Tz. 49

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Durch Art. 1 Nr. 2 VorstAG (vgl. HdR-E, AktG § 93, Rn. 1) wurde in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG das Erfordernis eines Selbstbehalts für Vorstandsmitglieder eingeführt. Für die D&O-Versicherung von AR-Mitgliedern besteht keine entsprechende gesetzliche Verpflichtung, einen Selbstbehalt zu vereinbaren und auch der DCGK empfiehlt dies nicht mehr. Durch die ausdrückliche Verpflichtung zur Vereinbarung eines Selbstbehalts für den Fall des Abschlusses einer D&O-Versicherung für Vorstandsmitglieder in § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG soll – durch die drohende Haftung mit dem Privatvermögen – eine verhaltenssteuernde Wirkung erzielt und Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern präventiv entgegengewirkt werden (vgl. BT-Drs. 16/13433, S. 11). Teilweise wird als zweifelhaft angesehen, ob ein obligatorischer Selbstbehalt überhaupt eine derart verhaltenssteuernde Wirkung entfalten und Vorstände vor pflichtwidrigem Handeln abschrecken bzw. zu sorgfältigerem Handeln bewegen kann (vgl. Hölters-AktG (2022), § 93, Rn. 404; kritisch auch Hüffer-AktG (2022), § 93, Rn. 131f.).

 

Tz. 50

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Der Selbstbehalt muss mindestens 10 % des Schadens bis mindestens zur Höhe des 1,5-fachen der jährlichen Festvergütung des Vorstandsmitglieds betragen (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG). Es sind bei der Selbstbehaltsvereinbarung somit zwei (Mindest-)Werte festzusetzen: die prozentuale Quote bezieht sich auf jeden einzelnen Schadensfall, die absolute Obergrenze gilt für alle Schadensfälle in einem Jahr zusammen, kann jedoch auch bereits bei einem einzigen – größeren – Schadensfall erreicht werden. Bezugsjahr für den Selbstbehalt ist das Jahr der Pflichtverletzung (vgl. BT-Drs. 16/13433, S. 11; KK-AktG (2010), § 93, Rn. 251). Das Vorstandsmitglied hat sich also bei jedem einzelnen Schadensfall zu beteiligen – mit einem vertraglich festzulegenden, mindestens 10 % betragenden Anteil am Schaden; absolute Obergrenze (i. S. d. Betrages, auf den die jährliche Gesamthaftung des Vorstandsmitglieds aus dem Selbstbehalt beschränkt werden kann) ist ein Betrag, der mindestens dem 1,5-fachen der jährlichen festen Vergütung entsprechen muss. Durch die höhenmäßige Beschränkung des notwendigen Selbstbehalts wird der Gefahr eines im Ergebnis zu Lasten des Gesellschaftsvermögens gehenden größeren Ausfallrisikos der Gesellschaft im Haftungsfall eines Vorstandsmitglieds Rechnung getragen (vgl. BT-Drs. 16/13433, S. 11). Die Ausrichtung an der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds – gerade nicht an den Gesamtbezügen i. S. v. § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG – dient der besseren Handhabbarkeit, anderenfalls wäre bspw. eine Bewertung oder Schätzung aller zugesagten künftigen Vorteile erforderlich (vgl. BT-Drs. 16/13433, S. 11). Bei Änderung der Jahresfestvergütung ist auch die Versicherung anzupassen.

 

Tz. 51

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

§ 93 Abs. 2 Satz 3 AktG normiert lediglich die Untergrenze des zu vereinbarenden Selbstbehalts, die Vereinbarung einer höheren Selbstbeteiligung ist daher möglich. In der Praxis stellt sich die Frage, wer intern bei der Gesellschaft für die Entscheidung über die Höhe des Selbstbehalts zuständig ist (vgl. Deilmann/Otte, AG 2010, S. 323f.). Die Kompetenz zur Entscheidung über den Abschluss einer D&O-Versicherung wird von der h. M. dem Vorstand zugesprochen (vgl. HdR-E, AktG § 93, Rn. 47). Z.T. wird in der Literatur dann aber die Entscheidung über die Höhe des Selbstbehalts – im Gegensatz zur Entscheidung über den Abschluss selbst – ausnahmsweise in der Zuständigkeit des AR gesehen. Begründet wird dies mit der ansonsten bestehenden Gefahr eines Interessenkonflikts (denn kaum ein Vorstandsmitglied würde vernünftigerweise für sich einen höheren als den zwingenden Mindestselbstbehalt festlegen) und daher kann ausnahmsweise dem AR für die Entscheidung über die Höhe des Selbstbehalts eine Annexkompetenz zu § 112 AktG zugesprochen werden (vgl. Deilmann/Otte, AG 2010 S. 323 (324f.); Melot de Beauregard/Gleich, NJW 2013, S. 824 (829); Franz, DB 2011, S. 2019 (2021); a. A. z. B. Hölters-AktG (2022), § 93, Rn. 407, wonach auch die Entscheidung über die Höhe des Selbstbehalts der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen treffen können soll).

 

Tz. 52

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Umstritten ist auch die Frage, ob sich die obligatorische Selbstbeteiligung auch auf die – von D&O-Versicherungen regelmäßig umfassten – Kosten für die Abwehr von Schadensersatzansprüchen bezieht. Dies ist zu verneinen; die Deckung der Abwehrkosten kann selbstbehaltsfrei vereinbart werden, denn Kosten für die Rechtsverteidigung entstehen auch dann, wenn das Vorstandsmitglied im Ergebnis unbegründet in Anspruch genommen wird, und der Gesetzeswortlaut selbst stellt auf einen Selbstbehalt von 10 % des "Schadens" ab (vgl. Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beilage Nr. 2 zu Heft 26, S. 1 (6); AktG-Komm. (2020), § 93, Rn. 54; BeckOGK-AktG (2021), § 93, Rn. 294; Koch, AG 2009, S. 637 (644)).

 

Tz. 53

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

vorläufig frei

 

Tz. 54

Stand: E...

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