Leitsatz (redaktionell)

1. Die Nichtbestattung von Leichen bzw Beseitigung von Tierkadavern wegen Kampfhandlungen stellt keine kriegseigentümliche Gefahr dar. Eine mehrere Monate nach Beendigung der Kampfhandlungen aufgetretene Typhusepidemie stellt eine allgemeine Gefahr dar, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt war.

2. In BVG § 5 sind die Fälle der unmittelbaren Kriegseinwirkung erschöpfend aufgeführt (vergleiche BSG 1955-11-15 10 RV 85/54 = BSGE 2, 29, 31).

Eine nach Abschluß der Kampfmaßnahmen erteilte Anordnung der Besatzungsmacht, Leichen und Kadaver zu bergen, ist keine behördliche Maßnahme in unmittelbarem Zusammenhang mit Kampfhandlungen iS des BVG § 5 Abs 1 Buchst b. Diese Vorschrift erfaßt nur Maßnahmen, die in bezug auf Kampfhandlungen vorgenommen worden sind.

3. Zur Anwendung des BVG § 5 Abs 1 Buchst e genügt nicht, daß die Gesundheitsstörung oder der Tod eine nachträgliche Auswirkung kriegerischer Vorgänge ist. Diese müssen vielmehr unmittelbar einen Gefahrenbereich geschaffen haben, der nicht nur in kriegseigentümlicher Weise entstanden, sondern auch nach der Entstehung fortwirkend kriegseigentümlich geblieben ist (vergleiche BSG 1957-01-22 10 RV 435/55 = BSGE 4, 230, 232; BSG 1957-11-07 11/8 RV 1159/55 = BSGE 6, 103, 104; BSG 1958-05-14 11/9 RV 984/55 = BSGE 7, 183; 184; BSG 1966-01-13 9 RV 352/65 = BSGE 24, 200, 201). Eine Gefahr ist nicht mehr kriegseigentümlich, wenn das schädigende Ereignis einer Gefahrenquelle entspringt, der eine Verbindung mit typischem Kriegsgeschehen nicht mehr eigen ist, und die sich deshalb nicht mehr von den allgemeinen Gefahren unterscheidet, die auch Friedensverhältnisse mit sich bringen oder die als nur mittelbare Folge von Kriegseinwirkungen auftreten können (BSG aaO).

 

Orientierungssatz

Zur Frage, wann die durch das Liegenbleiben und die Bergung von Leichen und Kadavern im Kriege entstehende Gefahr (hier: Typhusinfektion) zu den kriegseigentümlichen Gefahren iS von BVG § 5 Abs 1 Buchst e zu rechnen ist.

 

Normenkette

BVG § 5 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1953-08-07, Buchst. e Fassung: 1953-08-07

 

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1965 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin zu 1) ist die Witwe, die Klägerin zu 2) eine Tochter des am 1. Februar 1946 in den Städtischen Krankenanstalten D an Typhus abdominalis verstorbenen Landwirts Peter R (R.) aus M, Kreis D. R. hatte sich, nachdem er Ende März 1945 aus der Evakuierung nach M zurückgekehrt war, über einen längeren Zeitraum an Aufräumungsarbeiten, insbesondere an der von den Besatzungsstellen veranlaßten Bergung von Leichen und Tierkadavern beteiligt, die nach den letzten Kampfhandlungen liegen geblieben waren; er war im Dezember 1945 erkrankt und noch in demselben Monat in das Krankenhaus aufgenommen worden.

