Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner

 

Leitsatz (amtlich)

Kauft der von einer Wohnungseigentümergemeinschaft bestellte Verwalter namens aller Wohnungseigentümer Heizöl, ohne dabei ausdrücklich die nur anteilige Verpflichtung der Käufer zu vereinbaren, so haften diese nach § 427 BGB für die Erfüllung der Kaufpreisschuld als Gesamtschuldner (Abgrenzung gegenüber BGH LM WEG § 3 Nr. 1 = NJW 1959, 2160).

 

Normenkette

BGB § 427; WEG §§ 3, 16 Abs. 2, § 27 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 26.11.1975)

LG Münster

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. November 1975 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Bezahlung von Heizöl, das die Klägerin am 22. Oktober 1973 an eine Wohnungseigentümergemeinschaft geliefert hat, deren Mitglied – neben vier anderen – der Beklagte ist. Die Bestellung des Öls namens der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte deren Verwalter telefonisch aufgegeben. Auf die mit der Klage geltendgemachte Gesamtforderung der Klägerin von 2 017,54 DM nebst Zinsen und 13,32 DM Mahnkosten hat der Beklagte nach Klageerhebung 105,31 DM gezahlt. Er ist der Ansicht, daß er nur anteilig für diesen Betrag hafte und nicht – wie die Klägerin meint – gesamtschuldnerisch für die volle Summe.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage abzüglich der geleisteten Zahlung und unter Abweisung eines Teils der Zinsforderung stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Entscheidungsgrunde

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hält den Beklagten nach § 427 BGB für verpflichtet, das Heizöl gesamtschuldnerisch mit den übrigen Wohnungseigentümern zu bezahlen. Für eine abweichende Regelung nur anteiliger Haftung, wie sie der Bundesgerichtshof und mehrere Oberlandesgerichte für Aufbauschulden als angebracht bezeichnet hätten, lägen keine hinreichenden Gründe vor. Die wirtschaftliche Situation der Wohnungseigentümer nach Fertigstellung des Gebäudes sei eine andere als im Aufbaustadium. Die finanzielle Anspannung habe in aller Regel nachgelassen. Zu hohen Verbindlichkeiten könne es eigentlich nur dann kommen, wenn bei der Auswahl oder Beaufsichtigung des Verwalters, der für die Ausführung der die Verwaltung betreffenden Beschlüsse der Wohnungseigentümer und für die sonstige ordnungsmäßige Verwaltung verantwortlich sei, Fehler gemacht worden seien, was zum Risikobereich der Eigentümer gehöre. Der Vertragspartner eines im Rahmen der vom Verwalter geführten Geschäfte abgeschlossenen Vertrages könne sich nur unter Schwierigkeiten sichern, zumal ein etwa vor seiner Lieferung erhaltener Scheck regelmäßig nur erfüllungshalber gegeben werde. Für den Vertragspartner sei die Höhe des Anteils der Eigentümer auch schwer und unwirtschaftlich zu ermitteln, so daß ihm die Inanspruchnahme aller Wohnungseigentümer nicht zuzumuten sei.

II.

Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Der Beklagte wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aufgrund eines Kaufvertrages in Anspruch genommen, den – wie die Revision nicht in Frage stellt – der damalige Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft in deren Namen wirksam abgeschlossen hat. Die daraus folgende Verpflichtung zur Bezahlung des Kaufpreises trifft sämtliche Wohnungseigentümer. Da es sich um eine gemeinschaftliche vertragliche Verpflichtung mehrerer zu einer teilbaren Leistung handelt, richtet sich die Art der Haftung – anteilig oder gesamtschuldnerisch – allein nach den §§ 420, 427 BGB (Senatsurteil vom 29. September 1959 – VIII ZR 105/58 = NJW 1959, 2160 f = LM WEG § 3 Nr. 1 = WM 1959, 1289 = MDR 1959, 1007). Maßgebend sind danach – wie die Revision mit Recht hervorhebt – in erster Linie die notfalls auszulegenden ausdrücklichen oder stillschweigenden Erklärungen der Vertragschließenden darüber, wie die mehreren Schuldner für die teilbare Leistung haften sollen. Wenn die Auslegung keine Klarheit ergibt, gilt nach § 427 BGB „im Zweifel” gesamtschuldnerische Haftung (vgl. Weber in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 427 Rdn. 11 unter Hinweis auf BGHZ 60, 385, 389).

