Entscheidungsstichwort (Thema)

Variable WC-Automatik

 

Leitsatz (redaktionell)

Hilfsmittel iS des RVO § 182b (automatische Toilettenanlage):

1. Die Träger der gesetzlichen KV sind zu einer Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln verpflichtet, die den Ausgleich der körperlichen Behinderung selbst bezwecken, also unmittelbar gegen die Behinderung gerichtet sind; um ein Hilfsmittel iS des RVO § 182b handelt es sich dagegen nicht, wenn die Hilfe nicht bei der Behinderung selbst, sondern bei deren Folgen und Auswirkungen in den verschiedenen Lebensbereichen (insbesondere auf beruflichem, gesellschaftlichem oder privaten Gebiet) ansetzt.

2. Kann ein Versicherter die für die Gesunderhaltung notwendige Körperpflege an sich selbst wegen einer Behinderung nicht vornehmen, dann handelt es sich bei einem Gerät, das diese Behinderung ausgleicht, um ein Hilfsmittel iS des RVO § 182b.

3. Obwohl eine automatische Toilettenanlage (Toiletten-Sitzkombination mit Warmwasser-Unterdusche und Warmluft-Trocknung, die auf eine normale Toilette anstelle des Sitzringes variabel montiert wird) nicht unmittelbar die natürliche Armfunktion ersetzt, handelt es sich um ein Hilfsmittel iS des RVO § 182b.

4. Hilfen bei der Beschaffung und Unterhaltung einer den Bedürfnissen des Behinderten entsprechenden Wohnung (SGB 1 § 29 Abs 1 Nr 3), insbesondere, wenn sie mit einer Veränderung der Wohnung selbst verbunden sind (zB Einbau eines Treppenlifts), gehen über den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen KV hinaus.

 

Orientierungssatz

Eine WC-Automatik, die die ausgefallene Funktion der oberen Extremitäten ersetzt, ist ein sonstiges Hilfsmittel iS des RVO § 182b.

 

Normenkette

RVO § 182 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c Fassung: 1974-08-07, § 182b S. 1 Fassung: 1976-08-07

 

Verfahrensgang

SG Münster (Entscheidung vom 06.09.1977; Aktenzeichen S 14 Kr 167/76)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 6. September 1977 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der klagende Sozialhilfeträger verlangt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung der Kosten, die er beim Kauf einer WC-Automatik für die Behinderte U W vorläufig getragen hat.

Die 1960 geborene Behinderte leidet an einer angeborenen Mißbildung der oberen Extremitäten (Fehlen beider Arme und Verkrüppelung der an den Schultern angewachsenen Hände). Am 3. April 1975 verordnete ihr behandelnder Arzt die Versorgung mit einem "clos-o-mat", weil sie auf der Toilette nicht mehr wie ein Kind bedient werden könne und zur Hebung ihres Selbstvertrauens dieses Hilfsmittels unbedingt bedürfe. Die Beklagte lehnte jedoch gegenüber dem bei ihr versicherten Vater der Behinderten, dem Beigeladenen, eine Kostenübernahme ab. Sie vertrat die Ansicht, es handele sich bei der automatischen Closettanlage nicht um ein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Daraufhin übernahm der Kläger die Kosten der Anschaffung, er verlangte jedoch von der Beklagten Ersatz seiner Aufwendungen.