Die Klägerinnen stellten am 30. Dezember 1957/2. Januar 1958 den Antrag, ihnen Hinterbliebenenversorgung zu gewähren, da die Erkrankung und der Tod des R. auf die behördlich angeordneten Bergungsarbeiten zurückzuführen sei. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L lehnte das Versorgungsamt den Antrag mit Bescheid vom 24. September 1958 ab. Der Widerspruch war erfolglos. Nachdem das Sozialgericht (SG) zunächst der Klage stattgegeben hatte, verwies das Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung des Beklagten die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das SG zurück. Das SG hat von den Städtischen Krankenanstalten D, von dem Amt E, dem Oberkreisdirektor in D, der Schwester E - die Typhuskranke im Amtsbezirk E gepflegt hat - und von Dr. D Auskünfte eingeholt sowie Zeugen vernommen und von dem Kreisarzt, Obermedizinalrat Dr. S in D, ein Gutachten eingeholt. Mit Urteil vom 14. Mai 1964 hat es die Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. In der Anweisung der Besatzungsdienststellen an den Zeugen P P (Bürgermeister) oder auch an die anderen Einwohner im Bezirk der Gemeinden M, O und S, die Leichen der gefallenen Soldaten sowie Tierkadaver zu bergen, sei eine Maßnahme im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. b des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nicht zu erblicken, weil sie nicht im Zusammenhang mit Kampfhandlungen oder ihrer Vorbereitung gestanden habe, sondern erst nach dem Ende der Kampfhandlungen getroffen worden sei. Als unmittelbare Kriegseinwirkung könnten nach § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge nur dann angesehen werden, wenn sie einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen hätten. Ein Gefahrenbereich sei nicht mehr kriegseigentümlich, wenn sich die Gefahren in dem Zeitpunkt ihrer Verwirklichung von anderen, nicht durch kriegerische Vorgänge entstandenen Gefahren nicht mehr unterschieden. Aufgrund des Gutachtens des Dr. S und der Erklärungen der vernommenen Zeugen habe das Gericht nicht festzustellen vermocht, daß sich R. die zum Tode führende Erkrankung durch eine Infektion bei der Bergung von Leichen oder Kadavern zugezogen habe. Es könne zwar davon ausgegangen werden, daß R. noch vor seiner Erkrankung im Dezember 1945 mit derartigen Bergungsarbeiten beschäftigt gewesen sei, wobei es keinen Unterschied mache, daß diese Arbeiten nach dem Sommer 1945 von ihm nur noch gelegentlich vorgenommen worden seien. Dies beweise jedoch nicht, daß er sich hierdurch die Typhusinfektion zugezogen habe. Außer der Möglichkeit dieser Übertragung bestehe eine Vielzahl anderer Übertragungsmöglichkeiten, die mit den angegebenen Bergungsarbeiten nicht zusammenhingen. In der Gegend von M, O und S seien zur damaligen Zeit 1945/1946 zahlreiche Personen, namentlich Frauen, an Typhus erkrankt, die nicht mit der Bergung von Leichen und Tierkadavern befaßt worden seien. Dies gehe aus den Aussagen der Zeugen P und H, der schriftlichen Erklärung des Arztes Dr. D vom 15. März 1963 sowie der Auskunft des Dr. S vom 17. November 1959 in Verbindung mit seiner gutachtlichen Äußerung vom 6. April 1964 hervor. Demnach könne für die Zeit, zu der R. erkrankte, auf ein epidemieartiges Auftreten von Typhuserkrankungen mit Sicherheit geschlossen werden. Ursache dieser Typhuserkrankungen und auch der Infektion des R. möge, wie die Franziskusschwester E erklärt habe, das durch Leichen und Kadaver verseuchte Wasser aus Bächen, Teichen und Brunnen gewesen sein. Eine Feststellung darüber, ob die Erkrankung des R. auf den Genuß verseuchten Trinkwassers oder aber auf eine Typhusinfektion durch andere bereits erkrankte Dorfbewohner zurückzuführen sei, habe sich nach der Sachlage nicht treffen lassen. Die unzureichenden hygienischen Verhältnisse, insbesondere das Fehlen von Leitungswasser, hätten eine erhöhte Ansteckungsgefahr zur Folge gehabt. Diese Verhältnisse und die durch sie bedingte Ausbreitung des Typhus abdominalis stellten eine allgemeine Gefahr dar, der die gesamte im Heimatgebiet des R. ansässige ländliche Bevölkerung ausgesetzt gewesen sei. Sie könnten dem Bereich der kriegseigentümlichen Gefahren nicht zugerechnet werden, umso weniger, als der Begriff der unmittelbaren Kriegseinwirkung im Sinne des § 5 BVG eng auszulegen sei. Nur wenn die zur Zeit der Erkrankung des R. herrschende Typhus-Epidemie als solche den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG erfüllte, hätte sein Tod als Folge einer Schädigung anerkannt werden können. R. sei, soweit die Aufklärung des Sachverhalts ergeben habe, nicht mit der Bestattung von an Typhus Verstorbenen beauftragt und befaßt gewesen. Vielmehr sei nach dem Gutachten des Dr. S. anzunehmen, daß er der Ende 1945/Anfang 1946 aufgetretenen Typhus-Epidemie zum Opfer gefallen sei.