2. Die Revision meint, das Revisionsgericht sei in der Auslegung des Heizölkaufvertrages frei, weil das Berufungsgericht jede Auslegung unterlassen und sich nur an der „Zweifelsregelung” des § 427 BGB orientiert habe.

Ob das zutrifft, kann auf sich beruhen. Sollte es an einer Auslegung im Berufungsurteil fehlen, könnte das Revisionsgericht den Vertrag selbst auslegen (BGHZ 16, 4, 11 m.w.Nachw.). Am Ergebnis änderte sich dadurch jedoch nichts. Die von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts über den Vertragsabschluß lassen nichts erkennen, was als Willensäußerung der Vertragschließenden über eine andere als gesamtschuldnerische Haftung gedeutet werden könnte. Auch das Revisionsgericht könnte deshalb – wie das Berufungsgericht – die anteilige Haftung der Wohnungseigentümer nur dann annehmen, wenn besondere Umstände eine Abweichung von der nach § 427 BGB schon „im Zweifel” geltenden gesamtschuldnerischen Haftung zwingend gebieten würden.

3. In der Literatur wird – soweit ersichtlich – allgemein die Ansicht vertreten, daß die Bezahlung einer an eine Wohnungseigentümergemeinschaft gerichteten Heizöllieferung zu den sog. Verwaltungsschulden i. S. der §§ 16 Abs. 2, 20 ff WEG gehört (vgl. Soergel/Siebert/Baur, BGB, 10. Aufl. Bd. 4, § 27 WEG, Rdn. 3; Pritsch in BGB-RGRK, 11. Aufl. Bd. VI, § 27 WEG. Anm. 14). Einigkeit besteht auch darin, daß die Wohnungseigentümer mangels anderweitiger Vereinbarung für Verwaltungsschulden als Gesamtschuldner haften (so Bärmann/Pick, WEG, 3. Aufl., § 21, Rdn. 16; Weitnauer/Wirths, WEG, 5. Aufl., § 10, Rdn. 19; Palandt/Bassenge, BGB, 36. Aufl., § 16 WEG, Anm. 3). Dem hat sich der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes angeschlossen (BGHZ 67, 232, 235 f m.w.Nachw.).

Dagegen ist nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 29. September 1959 (aaO) bei den sog. „Aufbauschulden”, d. h. den Kosten der Herstellung des den Wohnungseigentümern teils gemeinschaftlich, teils zu Sondereigentum gehörenden Gebäudes in der Regel eine anteilige Haftung anzunehmen. Schon in jener Entscheidung, der sich die Oberlandesgerichte Karlsruhe (Die Justiz 1969, 42) und Hamm (Der Betrieb 1973, 1890) angeschlossen haben und die auch in der Literatur gebilligt worden ist (vgl. z. B. Soergel/Siebert/Baur, BGB, 10. Aufl., Bd. 4, § 4 WEG, Rdn. 5), hat der Senat darauf hingewiesen, daß die Haftung für Aufbauschulden in der Literatur anders beurteilt werde als die für Verwaltungsschulden und daß bei den letzteren das Wagnis für die Wohnungseigentümer geringer sei als bei den ersteren.