Auf seine Klage hat das Sozialgericht (SG) Münster die Beklagte verurteilt, Ersatz in Höhe von 2.319,90 DM zu leisten. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen eines Ersatzanspruches nach §§ 1531 ff der Reichsversicherungsordnung (RVO) seien erfüllt. Der Beigeladene habe gegenüber der Beklagten für seine behinderte Tochter im Rahmen der Familienhilfe nach §§ 205, 182b RVO einen Anspruch auf die zum Ausgleich der Behinderung erforderlichen Hilfsmittel. Zu diesen Hilfsmitteln zähle auch die vom Kläger für die Behinderte gekaufte WC-Automatik. Die Notwendigkeit der Verordnung eines Hilfsmittels könne nicht davon abhängig gemacht werden, ob eine Hilfe durch Familienangehörige möglich ist.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision, zu deren Begründung sie im wesentlichen vorträgt: Die Erstattung der Kosten für die WC-Automatik müsse schon aufgrund des  Gebotes der Wirtschaftlichkeit (§ 182 Abs 2 RVO) abgelehnt werden, weil die Eltern der Behinderten in der Lage seien, die notwendige körperliche Pflege zu übernehmen. Dem Begehren des Klägers stehe auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. Februar 1974 (3 RK 27/73) entgegen, wonach dem Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung nur die Hilfsmittel zuzuordnen seien, die die Folgen eines regelwidrigen Körperzustandes in medizinischer Hinsicht bessern, beheben oder beseitigen sollen; sie müßten dazu dienen, die natürlichen Funktionen eines nicht oder nicht voll funktionsfähigen Körperorgans zu ersetzen oder zu ergänzen. Die WC-Automatik zähle zu den Hilfen bei der Beschaffung und Erhaltung einer den Bedürfnissen der Behinderten entsprechenden Wohnung, also zu den Hilfen, die der allgemeinen sozialen Eingliederung dienten, für die die Sozialhilfeträger zuständig seien (§ 29 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - SGB I, § 40 Abs 1 Nr 6a des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG -). Die behindertengerechte Zurichtung einer Wohnung umfasse auch die entsprechende sanitäre Einrichtung. Im Kriegsopferrecht werde ein Ohnhänder-Closett ebenfalls nicht zu den Hilfsmitteln im engeren Sinne, sondern zu den Ersatzleistungen gerechnet (§§ 11 Abs 3, 13 Abs 1 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG - iVm §§ 1 und 2 der dazu ergangenen Durchführungsverordnung idF vom 19. Januar 1971).

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 6.9.1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger die Kosten der von ihm für die Behinderte U W gekauften WC-Automatik in Höhe von 2.319,90 DM zu erstatten.

Unstreitig ist die Beklagte verpflichtet, dem bei ihr versicherten Vater der Behinderten auch für diese die gesetzliche Krankenhilfe zu gewähren (§ 205 RVO). Die Verpflichtung erstreckt sich u.a. auf die Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und sonstigen Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder eine körperliche Behinderung auszugleichen (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchst c, § 182b RVO). Zu den sonstigen Hilfsmitteln in diesem Sinne gehört die im vorliegenden Fall für die Behinderte angeschaffte WC-Automatik. Dem Kläger, der anstelle der sich für unzuständig haltenden Beklagten die Leistung erbracht hat, steht somit nach §§ 1531, 1533 RVO ein Ersatzanspruch in Höhe der Anschaffungskosten zu.

Bei der WC-Automatik handelt es sich um eine WC-Sitzkombination mit Warmwasser-Unterdusche und Warmluft-Trocknung. Sie ist auf ein normales Closettbecken anstelle des Sitzringes variabel zu montieren.

Wie der erkennende Senat wiederholt, vor allem im Urteil vom 10. November 1977 - 3 RK 7/77 - (SozR 2200 § 182b RVO Nr 4) ausführlich dargelegt und unter Berücksichtigung des Rehabilitationsangleichungs-Gesetzes (RehaAnglG) vom 7.8.1974 und des SGB I vom 11. Dezember 1975 begründet hat, ist die Krankenkasse als Trägerin der Krankenhilfe und einer ausschließlich medizinischen Rehabilitation - im Gegensatz zu anderen Sozialleistungsträgern mit final umfassenderer Zuständigkeit (z.B. die Rentenversicherungsanstalten, die Berufsgenossenschaften, die Versorgungsverwaltung und die Sozialhilfeträger) - nur zur Gewährung von solchen Hilfsmitteln verpflichtet, die den Ausgleich der körperlichen Behinderung selbst bezwecken, also unmittelbar gegen die Behinderung gerichtet sind. Das klassische Hilfsmittel in diesem Sinne ist dasjenige, das die natürlichen Funktionen eines nicht oder nicht voll funktionsfähigen Körperorgans ersetzt oder ergänzt (z.B. Prothese, Hörgerät). Kein Anspruch gegen die Krankenkasse besteht daher bei Notwendigkeit eines Hilfsmittels, das nicht bei der Behinderung selbst, sondern bei deren Folgen und Auswirkungen in der verschiedenen Lebensbereichen, insbesondere auf beruflichem, gesellschaftlichem oder privatem Gebiet, ansetzt (z.B. elektrische Schreibmaschine, PKW). Die WC-Automatik wirkt zwar nicht direkt auf den durch die Körperfehlbildung bedingten Funktionsausfall ein. Auch ersetzt das Hilfsmittel die Armfunktion nur bei einer bestimmten, allerdings regelmäßig wiederkehrenden Verrichtung des täglichen Lebens durch einen mit der Armfunktion nicht vergleichbaren apparativen Vorgang (Dusche). Die durch das Hilfsmittel ausgeglichene Unmöglichkeit, die äußeren Anal- und Urogenitalpartien des Körpers in der üblichen Weise zu reinigen, kann jedoch nicht bereits als eine Folge und Auswirkung der Behinderung in einem vom Gesundheitszustand abtrennbaren Lebensbereich angesehen werden. Nach Ansicht des Senats steht sie vielmehr in einem so engen Zusammenhang mit der körperlichen Behinderung, daß sie dieser selbst zuzurechnen ist.