Mit der zugelassenen Revision rügen die Klägerinnen verfahrensrechtlich Verletzung der §§ 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), sachlich-rechtlich Verletzung des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG. Die Feststellung des LSG, daß schon für die Zeit der Erkrankung des R. im Dezember 1945 auf ein "epidemieartiges" Auftreten von Typhuserkrankungen mit Sicherheit geschlossen werden könne, beruhe auf einer Verletzung des § 128 SGG. Sie stehe auch im Widerspruch zu den zutreffenden Erwägungen des LSG in seinem in dieser Sache erlassenen (ersten) Urteil vom 30. März 1962. Das LSG habe die amtlichen Auskünfte der Städtischen Krankenanstalten D vom 3. November 1959 und des Gesundheitsamts Düren (Dr. S) vom 17. November 1959 überhaupt keiner Würdigung unterzogen, obwohl hiernach von einer Typhusepidemie erst im Februar 1946 die Rede sein könne. Von diesem Sachverhalt sei auch das Urteil des LSG vom 30. März 1962 ausgegangen. Soweit nach der Auffassung des LSG nicht erwiesen sei, daß R. sich die zum Tode führende Erkrankung durch eine Infektion bei der Bergung von Leichen und Kadavern zugezogen habe, beruhe die Überzeugungsbildung des Berufungsrichters darauf, daß es sich bei der Beurteilung einer schwierigen medizinischen Zusammenhangsfrage über das Gutachten des Sachverständigen Dr. S vom 6. April 1964 hinweggesetzt habe, ohne darzutun, daß es die dazu erforderliche Sachkunde besessen habe. Dr. S sei zu dem Ergebnis gelangt, daß R. durch das Bergen von Leichen und Kadavern in besonders hohem Maße einer Infektion ausgesetzt gewesen sei, zumal er auf diesem Gebiet ungeschult gewesen sei und der erforderlichen Schutzmittel entbehrt habe, und daß deshalb einer Infektion bei den Bergungsarbeiten der größere Wahrscheinlichkeitsgrad gegenüber anderen Infektionsmöglichkeiten zukomme. Die Erörterungen, die das Berufungsgericht angestellt habe, seien durchaus auch Gegenstand der Erwägungen des Sachverständigen gewesen, ohne daß dieser aus der medizinischen Sicht zu einem non liquet gelangt sei. Das LSG hätte deshalb zur weiteren Aufklärung des medizinischen erheblichen Sachverhalts einen weiteren Sachverständigen hören müssen, wenn es das Gutachten des Dr. S nicht als eine geeignete oder ausreichende Entscheidungsgrundlage habe ansehen wollen. Sachlich-rechtlich habe das LSG verkannt, daß den nachträglichen Auswirkungen der kriegerischen Vorgänge, nämlich den Gefahrenquellen, die aus der Nichtbestattung der Leichen und tierischen Kadaver sowie der hieraus resultierenden Seuchengefahr bestanden hätten, eine Verbindung mit typischem Kriegsgeschehen eigen gewesen sei; denn es entspreche der Erfahrung des Kriegsgeschehens, daß auch noch geraume Zeit nach Abschluß der eigentlichen Kampfhandlungen Leichen und Tierkadaver liegen blieben und wegen der damit verbundenen Seuchengefahr noch für geraume Zeit einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich darstellten. Rechtsirrig sei auch die Auffassung des LSG, daß eine allgemeine Gefahr, der die gesamte Bevölkerung eines bestimmten Gebietes ausgesetzt gewesen sei, dem Bereich der kriegseigentümlichen Gefahren nicht zugerechnet werden könne. Die Klägerinnen haben beantragt,

