Leitsätze (amtlich)

  1. Die Beschränkung des Werbungskostenabzugs für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer durch § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG ist dem Grunde und der Höhe nach verfassungsgemäß (Bestätigung der BFH-Urteile vom 27.9. 1996, VIR 47/96, BStBl II 1997, S. 68 = INF 1997, S. 91, und vom 21.11.1997, VI R 4/97, BStBl II 1998, S. 351= INF 1998, S. 283). 2. Der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung i. S. des §4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3,
  2. Halbsatz EStG kann nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung isoliert für einzelne Tätigkeiten, sondern nur für sämtliche Tätigkeiten des Steuerpflichtigen bestimmt werden.
  3. Ob ein Büro- oder Praxisraum der Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer unterfällt, lässt sich nicht generell, sondern nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles beurteilen.
  4. Nutzt der Steuerpflichtige einen Raum im eigenen Einfamilienhaus für berufliche Tätigkeiten, die in den Kernbereich der Nutzung eines typischen häuslichen Arbeitszimmers fallen, ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG auch dann anzuwenden, wenn in diesem Raum gelegentlich Beratungsgespräche geführt werden.
 

Sachverhalt

Der Kläger war im Streitjahr 1996 in zwei Beschäftigungsverhältnissen tätig, hauptberuflich als kaufmännischer Angestellter bei einem Industrieunternehmen (Bruttoarbeitslohn 99 162 DM) und nebenberuflich als Mitarbeiter eines LSt-Hilfevereins (Bruttoarbeitslohn 13 426 DM). Für die letztere Tätigkeit nutzte er im eigenen Einfamilienhaus einen Raum als "Beratungsstelle", in dem er Steuererklärungen erstellte, Beratungsgespräche führte und Rechtsbehelfe bearbeitete. Hierfür wandte er nach seinen Angaben durchschnittlich 28 Wochenstunden auf. Die anteiligen Kosten für den Arbeitsraum von 3 762 DM machte der Kläger als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Das Finanzamt erkannte Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur von 2400 DM an. Das FG wies die Klage hinsichtlich der über 2400 DM hinausgehenden Aufwendungen für das Arbeitszimmer ab[1]. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

  1. Der Senat hält daran fest, dass die Beschränkung des Werbungskostenabzugs
  2. nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 5 Abs. 5 Nr. 6b EStG weder dem Grunde noch der Höhe nach verfassungsrechtlich zu beanstanden ist[2]. Der Senat folgt nicht der in der Literatur vertretenen Ansicht, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG sei verfassungskonform in der Weise auszulegen, dass bei verschiedenen Tätigkeiten eine Einzelbetrachtung anzustellen sei[3]. Der Wortlaut "Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung" ist eindeutig und ermöglicht keine Auslegung i. S. einer Einzelbetrachtung. Allenfalls kann das Tatbestandsmerkmal "Mittelpunkt" dahingehend verstanden werden, dass geringfügige Nebentätigkeiten dem Abzug der gesamten Kosten nicht entgegenstehen[4]. Eine Einzelbetrachtung aller Tätigkeiten ist weder vom Wortsinn noch von der Entstehungsgeschichte und vom Zweck der Vorschrift gedeckt.
  3. Der vom Kläger für seine unselbstständige Beratungstätigkeit genutzte Raum ist ungeachtet einer etwaigen Vergleichbarkeit mit einer Steuerberaterpraxis als häusliches Arbeitszimmer i. S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG anzusehen. Der Senat teilt nicht die Auffassung, dass Büro- und Praxisräume generell aus dem Anwendungsbereich der Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer auszunehmen sind. Gegen diese Ansicht spricht bereits, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung ausdrücklich die Fälle vor Augen hatte, dass ein Raum als Kanzlei eines Steuerberaters oder als Arztpraxis genutzt wird[5]. Diese Fälle wollte der Gesetzgeber von der Begrenzung der Höhe nach ausnehmen; er hat gerade dafür die Rückausnahme des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3, 2. Halbsatz EStG geschaffen, die einen unbegrenzten Abzug eröffnet, sofern das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen bildet. Dieser Regelungstechnik hätte es nicht bedurft, wenn Büro- und Praxisräume trotz ihrer Einbindung in die private Lebenssphäre von vorneherein nicht als häusliches Arbeitszimmer anzusehen wären. Neben der Entstehungsgeschichte spricht auch der Zweck der Abzugsbeschränkung gegen eine generelle Herausnahme von Büro- und Praxisräumen aus dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG[6].
  4. Ob ein Büro- oder Praxisraum der Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer unterfällt, lässt sich demnach nicht generell, sondern nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden. Der Kläger nutzte einen einzelnen, nicht besonders abgetrennten Raum im eigenen Einfamilienhaus, so dass eine räumlich enge Einbindung in seine private Lebenssphäre bestand. Den Raum verwendete er für Tätigkeiten, die in den Kernbereich der Nutzung eines typischen häuslichen Arbeitszimmers fallen, sowie für Beratungsgespräche. Dabei übte er die Tätigkeit als Mitarbeiter des LSt-Hilfevereins nach seiner Vollz...

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