Die durch die Fehlbildung der Arme bedingte Behinderung bei der Toilettenbenutzung kann auch nicht - wie im Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 27. Juni 1978 unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 15. Februar 1978 (3 RK 67/76 - Kraftfahrzeugzusatzgerät - KVRS 2240/23 sowie 3 RK 36/76 - Blindenschriftschreibmaschine - KVRS 2240/24 -) und 21. März 1978 (3 RK 61/77 - normaler Autokindersitz - KVRS 2240/25) geschehen - als nachteilige Folgeerscheinung der körperlichen Behinderung auf privatem Gebiet angesehen werden. Die in den genannten Urteilen dem privaten Lebensbereich zugewiesenen Hilfsmittel bzw. Gebrauchsgegenstände lassen Rückschlüsse auf den vorliegenden Fall nicht zu. Es hat sich dabei um Hilfsmittel und Gebrauchsgegenstände gehandelt, die entweder allgemein, also auch von Nichtbehinderten, verwendet werden oder der Eingliederung des Behinderten in bestimmte Lebensbereiche dienen. Die WC-Automatik ist weder ein allgemeiner Gebrauchsgegenstand noch eine Eingliederungshilfe, sie ist vielmehr eine Hilfe zur Erhaltung der Gesundheit, also zur Erhaltung des Zustandes, der bei der Eingliederung in Lebensbereiche vorausgesetzt wird. Durch dieses Hilfsmittel werden demnach nicht erst die Folgen und Auswirkungen der Behinderung in verschiedenen Lebensbereichen ausgeglichen, sondern es wird die ausgefallene Funktion der oberen Extremitäten selbst ersetzt.

Der Senat hat weiter in seinem Urteil vom 13. Februar 1975 - 3 RK 35/74 - (SozR 2200 § 187 Nr 3) einen Bad-Helfer (Gerät, das es ermöglicht, vom Rollstuhl aus in die Badewanne zu gelangen) als Hilfsmittel im Sinne des § 187 Nr 3 RVO in der bis 1. Oktober 1974 geltenden Fassung anerkannt, weil dieser der vom Gesetz vorgeschriebenen Zweckbestimmung diene: Es gehöre zu den elementaren Bestandteilen der Körperpflege eines Versicherten, das in der Wohnung zur Verfügung stehende Wannenbad benutzen zu können. Die dadurch ermöglichte gründliche körperliche Reinigung sei nicht nur ein Grunderfordernis der Hygiene, wie es sich vom Leitbild des gesunden Menschen aus darstelle, sie diene auch der Erhaltung und Verbesserung der Arbeitsfähigkeit. Wenn auch § 182b RVO, der § 187 Nr 3 RVO aF ersetzt hat, nicht mehr ausdrücklich auf die Erhaltung und Verbesserung der Arbeitsfähigkeit abstellt, so berücksichtigt das zum alten Rechtszustand ergangene Urteil vom 13. Februar 1975 den auch für die jetzt geltende gesetzliche Regelung bedeutsamen Gesichtspunkt, daß der - für die Arbeitsfähigkeit maßgebende - Gesundheitszustand von der Befriedigung lebensnotwendiger Grundbedürfnisse, wie der Körperpflege, abhängig ist. Bei einer körperlichen Behinderung in diesem Bereich handelt es sich in der Regel nicht um Folgen oder Auswirkungen einer Behinderung auf beruflichem, gesellschaftlichem oder privatem Gebiet, sondern um eine dem gesundheitlich-medizinischen Bereich unmittelbar zuzuordnende Behinderung. Kann eine Person, wie im vorliegenden Fall die Tochter des Beigeladenen, die Körperpflege an sich selbst nicht vornehmen, weil ihre Arme infolge von Krankheit nicht ausreichend funktionsfähig sind, so ist ein Gerät, das diese Funktionseinbuße ausgleichen kann, ein Hilfsmittel im Sinne des § 182b RVO; denn es ersetzt natürliche Körperfunktionen und dient medizinischen Zwecken, nämlich der Hygiene, einer Voraussetzung der Gesunderhaltung.