die Urteile des LSG vom 15. Juni 1965 und des SG vom 14. Mai 1964 sowie die Bescheide des Beklagten vom 24. September 1958 und 18. Dezember 1958 (Widerspruchsbescheid) aufzuheben und diesen zu verurteilen, den Klägerinnen vom 1. Dezember 1957 an Hinterbliebenenrente zu gewähren,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die gerügten Verfahrensmängel lägen nicht vor. Das LSG habe sich zu der Frage des Ausbruchs der Typhusepidemie ohne Verfahrensverstoß auf das Gutachten des Dr. S vom 6. April 1964 stützen können. Denn mit diesem Gutachten seien die Stellungnahmen des Dr. S vom 17. November 1959 und die Auskunft des Chefarztes Dr. M vom 3. November 1959 überholt gewesen. Dr. S habe sich im Gegensatz zu dem Urteil des LSG mit anderen Infektionsmöglichkeiten nicht auseinandergesetzt. Das LSG habe sich zwar dessen rechtliche Schlußfolgerung nicht zu eigen gemacht. Die Anwendung der Kausalitätsnorm und ebenso die Feststellung der objektiven Beweislosigkeit der Klagebegründenden Tatsachen seien aber keine Überlegungen, die von einem medizinischen Sachverständigen anzustellen seien. Sachlich-rechtlich habe das LSG den Tatbestand des § 1 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG ohne Rechtsirrtum verneint. Im übrigen werde die Auffassung vertreten, daß auch dann, wenn der Nachweis der Infektion bei der Bergung von Leichen und Tierkadavern gelinge, lediglich eine mittelbare Kriegseinwirkung vorliege. Dem LSG sei auch darin beizupflichten, daß die im Wohngebiet des R. herrschenden Nachkriegsverhältnisse, die zur Ausbreitung der Typhusepidemie beigetragen hätten, nur eine allgemeine Gefahr darstellten.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG). Sachlich ist sie nicht begründet.

Das LSG hat ohne Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften feststellen dürfen, daß für die Zeit, zu der R. erkrankte (Dezember 1945), mit Sicherheit auf ein epidemieartiges Auftreten von Typhuserkrankungen geschlossen werden könne. Angaben hierüber waren in dem Gutachten des Dr. S vom 6. April 1964 enthalten. Denn darin ist ausgeführt, Ende 1945/Anfang 1946 seien u.a. in den Orten L, M und G infektiöse Darmerkrankungen und auch Typhus abdominalis als Folge der herrschenden allgemeinen schlechten Lebensbedingungen gehäuft aufgetreten. In dieser Zeitangabe des Sachverständigen mußte das LSG keinen Widerspruch zu der Äußerung des Dr. S vom 17. November 1959 und der des Prof. Dr. M vom 3. November 1959 erblicken. Zwar war hier übereinstimmend angegeben worden, daß im Februar 1946 gehäuft Typhuserkrankungen aufgetreten seien, so daß man für diese Zeit von einer Typhusepidemie sprechen könne. Diese