte nach dem Arbeitsunfall ein geringeres Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt hat und deshalb auch ein niedrigeres Übergangsgeld erhält.

Auch aus diesen Gründen rechtfertigt sich die von der Beklagten und vom LSG vertretene gegenteilige Rechtsauffassung schließlich nicht, wie das LSG meint, daraus, daß bei einer nach der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit aufgenommenen minder entlohnten Tätigkeit das später während einer Rehabilitationsmaßnahme, die nicht im Anschluß an den Bezug von Übergangsgeld oder Krankengeld im Sinne des § 13 RehaAnglG durchgeführt wird, gezahlte Übergangsgeld niedriger sein kann als das früher bezogene. Nach § 568a Abs 1 RVO ist der Verletzte nur verpflichtet, eine ihm zumutbare Tätigkeit aufzunehmen (vgl Brackmann, aaO, S 566g). Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob ggf auch eine Tätigkeit zumutbar ist, aus der ein geringeres, wenn auch nicht wesentlich niedrigeres Arbeitsentgelt erzielt wird. Kann nach den besonderen Umständen des Einzelfalles später nicht mehr davon ausgegangen werden, daß die Rehabilitationsmaßnahme noch "im Anschluß" an das früher gezahlte Übergangsgeld durchgeführt wird, so wird auch bei dem Verletzten ein ggf - auch zB unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Lohnerhöhungen - niedrigeres Übergangsgeld noch als zumutbar angesehen werden können, insbesondere da der Verletzte bei einer längeren zwischenzeitlichen Beschäftigung ggf ein höheres Arbeitseinkommen bezogen hat, als es das Übergangsgeld gewesen wäre. Zudem würde ihm, wie bereits dargelegt, gemäß § 568 Abs 4 RVO seine Verletztenrente sowohl auf das vor der Rehabilitationsmaßnahme erzielte Arbeitsentgelt als auch auf das danach wiedergewährte Übergangsgeld nicht angerechnet, so daß ihm im Regelfall ein entsprechender Ausgleich verbleibt.

Der Senat weicht nicht ab im Sinne des § 42 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von dem Urteil des seit dem 1. Januar 1982 nicht mehr für Streitigkeiten aus der Unfallversicherung zuständigen 8. Senats des BSG vom 23. November 1981 (8/8a RU 88/80), so daß auch eine Anfrage bei dem nunmehr zuständigen 9. Senat des BSG entfällt (s BSGE 42, 49, 53). Der 8. Senat des BSG hat in diesem Urteil nach einer Darstellung der maßgebenden Rechtsvorschriften auf S 5 seiner Entscheidungsgründe ausgeführt, zutreffend habe das LSG § 9 Abs 1 RehaAnglG iVm § 13 Abs 3 RehaAnglG entnommen, daß hier der Beginn der Maßnahme dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen ist. Diese Auffassung teilt auch der erkennende Senat. Der 8. Senat des BSG hat dann aufgrund der von ihm angeführten Besonderheiten des entschiedenen Falles die rund vier Monate dauernde Hilfsarbeitertätigkeit des Verletzten nicht als geeignet angesehen, den Anschluß der Rehabilitationsmaßnahme an den vorangegangenen Bezug des Übergangsgeldes auszuschließen. Der erkennende Senat ist, wie oben dargelegt, ebenfalls davon ausgegangen, daß für die Entscheidung, ob eine Rehabilitationsmaßnahme im Anschluß an die Zahlung von Übergangsgeld durchgeführt wird, die Besonderheiten des Einzelfalles als entscheidend anzusehen sind. Der Senat hat im Anschluß an die vor Erlaß des Urteils des 8. Senats ergangene Rechtsprechung des BSG, von welcher dieser Senat nicht abgewichen ist, ebenfalls keine feste einheitliche Grenze dafür angenommen, ab wann eine frühere Beschäftigung nicht mehr die Grundlage für das erneut gewährte Übergangsgeld bilden kann. Der erkennende Senat hat jedenfalls nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles insbesondere bei einer erstmals vor Bewilligung der Maßnahme aufgenommenen und insgesamt fast sieben Monate lang durchgeführten Beschäftigung nicht angenommen, daß die danach begonnene Rehabilitationsmaßnahme noch im Anschluß an das früher gezahlte Übergangsgeld steht.

Auf die Revision der Klägerin war daher das Urteil des LSG aufzuheben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG war jedoch mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der Berechnung des Übergangsgeldes der letzte abgerechnete Lohnabrechnungszeitraum aus der am 31. Juli 1978 geendeten Beschäftigung der Klägerin bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion zugrunde zu legen ist und nicht, wie im Urteilstenor des SG versehentlich angeführt, die gesamte Zeit vom 17. April bis 31. Juli 1978. Der Zinsanspruch ist, wie das SG ebenfalls zutreffend entschieden hat, gem § 44 SGB I begründet (BSG SozR 1200 § 44 Nr 3). Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661792

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