Tz. 47

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Der Abschluss einer D&O-Versicherung fällt nach h. M. in die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands i. S. v. § 78 Abs. 1 AktG (vgl. KK-AktG (2010), § 93, Rn. 246; Dreher, ZHR 165 (2001), S. 293 (321); BeckOGK-AktG (2021), § 93, Rn. 281ff.; Knapp, DStR 2010, S. 56 (61); AktG-Komm. (2020), § 93, Rn. 56; Thüsing/Traut, NZA 2010, S. 140 (141); Lüneborg/Resch, AG 2017, S. 691 (694); Hölters-AktG (2022), § 93, Rn. 399). Von der zutreffenden h. M. werden die Versicherungsprämien nicht als Vergütungsbestandteil i. S. v. § 87 Abs. 1 AktG angesehen und eine Entscheidungskompetenz des AR hierüber daher abgelehnt (vgl. KK-AktG (2010), § 93, Rn. 246; BeckOGK-AktG (2021), § 93, Rn. 283; HB-GesR (2020/IV), § 26, Rn. 62; Kort, DStR 2006, S. 799 (802); Notthoff, NJW 2003, S. 1351 (1353f.); AktG-Komm. (2020), § 93, Rn. 56). Die individuellen Vorteile des versicherten Vorstands haben keinen eigenen Vergütungscharakter, sondern sind lediglich ein Reflex des UN-Interesses (vgl. BeckOGK-AktG (2021), § 93, Rn. 283). Insgesamt soll der Abschluss einer D&O-Versicherung zwar auch der Absicherung des Vorstandsmitglieds vor Haftungsrisiken aus seiner Tätigkeit für die AG, v.a. aber dem Schutz des Vermögens der AG selbst dienen (vgl. BT-Drs. 16/13433, S. 11). Bei der Innenhaftung übersteigt die Schadenshöhe häufig die Leistungsfähigkeit der Vorstandsmitglieder, so dass die Versicherung einen vollen Ausgleich für die Gesellschaft gewährleistet (vgl. KK-AktG (2010), § 93, Rn. 242; BeckOGK-AktG (2021), § 93, Rn. 282; Seibt/Saame, AG 2006, S. 901 (912)). In Fällen der Außenhaftung führt eine D&O-Versicherung dazu, dass das Organmitglied selbst in Anspruch genommen werden kann und somit die Gesellschaft das Organmitglied nicht von der Haftung gegenüber Dritten freizustellen hat. Ferner wird durch die Versicherung die unternehmerische Handlungsfreiheit gestärkt, indem das persönliche Haftungsrisiko abgesenkt wird (vgl. OLG München, Urteil vom 15.03.2005, 25 U 3940/04, VersR 2005, S. 540). Qualifizierte Führungskräfte, die regelmäßig eine D&O-Versicherung voraussetzen, können somit rekrutiert werden (vgl. OLG München, Urteil vom 15.03.2005, 25 U 3940/04, VersR 2005, S. 540; Seibt/Saame, AG 2006, S. 901 (906)). Schließlich verbessert sich aufgrund des geringeren Ausfallrisikos auch die Kreditwürdigkeit der AG (vgl. KK-AktG (2010), § 93, Rn. 242; Seibt/Saame, AG 2006, S. 901 (906); OLG München, Urteil vom 15.03.2005, 25 U 3940/04, VersR 2005, S. 540; Dreher, ZHR 165 (2001), S. 293 (300, 306)). Insgesamt dient damit die D&O-Versicherung in erster Linie den Vermögensinteressen der Gesellschaft – und der Vorstand wird zutreffend als für ihren Abschluss zuständig angesehen. Die Finanzverwaltung, die die Beiträge zur D&O-Versicherung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nicht als lohn- und einkommensteuerpflichtige Einkünfte ansieht (vgl. BMF, Schreiben vom 24.01.2002, IV C 5 – S 2332–8/02, AG 2002, S. 287; FM Niedersachen, Erlaß vom 25.01.2002, S 2332–161–35, S 2245–21–31 2, DStR 2002, S. 678), scheint diese Auffassung zu teilen. Der BGH hat diese Frage bislang offengelassen (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2009, II ZR 280/07, WM 2009, S. 851 (853), für die D&Q-Versicherung für AR-Mitglieder; zur Kompetenzfrage der Entscheidung über die konkrete Höhe des Selbstbehalts wird auf HdR-E, AktG § 93, Rn. 51, verwiesen). In der Literatur wird im Hinblick auf einen möglichen Interessenkonflikt des Vorstands vielfach empfohlen, für den Abschluss von D&O-Versicherungen einen Zustimmungsvorbehalt des AR nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zu schaffen (vgl. AktG-Komm. (2020), § 93, Rn. 56; Hölters-AktG (2022), § 93, Rn. 401), jedenfalls aber den Vertragsschluss in der Praxis mit dem AR abzustimmen.

 

Tz. 48

Stand: EL 36 – ET: 06/2022

Eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung besteht indessen nicht und ist auch mit der Regelung des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG nicht verbunden (vgl. BT-Drs. 16/13433, S. 11). § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG bestätigt aber (die früher umstrittene, zwischenzeitlich aber von der absolut h. M. anerkannte) Zulässigkeit von D&O-Versicherungen und regelt den Selbstbehalt, der zu vereinbaren ist, sofern eine D&O-Versicherung abgeschlossen wird. Bei der Frage, wann im Einzelfall von einer D&O-Versicherung im Gesellschaftsinteresse nicht abgesehen werden kann, ist zunächst eine konkrete Risikoanalyse vorzunehmen, bei der zu prüfen ist, welche Haftungsrisiken bestehen (vgl. Seibt/Saame, AG 2006, S. 901 (912)); auch der Umstand der wirtschaftlichen Tragbarkeit der Prämienzahlungen muss bei einer Abwägung Berücksichtigung finden. Zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht gehört – nach einer für den Abschluss einer D&O-Versicherung getroffenen Entscheidung – die ernsthafte Bemühung um die Erlangung einer qualitativ hochwertigen Versicherungspolice zu angemessenen Prämien bei einem verlässlichen Anbieter. Dazu können die Auflistung aller Risiken, deren Verwirklichung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen wer...

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