Auskünfte waren aber nur auf die von dem SG in der Anfrage vom 27. Oktober 1959 als beweiserheblich angesehene Tatsache erteilt worden, ob im Februar 1946 eine besonders große Anzahl von Typhustodesfällen vorgelegen habe. Da Dr. S und Prof. Dr. M diese ihnen gestellte Frage bündig und ohne Einschränkungen bejahen zu können glaubten, hatten sie keinen Anlaß, sich noch darüber zu äußern, ob die Typhusepidemie schon früher ausgebrochen war. Auch das Urteil des LSG vom 30. März 1 62 konnte, da R. schon im Dezember 1945 in das Krankenhaus aufgenommen worden war, sich bei der verfahrensrechtlichen Überprüfung des Urteils des SG auf den Hinweis beschränken, daß der Ansicht des SG die Grundlage entzogen sei, soweit es angenommen habe, R. habe sich vermutlich an 1946 noch umherliegenden Leichen und Tierkadavern mit Typhus infiziert, die Erkrankung stehe mit einer allgemeinen Typhusepidemie im Februar 1946 im Zusammenhang. Nachdem das SG jedoch aufgrund seiner Ermittlungen in der Beweisordnung vom 13. März 1964 dem Sachverständigen Dr. S als Beweisthema die Frage vorgelegt hatte, ob die Erkrankung (des R.) und sein Tod wahrscheinlich durch das Bergen von Leichen und Kadavern hervorgerufen worden sei, oder ob die Erkrankung wahrscheinlich durch die damals - Ende 1945/Anfang 1946 - herrschenden allgemeinen schlechten Lebensbedingungen der Bevölkerung und eine dadurch verursachte höhere Erkrankungs- und Ansteckungsgefahr verursacht worden sei, mußte es Dr. S im Interesse der Klarstellung des Sachverhalts für geboten halten, in dem Gutachten vom 6. April 1964 nun auch seinerseits ausdrücklich zu bestätigen, daß schon Ende 1945/Anfang 1946 in dem hier in Betracht kommenden Gebiet des Landkreises D infektiöse Darmerkrankungen und auch Typhus abdominalis gehäuft aufgetreten seien. Diese Ausführungen können aber nicht als ein Widerspruch oder eine Berichtigung früherer, etwa nicht zutreffender Angaben über den Zeitpunkt der im Landkreis Düren ausgebrochenen Typhusepidemie angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um eine erst durch den Inhalt der Beweisanordnung vom 13. März 1964 veranlaßte Vervollständigung der Angaben. Die Auskunft vom 17. November 1959 war weder unrichtig noch unvollständig, da Dr. S damals nicht nach dem Ausbruch der Epidemie, sondern nur danach gefragt worden war, ob sie im Februar 1946 bestanden habe. Da die Äußerung in dem Gutachten des Dr. S keinen Widerspruch zu den Angaben des Sachverständigen vom 17. November 1959 oder des Prof. Dr. M vom 3. November 1959 enthielt, mußte das LSG sich auch nicht zur weiteren Sachaufklärung über den Beginn der Typhusepidemie gedrängt sehen.

