Entscheidungsstichwort (Thema)

Hantieren eines 10jährigen mit Karbid

 

Leitsatz (redaktionell)

Ob eine Sache, gleich welcher Art, einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich bildet, muß jeweils nach den konkreten Gesamtumständen des Einzelfalles beurteilt werden. Der Gefahrenherd muß als Folge des Kampfgeschehens in einer für Kriegsverhältnisse typischen, von anderen Lebenslagen unterschiedenen Weise entstanden sein und als solcher bis zu der maßgebenden Auswirkung fortbestanden haben (vgl BSG vom 1958-11-25 10 RV 1199/57 = BSGE 8, 275, 276, BSG vom 1966-01-13 9 RV 352/65 = BSGE 24, 200, 201 und BSG vom 1962-08-09 10 RV 1239/59).

Dies ist zu bejahen bei einem von deutschen Soldaten nach dem Kampfgeschehen im März 1945 plötzlich zurückgelassenen, wochenlang unverschlossen und unbewacht umherstehenden Werkstattwagen, worin Karbid lagerte, das für jedermann leicht zugänglich war, insbesondere für Kinder, die seine Gefährlichkeit nicht kannten.

 

Normenkette

BVG § 5 Abs. 1 Buchst. e Fassung: 1953-08-07

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 21.12.1976; Aktenzeichen L 4 V 51/76)

SG Trier (Entscheidung vom 24.03.1976; Aktenzeichen S 2 V 174/75)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Dezember 1976 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Revisionsverfahren.

 

Tatbestand

Der im September 1934 geborene Kläger beantragte im November 1974 Versorgung wegen des Verlustes des rechten Auges. In der Nähe seines Elternhauses in R, Kreis T, hatte die deutsche Wehrmacht bei ihrem Rückzug im März 1945 einen unverschlossenen Werkstattwagen mit Löt- und Autogenschweißgerät, leeren Flaschen und Behältern mit Karbid stehengelassen. Am 1. Mai 1945 füllte der Kläger Karbid, das er wenige Tage vorher zusammen mit gleichaltrigen Spielgefährten in dem Wehrmachtsfahrzeug entdeckt hatte, zusammen mit Wasser in einer Flasche und verschloß diese. Er hatte zuvor noch keinen Umgang mit Karbid gehabt und kannte dessen Gefährlichkeit nicht. Als er mit der Flasche zu seinen Spielkameraden in einen Lagerschuppen auf dem elterlichen Grundstück kam, wiesen ihn diese auf die entstandene Gefahr hin. Der Kläger warf darauf sofort die Flasche von sich. Dabei kam es zu einer Explosion, die sein rechtes Auge verletzte. Das Auge mußte operativ entfernt werden. Antrag, Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 3. März 1975, Widerspruchsbescheid vom 27. August 1975, Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 24. März 1976). Das Landessozialgericht (LSG) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 21. Dezember 1976): Der Kläger habe sein Auge durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung (§ 1 Abs 2 Buchst a, § 5 Abs 1 Buchst e Bundesversorgungsgesetz - BVG -) verloren und könne daher Versorgung entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH ab 1. November 1974 beanspruchen. Die Explosion sei als nachträgliche Auswirkung kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen hätten, zu werten. Das zurücklassen des Wehrmacht-Werkstattwagens sei eine solche Auswirkung typischen Kriegsgeschehens gewesen, und das den unerfahrenen Kindern zugängliche Karbid habe einen kriegseigentümlich entstandenen Gefahrenbereich gebildet. Sowohl die Gefahr, die unmittelbar von dem Karbid ausging, als das Hantieren des Klägers, der den Stoff mit Wasser in einer Flasche zusammengebracht und diese verschlossen habe, hätten den Unfall verursacht. Nach der im Recht der Kriegsopferversorgung geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestände nur dann kein Versorgungsanspruch, wenn der kriegseigentümliche Gefahrenbereich von erheblich geringerer ursächlicher Bedeutung gewesen wäre als das Verhalten des Klägers. Das sei zu verneinen. Der Kläger sei mit den Gefahren des Karbids nicht so vertraut gewesen, daß er die Gefährlichkeit seines Spiels hätte einsehen und durch Steuerung seines Handels den Unfall hätte vermeiden können.