Der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des Senats vom 22. Februar 1974 - 3 RK 27/73 - (BSGE 37, 138 - elektrische Schreibmaschine -) führt zu keinem anderen Ergebnis. Es ist richtig, daß in dieser Entscheidung dem Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung vor allem die Hilfsmittel zugeordnet worden sind, die die Folgen eines regelwidrigen Körperzustandes in medizinischer Hinsicht, also die Funktionsstörungen, bessern, beheben und beseitigen. Diese Rechtsprechung bezog sich ebenfalls auf die seit 1. Oktober 1974 außer Kraft getretene Bestimmung des § 187 Nr 3 RVO, die dem Wortlaut nach die Zuständigkeit der Krankenkasse auf die Hilfsmittel beschränkte, die nötig waren, um die Arbeitsfähigkeit herzustellen oder zu erhalten. Obwohl der nun geltende § 182b RVO eine solche einschränkende Zweckbestimmung nicht mehr enthält, ist weiterhin - wie erwähnt - aufgrund der Aufgabenverteilung im Bereich des gesamten Sozialleistungssystems eine Zuständigkeit der Krankenversicherung nur dann anzunehmen, wenn das Hilfsmittel die körperliche Behinderung selbst ausgleichen soll. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn es sich um eine Eingliederungshilfe handelt (siehe auch BSG vom 15. Februar 1978 - 3 RK 67/76 - aaO). Die WC-Automatik ist aber gerade nicht nur eine Hilfe zur Eingliederung, vor allem nicht nur eine Hilfe bei der Beschaffung und Unterhaltung einer den Bedürfnissen des Behinderten entsprechenden Wohnung, für die nach § 29 Abs 1 Nr 3 SGB I iVm § 40 Abs 1 Nr 6a BSHG der Sozialhilfeträger unter Ausschluß der Krankenversicherung zuständig wäre. Die behindertengerechte Zurichtung einer Wohnung ist in der Regel mit einer Veränderung der Wohnung selbst verbunden (z.B. Einbau eines Treppenlifts), das hier umstrittene Hilfsmittel einer WC-Automatik ist dagegen ein variables Gerät.

Im Kriegsopferrecht zählt das Ohnhänder-Closett, das u.U. ein unbeweglicher Bestandteil einer Wohnung ist, nicht zu den besonderen sanitären Ausstattungen der Wohnung (§ 5 Nr 11 DVO zu §§ 11 Abs 3 und 13 Bundesversorgungsgesetz - BVG -, siehe auch BSG vom 28. Oktober 1975 - 9 RV 122/75 - SozR 3610 § 2 Nr 1 und vom 25. April 1978 - 9 RV 96/76 - KOV-Mitt BE 1978, 22 und USK 7848). Seine Anschaffung ist nicht eine Maßnahme der Wohnungsfürsorge im Rahmen der Kriegsopferfürsorge, sondern eine vom Versorgungsträger zu gewährende Ersatzleistung iSd § 11 Abs 3 BVG (§ 2 Nr 11 DVO zu §§ 1 Abs 3 und 13 BVG). Erst recht kann dann die Bereitstellung einer variablen WC-Automatik, die auf jedes gewöhnliche Closett montiert werden kann, nicht als eine Maßnahme der behindertengerechten Wohnungszurichtung angesehen werden. Eher ist sie anderen Hilfsmitteln vergleichbar, die ebenfalls in der Wohnung montiert werden, dadurch aber ihre Eigenschaft als selbständiges Hilfsmittel nicht verlieren (z.B. Bettgalgen, Bettleiter).