Das LSG hat sich auch nicht bei der Beurteilung einer medizinischen Zusammenhangsfrage über das Gutachten des Dr. Sch vom 6. April 1964 hinweggesetzt. Dieser hat ausgeführt, durch das Bergen von Leichen und Kadavern sei R. in besonders hohem Maße einer Infektion ausgesetzt gewesen, zumal er als Bergungsarbeiter ungeschult gewesen sei und dazu noch ohne Schutzmittel habe arbeiten müssen. Nach dem Sachverhalt, wie er sich aus den Akten heute ergebe, lasse sich wahrscheinlich machen, daß die Erkrankung und der Tod des R. durch das Bergen von Leichen und Kadavern hervorgerufen worden sei. R. hätte natürlich damals auch durch die schlechten Lebensbedingungen erkranken und sterben können. Die Erkrankung durch die Bergungsarbeiten sei aber sehr wahrscheinlich, weil die Ansteckungsgefahr bei den Bergungsarbeiten unter den damaligen Verhältnissen wesentlich höher gewesen sei. Das LSG hat die möglichen Ursachen für die Erkrankung und den Tod des R. erwogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, auch nach dem Gutachten des Dr. S sei anzunehmen, daß R. der Ende 1945/Anfang 1946 aufgetretenen Typhusepidemie zum Opfer gefallen sei, zumal Dr. S berichtet habe, daß selbst ein praktischer Arzt in L sich damals infiziert und im März 1946 an Typhus verstorben sei. Diese Feststellung des LSG schließt sich unmittelbar den Ausführungen darüber an, daß für die Annahme, R. sei infolge der unmittelbaren Berührung mit Leichen und Kadavern an Typhus erkrankt, hinreichende Anhaltspunkte nicht vorlägen und daß, soweit die noch mögliche Aufklärung des Sachverhalts ergeben habe, R. mit der Bestattung von an Typhus Verstorbenen nicht befaßt gewesen sei. Wenn das LSG weiter ausgeführt hat, "vielmehr" sei auch nach dem Gutachten des Obermedizinalrats Dr. S "anzunehmen", daß R. der Ende 1945/Anfang 1946 aufgetretenen Typhusepidemie zum Opfer gefallen sei, so hat es mit dieser Folgerung nur zum Ausdruck gebracht, daß auch die Ausführungen dieses Sachverständigen trotz der möglicherweise durch das Bergen von Leichen und Kadavern entstandenen hohen Infektionsgefahr nur den Schluß zuließen, daß eine solche Infektion nicht nachgewiesen sei und deshalb aufgrund des Gutachtens nur festgestellt werden könne, daß R. der Ende 1945/Anfang 1946 aufgetretenen Typhusepidemie zum Opfer gefallen sei. Damit wurde keineswegs in Zweifel gezogen, daß R. bis zuletzt durch das Bergen von Leichen und Kadavern in besonders hohem Maße einer Infektion ausgesetzt gewesen sein könne, und daß diese Gefahr, wie Dr. S ausgeführt hatte, besonders groß gewesen sei, weil R. als Bergungsarbeiter ungeschult war und dazu noch ohne Schutzmittel arbeiten mußte. Das LSG hat sich somit nicht über die medizinische Erfahrung des Sachverständigen hinweggesetzt. Es war aber der Auffassung, daß die Abwägung des Grades der auf den einzelnen Gefahrenquellen beruhenden Infektionsgefahren nicht den Nachweis ersetze, daß die Erkrankung des R. und sein Tod auch wirklich auf die von dem Sachverständigen bezeichnete höhere Gefahrenquelle zurückzuführen seien. Dr. S hatte allerdings ausgeführt, daß sich die Erkrankung des R. und sein Tod durch das Bergen von Leichen und Kadavern aufgrund des Akteninhalts wahrscheinlich machen lasse. Er hatte aber nicht angegeben, aus welchen Tatsachen sich eine solche Infektion - im Gegensatz zu einer Infektion auf der Grundlage einer Epidemie - ergeben habe. Da solche Tatsachen nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des LSG nicht ermittelt waren, mußte das LSG dem Gutachten entnehmen, daß der Sachverständige allein diese sich aus den Akten ergebenden Tatsachen und die von ihm noch besonders erwähnten Umstände als ausreichend für den Nachweis der Schädigung angesehen hatte. Diese Schlußfolgerung war aber rechtlich unzutreffend, da nach der von dem LSG vertretenen (und auch zutreffenden) Auffassung der schädigende Vorgang nachgewiesen sein muß; nur für den ursächlichen Zusammenhang dieses schädigenden Vorgangs mit dem in § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG bestimmten Tatbestand reicht die Wahrscheinlichkeit aus; es genügt somit nicht, daß er nur wahrscheinlich gemacht werden kann (vgl. Wilke, BVG, Handkomm., 2. Aufl., § 1 Anm. V 2 S. 39 und die dort angegebene Entscheidung des BSG vom 31.7.1962 - 9 RV 174/58 -). Diese Rechtsfrage hatte nicht der Sachverständige, sondern das LSG zu entscheiden. Wenn das LSG aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens der fehlerhaften rechtlichen Schlußfolgerung des Sachverständigen nicht gefolgt ist, so hat es sich damit nicht über die in dem Gutachten enthaltenen medizinischen Ausführungen hinweggesetzt. Es hat auch nicht zu prüfen brauchen, ob der von dem Sachverständigen vorausgesetzte Sachverhalt schlüssig etwa die Folgerung zuließ, daß R. durch das Bergen von Leichen "wahrscheinlich" erkrankt und gestorben sei, oder ob es sich hierbei nur um eine Vermutung handelte; denn jedenfalls hat nach der Rechtsauffassung des LSG eine nach dem Grad der Gefährdung bemessene Wahrscheinlichkeit nicht für den Nachweis eines schädigenden Vorgangs (und für die Wahrscheinlichkeit seines Zusammenhangs mit dem in § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG vorausgesetzten Tatbestand) ausgereicht.