Der Beklagte rügt mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, eine Verletzung des § 1 Abs 2 Buchst a und des § 5 Abs 1 Buchst e BVG. Wenn auch das Zurücklassen des Werkstattwagens eine nachträgliche Auswirkung kriegerischer Vorgänge dargestellt habe, so habe doch das vom Kläger gefundene Karbid keinen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich gebildet. Eine Gefahr habe die Verbindung mit typischem Kriegsgeschehen dann verloren, wenn sie sich in dem Augenblick, in dem sie sich verwirkliche, nicht von andersartig entstandenen Gefahren unterscheide. Der Unfall hätte sich aber in gleicher Weise ereignen können, falls das Karbid auf einer zivilen Baustelle zugänglich gewesen wäre. Der Kläger habe durch sein Hantieren mit dem an sich ungefährlichen Stoff eine selbständige Gefahrenquelle geschaffen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf das angefochtene Urteil und ergänzend auf verschiedene Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG), nach denen der Anspruch aus seiner Sicht begründet ist.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat mit Recht der Klage stattgegeben.

Dem Kläger steht ein Versorgungsanspruch, dessen Umfang nicht umstritten ist, wegen der Folgen einer Schädigung durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung zu (§ 1 Abs 1 und 2 Buchst a, § 30 BVG). Als solche gilt ua nach § 5 Abs 1 Buchst e BVG eine nachträgliche Auswirkung kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben, wenn sie mit einem der beiden Weltkriege zusammenhängen. In solchen Fällen müssen Kampfhandlungen oder damit unmittelbar zusammenhängende Maßnahmen (§ 5 Abs 1 Buchst a und b BVG) einen kriegseigentümlichen Gefahrenherd haben entstehen lassen, und dieser muß sich nachträglich, also ohne engen zeitlichen, uU auch ohne örtlichen Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen schädigend ausgewirkt haben (Urteil des erkennenden Senats vom 24. November 1976 - 9 RV 22/76 -, Bericht in Praxis 1977, 83, mwN). So war es hier bei dem schädigenden Vorgang, der zur Glassplitterverletzung und infolgedessen zum Verlust des rechten Auges des Klägers geführt hat.

Das Zusammentreffen von Wasser und Calcium-Carbid ("Karbid" genannt) verursachte eine lebhafte Reaktion und infolge der Luftverhältnisse in der geschlossenen Glasflasche eine Explosion (Brockhaus Enzyklopädie, 17. Aufl., 1.Band, S 90 f; 3 Bd, S 566; Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9 Aufl, Bd 1, S 208, Bd 5, S. 259). Das Karbid, das für den Ablauf des Prozesses entscheidend war, stammte nach der verbindlichen Feststellung des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) aus dem unverschlossenen Werkstattwagen, den deutsche Soldaten bei ihrem Rückzug in der Heimatgemeinde des Klägers hatten stehen lassen. Dies allein genügt allerdings nicht, um einen Tatbestand iS des § 5 Abs 1 Buchst e BVG zu begründen. Gleichwohl hat das Berufungsgericht zutreffend aus weiteren Gründen einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich solcher Art angenommen, der mit Kampfgeschehen iS des § 5 Abs 1 Buchst a und b BVG ursächlich zusammenhing. Das ist ganz allgemein bei jeglichen gefährlichen Kriegsgeräten möglich, die aus Kampfhandlungen und damit unmittelbar zusammenhängenden militärischen Maßnahmen stammen (BSG SozR Nr 29 zu § 5 BVG - vgl auch rechtskräftiges Urteil des LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1964, 1057), und muß sich nicht auf Munition und Sprengkörper aus militärischen Beständen beschränken, wofür das BSG bisher wiederholt in veröffentlichten Entscheidungen einen "kriegseigentümlichen Gefahrenbereich" angenommen hat. Geschosse und Sprengstoffe sind nicht etwa ihrer Natur nach im Unterschied zu Karbid schlechthin dem Kriegsgeschehen zuzuordnen; sie werden ebenso wie Karbid auch in Friedenszeiten im zivilen Bereich verwendet. Die Gefährlichkeit iS des § 5 Abs 1 Buchst e BVG kann auch erst durch das Zusammenwirken mit anderen Umständen entstehen. Selbst Geschosse und Sprengstoffe sind nicht stets aus sich heraus in der Weise gefährlich, daß sie ohne Anstoß von außen zu explodieren pflegen. Karbid, das erst unter bestimmten äußeren Voraussetzungen in Verbindung mit Wasser gefährlich wird, unterscheidet sich dadurch nicht grundlegend von Sprengstoffen und von Ladungen in Munition, die zur Zündung gebracht werden müssen, oder zB von Flammenwerferöl, das Abgase entwickelt und bei offenem Feuer explodieren kann (BSGE 16, 216 = SozR Nr 58 zu § 1 BVG). Ob eine Sache, gleich welcher Art, einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich bildet, muß jeweils nach den konkreten Gesamtumständen des Einzelfalles beurteilt werden. Der Gefahrenherd muß als Folge des Kampfgeschehens in einer für Kriegsverhältnisse typischen, von anderen Lebenslagen unterschiedenen Weise entstanden sein und als solcher bis zu der maßgebenden Auswirkung fortbestanden haben (BSGE 8, 275, 276 f; BSGE 24, 200, 201 = SozR Nr 42 zu § 5 BVG; BSG vom 9. August 1962 - 10 RV 1239/59). So war es hier entgegen der Ansicht des Beklagten.