Der Einwand der Beklagten, im Kriegsopferrecht werde das Ohnhänder-Closett nicht zu den Hilfsmitteln im engeren Sinne, sondern zu den Ersatzleistungen gerechnet, beachtet nicht, daß sich die Hilfsmittel in der Kriegsopferversorgung und die Hilfsmittel der Krankenversicherung nicht decken. Zwar geht auch das Recht der Kriegsopferversorgung davon aus, daß Hilfsmittel anstelle eines nicht oder nicht voll verwendungsfähigen Körperorgans treten und möglichst weitgehend dessen Aufgaben übernehmen sollen. Hier werden aber die Hilfsmittel, die der Versorgungsträger als Sachleistung zu gewähren hat, abschließend aufgezählt (§ 1 DVO zu §§ 11 Abs 3, 13 BVG - vgl BSG 25. April 1978 - 9 RV 96/76 - aaO). Im Krankenversicherungsrecht werden sie begrifflich umschrieben (§ 182b RVO: "Hilfsmittel, die erforderlich sind, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder eine körperliche Behinderung auszugleichen.") Daraus ergibt sich, daß manche Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung in der Kriegsopferversorgung nicht als solche anerkannt sind und umgekehrt, wie sich z.B. aus der Zuordnung der "Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens" und der Blindenführhunde zu den Hilfsmitteln im Sinne der Kriegsopferversorgung ersehen läßt (§ 1 Nr 18 und 22 DVO zu §§ 1 Abs 3 und 13 BVG).

Der Anspruch auf Gewährung des Hilfsmittels entfällt nicht deshalb, weil die Leistungen der Krankenpflege, zu denen auch die Ausstattung mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln gehört, das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen (§ 182 Abs 2 RVO). Die Beklagte beruft sich zur Begründung ihrer gegenteiligen Schlußfolgerung auf die Entscheidung des Senats vom 13. Februar 1975 - 3 RK 35/74 - aaO. In jenem Fall war es dem Behinderten nicht möglich, seine Behinderung durch die Hilfe mit ihm zusammenwohnender Familienangehöriger auszugleichen, da diese selbst behindert waren. Diesen Umstand hatte der Senat bei seiner Entscheidung jedoch lediglich zusätzlich berücksichtigt und darauf hingewiesen, daß der Behinderte auf den Gebrauch des Hilfsmittels angewiesen war. Nach Ansicht der Beklagten ist im vorliegenden Fall das Hilfsmittel nicht erforderlich, weil die Behinderte von ihrer Mutter gepflegt werde und mit deren Hilfe eine gewöhnliche Toilette ohne besondere Vorrichtung benutzen könne. § 182 Abs 2 RVO schränkt jedoch die Verpflichtung der Krankenkasse zur Krankenpflege nicht dem Grunde nach, sondern in ihrem Umfang ein. Krankenpflege ist zu gewähren. Sie umfaßt insbesondere auch Hilfsmittel, die erforderlich sind, eine körperliche Behinderung auszugleichen (§ 182b RVO). Ist aber ein Hilfsmittel zur Erreichung des gesetzlichen Zweckes erforderlich, dann besteht grundsätzlich eine Verpflichtung der Krankenkasse zur Bereitstellung.

§ 182 Abs 2 RVO begrenzt die Verpflichtung nur nach dem "Maß des Notwendigen". Es ist im Einzelfall zu prüfen, auf welche Weise mit dem geringsten Aufwand der größtmögliche Erfolg erreicht werden kann (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand August 1978, Anm 3.3. zu § 182 RVO). Bei dieser Prüfung sind jedoch nicht nur die Interessen der Krankenkasse, sondern auch die des Versicherten (vgl Urteile des Senats vom 18. Mai 1978 - 3 RK 46/77 und 47/77 - USK 7838, 7839) und seiner Angehörigen zu berücksichtigen. Dabei ergibt sich im vorliegenden Fall, daß die der Behinderten zur Verfügung gestellte WC-Automatic ein ausreichendes und zweckmäßiges, aber auch notwendiges Hilfsmittel ist. Ein anderes, billigeres Hilfsmittel (z.B. eine Prothese) kann hier die durch die Fehlbildung bedingte Behinderung nicht ausgleichen.

Die Revision der Beklagten war aus diesen Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655667

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