Auch sachlich-rechtlich ist die Entscheidung des LSG nicht zu beanstanden, daß die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG in Verbindung mit einem der Tatbestände des § 5, insbesondere des § 5 Abs. 1 Buchst. b und e BVG nicht erfüllt sind. In § 5 BVG sind die. Fälle der unmittelbaren Kriegseinwirkung erschöpfend aufgeführt (BSG 2, 31). Eine nach Abschluß der Kampfmaßnahmen erteilte Anordnung der Besatzungsmacht, Leichen und Kadaver zu bergen, ist keine behördliche Maßnahme in unmittelbarem Zusammenhang mit Kampfhandlungen oder ihrer Vorbereitung im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG. Diese Vorschrift erfaßt nur Maßnahmen, die in bezug auf Kampfhandlungen vorgenommen worden sind; dies ergibt sich aus der in ihr getroffenen Gegenüberstellung des Zusammenhangs mit Kampfhandlungen oder ihrer Vorbereitung. § 5 Abs. 1 Buchst. b BVG erweitert danach den in § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG für Folgen von Kampfhandlungen angeordneten Versorgungsschutz und dehnt ihn auf solche Schädigungen aus, die zwar nicht durch Kampfhandlungen, aber durch sie begleitende oder vorbereitende Maßnahmen entstanden sind. Deshalb kommen nach dem Sinn und Wortlaut dieser Vorschrift nur solche Maßnahmen in Betracht, die den Kampfhandlungen selbst oder aber ihrer Vorbereitung dienen sollen, nicht solche, die erst nach Abschluß der Kampfhandlungen ergriffen werden. Da § 5 Abs. 1 Buchst. c BVG (Flucht-gefahren) ohne weiteres ausscheidet und auch § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG nicht anwendbar ist, weil vorliegend eine Gefahr nicht durch militärische Besetzung eingetreten ist, bleibt nur zu prüfen, ob der Tatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG erfüllt ist. Mit Recht hat das LSG dies verneint. Zur Anwendung dieser Vorschrift genügt nicht, daß die Gesundheitsstörung oder der Tod eine nachträgliche Auswirkung kriegerischer Vorgänge ist. Diese müssen vielmehr unmittelbar einen Gefahrenbereich geschaffen haben, der nicht nur in kriegseigentümlicher Weise entstanden, sondern auch nach der Entstehung fortwirkend kriegseigentümlich geblieben ist (BSG 4, 232; 6, 102, 104; 7, 184, 185; 24, 201). Typhuserkrankungen sind auch unter den im Frieden bestehenden Lebensbedingungen nicht ungewöhnlich. Der Krieg begünstigt diese Krankheit aber nicht nur durch seine allgemeinen Auswirkungen (Schwächung der Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung, Erschwerung der Bekämpfung von Seuchen durch Zerstörungen und dgl.), er schafft auch unmittelbar durch kriegerische Einwirkungen nur ihm eigentümliche Formen der Entstehung und Verbreitung von Typhuserkrankungen, die sich als kriegseigentümliche Gefahren von den im Frieden auftretenden Ansteckungsgefahren deutlich unterscheiden. Zu diesen Gefahren kann auch die durch das Liegenbleiben von Leichen und Kadavern entstehende Gefahr gerechnet werden, obgleich § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG eng auszulegen ist, da hier die Gefahr unmittelbar durch Kriegshandlungen, nämlich die Tötung von Menschen und das Verenden von Tieren, hervorgerufen wird und die Ansteckung durch das gerade im Kriege oft unvermeidliche längere Liegenlassen der Leichen und Kadaver entscheidend begünstigt wird. Die Ansteckung als nachträgliche Auswirkung (Spätfolge) kriegerischer Vorgänge wird auch nicht dadurch nur zu einer mittelbaren Folge von Kriegshandlungen, daß zur Vermeidung einer noch höheren Ansteckungsgefahr nach Beendigung der Kampfhandlungen die Leichen und Kadaver weggeschafft werden (a.M. LSG Berlin in KOV Mitteilungen des LVersorgA Berlin 1956 S. 46 Nr. 104/56; vgl. auch Bayer. Landesversicherungsamt, Entsch. vom 23.10.1951 - KBa 2280/51 - in Breith. 