Im Zweiten Weltkrieg, der weitgehend mit technischem Gerät, insbesondere motorisiert geführt wurde, gehörte zu den unmittelbaren Vorbereitungen der Kampfhandlungen ua das Reparieren von Militärfahrzeugen und sonstigem Kriegsgerät, wobei gelegentlich Karbid benötigt wurde. Kriegseigentümlich war auch nach dem Kampfgeschehen, in dessen Verlauf sich deutsche Soldaten aus dem Heimatort des Klägers nach rückwärts absetzten, das plötzliche Zurücklassen des unverschlossenen Werkstattwagens ohne Bewachung. Durch diesen für kriegerische Vorgänge typischem Verlauf wurde das Karbid für jedermann, insbesondere für Kinder, die seine Gefährlichkeit nicht kannten, leicht zugänglich. Dadurch entstand eine von Kampfhandlungen (§ 5 Abs 1 Buchst a und b BVG) eigentümlich geprägte Gefahrenquelle. Sie bestand allein im freien Zugang zu dem Stoff, nicht erst durch das Zusammenbringen von Karbid und Wasser in einer Flasche (LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1964, 1057). Dieser Vorgang, der erst zur Explosion führte, kann sich wohl auch mit Karbid aus einem zivilen Bestand unter Friedensverhältnissen ereignen. Jedoch war der ungehinderte Zugang zu dem von der Wehrmacht zurückgelassenen Werkstattwagen so, wie er sich im gegenwärtigen Fall abspielte, typisch für den damaligen militärischen Rückzug. Dagegen sind feste oder bewegliche Lager- oder Werkstatträume, in denen ein ziviler Unternehmer Karbid unterbringt, regelmäßig bewacht oder außerhalb der Arbeitszeit verschlossen und damit für Kinder grundsätzlich nicht zugänglich. Das ist auf strenge Vorschriften für den Umgang mit Karbid zurückzuführen und wird durch diese gewährleistet. Nach der aufgrund des § 24 Gewerbeordnung erlassenen Polizeiverordnung über die Herstellung, Aufbewahrung und Verwendung von Azetylen sowie über die Lagerung von Kalzium-Karbid (Preußisches Ministerialblatt der Handels- und Gewerbeverwaltung 1923, 387; jetzt: BGBl III 7102 - 27) ist die Lagerung von Karbid der Ortspolizeibehörde anzuzeigen (§ 1), die die Anlage durch Sachverständige prüfen läßt (§ 21). Bei der Lagerung sind bestimmte Sicherungsvorschriften zu beachten (§§ 3 ff); ua darf Karbid nur in trockenen, gegen Feuchtigkeit geschützten Behältern gelagert werden (§§ 12 ff), im Freien nur im Abstand von 3 m von Gebäuden unter einem Schutzdach und mit einem Zaun oder Drahtgitter umgeben (§ 17) und mit einem Warnschild versehen, das Unbefugten den Zutritt verwehrt (§ 18). Soweit diese Vorschriften ausnahmsweise nicht gelten (§ 19), werden entweder die Bestände regelmäßig verschlossen oder wegen ihrer Geringfügigkeit nicht leicht für Kinder zugänglich und von ihnen mißbräuchlich zu verwerten sein. Außer durch diese Vorschriften der Verordnung, die verhindern sollen, daß Karbid für jedermann gefährlich werden kann, wird praktisch durch Sicherungsmaßnahmen, die infolge des wirtschaftlichen Interesses jedes Unternehmers an der Erhaltung und gewinnbringenden Verwertung seines Karbidbestandes sowie infolge seiner Furcht vor einer Schadenshaftung im allgemeinen veranlaßt werden, Kinder der Zugang zu Karbid verwehrt. Selbst wenn im Einzelfall ausnahmsweise Kinder infolge Nachlässigkeit freien Zutritt zu einem Karbidlager haben oder ihn sich durch Einbruch verschaffen, ändert dies nichts daran, daß die freie Verfügbarkeit von Kindern über Karbid für zivile Verhältnisse nicht kennzeichnend ist. Dagegen war in Fällen wie dem vorliegenden der ungehinderte Zugang zu dem Werkstattwagen gerade typisch für das Kriegsgeschehen. Durch diese Besonderheit unterschied sich der Zustand des kriegseigentümlich entstandenen Gefahrenherdes im Zeitpunkt der Explosion von allgemeinen Gefahrumständen des täglichen Lebens, wie sie zB auch anzunehmen sind, wenn ein längliches Geschoß senkrecht im Boden steckt und bloß als Verkehrshindernis wirkt, also nicht in Auswirkung des Kriegsgeschehens explodiert (BSGE 4, 230, 232).