An dieser Auffassung hält der Senat auch gegenüber den Bedenken der Revision fest. In der Regel liegen die Verwaltungskosten weit unter der Gesamtheit der Baukosten, so daß es sich schon aus diesem Grunde nicht ebenso zwingend wie bei den Aufbauschulden aufdrängt, von der Gesamtschuldregelung abzuweichen. Nicht zu verkennen ist allerdings, daß auch Verwaltungsschulden die Leistungsfähigkeit der einzelnen Wohnungseigentümer übersteigen können, so etwa bei außergewöhnlichen Reparaturarbeiten oder bei Instandhaltungsarbeiten (z. B. Fassadenanstrichen) an Gebäuden mit hundert und mehr Eigentumswohnungen, die – wie der VII. Zivilsenat in BGHZ 67, 232 ff bereits bemerkt hat – heute keine Seltenheit sind. Ähnliches kann bei derartigen Großbauten für Heizölbestellungen gelten. Dennoch bleibt das Wagnis der eigenen vollen Haftung in solchen Fällen zumutbar, weil die Wohnungseigentümer sich durch sachgemäße Ausnutzung der ihnen durch das Wohnungseigentumsgesetz eröffneten Möglichkeiten hinreichend schützen können. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums steht nach §§ 20 ff WEG teils den Wohnungseigentümern, teils dem Verwalter zu. Dessen Aufgabenbereich umfaßt nach § 27 WEG nicht schlechthin die Befugnis, die Eigentümer gegenüber Dritten im Rahmen der Verwaltung zu verpflichten. Der VII. Zivilsenat hat in der bereits erwähnten Entscheidung (BGHZ 67, 232) für den Fall der Vergabe von Instandsetzungsaufträgen ausgesprochen, daß jedenfalls keine Vertretungsmacht für nicht dringende größere Arbeiten besteht. Ob Entsprechendes auch für Heizölbestellungen großen Umfangs angenommen werden müßte, ob insbesondere die Beschaffung von Heizöl überhaupt zu den in § 27 Abs. 1 WEG genannten Aufgaben des Verwalters gehört, kann dahinstehen. Auf jeden Fall handelt es sich um eine Verwaltungsmaßnahme, an der mitzuwirken die Wohnungseigentümer nach § 20 WEG berechtigt sind. Im Rahmen der Aufstellung des Wirtschaftsplanes (§§ 21 Abs. 5 Nr. 5, 28 Abs. 1 und 5 WEG) können sie die Bildung einer Rücklage für künftige Heizmaterialbestellungen durchsetzen, auch wenn, was offen bleiben kann, die Beschaffung von Heizmaterial nicht zu den „Instandhaltungsmaßnahmen” gehört, für die schon nach dem Gesetz ausdrücklich die Ansammlung von Rückstellungen vorgesehen ist (§§ 21 Abs. 5 Nr. 4, 28 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 WEG). Auch wenn man weiter annimmt, daß der Verwalter, falls Rücklagen gebildet sind, ohne weiteres befugt ist, Verträge die aus diesen Rücklagen erfüllt werden können, im Namen der Wohnungseigentümer zu schließen, so entfällt bei einer solchen Handhabung ein ernsthaftes Wagnis der Wohnungseigentümer, für die Bezahlung von Heizölkosten aus ihrer gesamtschuldnerischen Haftung übermäßig in Anspruch genommen zu werden.

4. Berücksichtigt man darüber hinaus auch die Interessen des Vertragspartners der Wohnungseigentümer, der die Namen, Anschriften und Anteile seiner sämtlichen Vertragspartner oft nur unter Schwierigkeiten feststellen könnte, so kommt für laufende Verwaltungskosten wie aus Heizölkäufen nach § 427 BGB nur die gesamtschuldnerische Haftung in Betracht, sofern nicht anteilige Haftung ausdrücklich vereinbart worden ist.

Die Revision des Beklagten mußte daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.

 

Unterschriften

Braxmaier, Claßen, Dr. Hiddemann, RiBGH Hoffmann ist beurlaubt und deshalb verhindert zu unterschreiben. Braxmaier, Dr. Brunotte

 

Fundstellen

Haufe-Index 731130

NJW 1977, 1964

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