1952 S. 508/509 betr. Streptokokken-Infektion bei Aufräumungs- und Sucharbeiten nach Abschluß der Kampfhandlungen keine Gesundheitsschädigung durch unmittelbare Kriegseinwirkung). Dagegen ist eine Gefahr nicht mehr kriegseigentümlich, wenn das schädigende Ereignis einer Gefahrenquelle entspringt, der eine Verbindung mit typischem Kriegsgeschehen nicht mehr eigen ist, und die sich deshalb nicht mehr von den allgemeinen Gefahren unterscheidet, die auch Friedensverhältnisse mit sich bringen oder die als nur mittelbare Folge von Kriegseinwirkungen auftreten können (BSG 4, 230, 232 f; 6, 102; 7, 184/185 sowie BSG-Urteil vom 9.8.1962 - 10 RV 1239/59 - betr. Infektion einer Hotelwäscherin durch das Waschen der infizierten Lazarettwäsche von Soldaten). Ganz unabhängig jedoch von der Frage, ob ein kriegseigentümlicher Gefahrenbereich nicht nur entstanden ist, sondern ob er als solcher auch fortbestanden hat, ist der Tatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn die Gefahrenquelle nicht einmal einwandfrei ermittelt werden kann, auf die die Ansteckung zurückzuführen ist, wenn insbesondere die wesentliche Bedingung der Ansteckung auch in Umständen gefunden werden kann, die nicht durch einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich geschaffen worden sind. Ob ein Nachweis der Schädigung, im vorliegenden Falle der Ansteckung durch das Wegschaffen der Leichen und Kadaver, als erbracht angesehen werden kann, ist eine Frage der Beweiswürdigung. Bei der Schwierigkeit, die Ursache einer Infektionskrankheit aufzudecken, kann sich ergeben, daß eine allgemeine Ansteckungsgefahr (neben einer Infektionsgefahr als einem kriegseigentümlichen Gefahrenbereich) zwar bestanden hat, die Möglichkeit einer Ansteckung aufgrund dieser Gefahr aber so entfernt und so unwahrscheinlich ist, daß sie außer Betracht bleiben kann. Im vorliegenden Fall hat das LSG jedoch aufgrund der von ihm getroffenen, von der Revision nicht mit Erfolg angegriffenen tatsächlichen Feststellungen ohne Rechtsirrtum den Nachweis einer Ansteckung des R. durch das Bergen von Leichen und Kadavern ohne Überspannung der Beweisanforderungen als nicht erbracht ansehen dürfen. Es hat auf die Vielzahl anderer Übertragungsmöglichkeiten hingewiesen und für die Frage des Nachweises der Ansteckung durch die Beteiligung des R. an den Aufräumungsarbeiten der Tatsache entscheidendes Gewicht beigelegt, daß R. erst zu einer Zeit erkrankte, als schon eine Typhusepidemie ausgebrochen war, und daß zur damaligen Zeit an Typhus auch zahlreiche Personen erkrankt sind, die nicht mit der Bergung von Leichen und Kadavern befaßt waren. Es hat in diesem Zusammenhang auch berücksichtigt, daß für die Annahme, R. sei infolge der unmittelbaren Berührung mit Leichen und Kadavern erkrankt, keine hinreichenden Anhaltspunkte bestünden, und daß die Beweisaufnahme auch keinen Anhalt dafür ergeben habe, daß R. mit der Bestattung von an Typhus Verstorbenen befaßt war. Das LSG hat den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG auch nicht dadurch einengend ausgelegt, daß es hervorhob, die von ihm erwähnten Umstände (unzureichende hygienische) Verhältnisse, das Fehlen von Leitungswasser) hätten eine allgemeine Gefahr dargestellt, der die gesamte im Heimatgebiet des R. ansässige ländliche Bevölkerung mehr oder weniger ausgesetzt gewesen sei. Damit wurde nicht der Kreis von Personen, der von nachträglichen Auswirkungen kriegerischer Vorgänge im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. e BVG betroffen sein konnte, abgegrenzt und eingeengt, sondern nur zum Ausdruck gebracht, daß, weil es sich insoweit um eine allgemeine Gefahr gehandelt habe, ihr die gesamte Bevölkerung mehr oder weniger ausgesetzt gewesen sei im Gegensatz zu den Personen, die im Rahmen eines kriegseigentümlichen Gefahrenbereichs Gesundheitsstörungen erlitten haben könnten.

Da nach alledem ein wesentlicher Mangel des Verfahrens nicht mit Erfolg gerügt worden ist (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG) eine Verletzung des Gesetzes bei der Beurteilung der Zusammenhangsfrage im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG, d.h. eine Verletzung der Kausalitätsnorm durch Verkennung der Wesentlichkeit einer Bedingung (BSG 1, 151, 269, 270) nicht gerügt worden, im übrigen auch nicht ersichtlich ist, und die sachlich-rechtlichen Ausführungen des LSG keinen Anlaß zu Beanstandungen bieten, war die Revision gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2374961

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