Der kriegseigentümlich entstandene Gefahrenzustand wirkte als solcher bis zur Explosion fort, obwohl das Kriegsgeschehen im Heimatort des Klägers bereits mehrere Wochen beendet war. Ein solches Fortwirken ist im allgemeinen bei ordnungswidrigen Verhältnissen, die sich mit zunehmendem zeitlichen Abstand von kriegerischen Ereignissen immer weniger von allgemeinen, auch ohne Kriegseinwirkung verursachten Gefahrenquellen unterscheiden, anzunehmen, solange sie nicht durch übliche polizeiliche Ordnungsmaßnahmen beseitigt werden konnten und dies auf Kriegsfolgen zurückzuführen war. Das kommt zB sowohl für die vom Kriegsgeschehen herrührende Munition (BSG SozR 3100 § 8 Nr 1) wie für Gebäudeschäden, die durch die Einwirkung von Kampfmitteln entstanden sind (BSGE 4, 233; 7, 185), wie für Gefahren, die von ebenso verursachten Leichen und Kadavern ausgehen und als kriegseigentümlich gewertet werden können (Urteil des erkennenden Senats vom 23. April 1968 - 9 RV 706/65 - Praxis 1968, 368), in Betracht. So war es auch hier. Das LSG hat insoweit das "wochenlange Umherstehen" des unverschlossenen Werkstattwagens allein durch "die damaligen Kriegsverhältnisse an der Grenze Deutschlands" erklärt. Diese Begründung kann angesichts der allgemein bekannten Erfahrung als ausreichend angesehen werden und wird auch vom Beklagten nicht im Wege einer Verfahrensrüge (§§ 103, 128 Abs 1 SGG) als unzureichend beanstandet. Der dagegen gerichtete rechtliche Einwand des Beklagten greift ebensowenig durch wie sein Argument, der Gefahrenbereich sei im Zeitpunkt der Explosion deshalb nicht mehr kriegseigentümlich gewesen, weil das Karbid auch aus zivilen Beständen hätte stammen können. Nachdem die deutschen Soldaten den Heimatort des Klägers im März 1945 geräumt hatten, wurde bis zum 1. Mai, dem Unfalltag, der vor dem Kriegsende (8. Mai 1945) lag, in diesem von alliierten Truppen besetzten Reichsgebiet naturgemäß noch keine ordnungsmäßige zivile Polizeiverwaltung eingerichtet, die alle Gefahrenherde dieser Art hätte beseitigen können. Sofern deutsche Ordnungskräfte dort überhaupt schon wieder tätig waren, hätten sie sich erfahrungsgemäß allenfalls mit gefährlicheren Zuständen, etwa umherliegender Munition, befassen können. Die Besatzungstruppe, die sich naturgemäß auf die Abwehr der ihren Angehörigen drohenden Gefahren beschränkte, war am Verschließen des Werkstattwagens und am Beseitigen des Karbids nicht interessiert.

Entgegen der Ansicht des Beklagten hat der Kläger durch das Hantieren mit dem Karbid keine selbständige, von Kampfmaßnahmen unabhängige Gefahrenquelle geschaffen. Ebenso wie bei Kriegsmunition, die erst durch menschliches Handeln zum Explodieren gebracht wird, verwirklicht sich bei Karbid, das ein zehnjähriger Junge in seiner altersmäßigen Unreife in einer Flasche mit Wasser in Verbindung bringt, die vom Kriegsgeschehen ausgehende Gefahr (BSG SozR Nr 29 zu § 5 BVG; Urteil vom 24. November 1976 mwN). Der kriegsbedingte Gefahrenbereich bestand so lange fort, wie der Kläger mit dem Karbid kindlich spielte. Er kannte nach der Feststellung des LSG die Gefährlichkeit des Stoffes im Zusammenwirken mit Wasser in einer Flasche nicht und konnte jedenfalls sein Handeln nicht so steuern, daß sich die Explosion vermeiden ließ. Unter diesen Umständen ist das Verhalten des Klägers auch nicht neben der kriegseigentümlichen Gefährlichkeit eine überragende Bedingung des entstandenen Schadens und damit nach der versorgungsrechtlichen Kausalitätstheorie die wesentliche Bedingung, die einen Versorgungsanspruch ausschließt (Urteil vom 24. November 1976). Das Wissen der gleichaltrigen Spielkameraden um die drohende Gefahr hat in diesem Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung.

Da das LSG zu Recht der Klage stattgegeben hat, ist die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651160

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