Leitsatz (amtlich)

Der Verkauf von Speisen an einem Imbissstand unterlag in den Jahren 1992 und 1993 der Umsatzbesteuerung mit dem Regelsteuersatz, wenn es sich dabei entweder um eine sonstige Leistung handelte, oder wenn i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in der bis 26.6.1998 geltenden Fassung eine Lieferung vorlag und die Speisen nach den Umständen der Lieferung dazu bestimmt waren, in räumlichem Zusammenhang mit dem Imbissstand verzehrt zu werden und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten wurden.

 

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 1992 und 1993 in einem Verkaufspavillon einen Imbissstand, von dem aus sie überwiegend Bratwürste verkaufte. Der Imbissstand war achteckig und rundum verglast. Der Verkauf erfolgte an zwei hochschiebbaren Fenstern. Hier befanden sich im Fensterinnern zwei Tresen, die sich außerhalb fortsetzten. An den übrigen Seiten waren die Fenster nicht hochschiebbar. Dort waren außen Ablagebretter angebracht. Einige Meter vom Pavillon entfernt standen zwei Stehtische. Die Bratwürste wurden mit einem aufgeschnittenen Brötchen auf Porzellantellern gereicht. Die Kunden konnten sie an den Tresen, den Ablagebrettern oder den Stehtischen verzehren. Ein Teil der Kunden verzehrte die Wurst in der Nähe des Bratwurststandes ohne Ablage oder nahm die Wurst mit dem Brot mit. Das Finanzamt unterwarf die Umsätze dem allgemeinen Steuersatz. Während des Einspruchsverfahrens setzte das Finanzamt durch Änderungsbescheide im Hinblick auf Aufzeichnungen der Klägerin über die verpackten "Außer-Haus-Verkäufe" antragsgemäß 12,9 % der Gesamtumsätze mit dem ermäßigten Steuersatz an. Klage[1] und Revision der Klägerin blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Im Streitfall greift die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG nicht ein. Dabei kann offen bleiben, ob die Umsätze der Klägerin als - nicht dieser Vorschrift unterfallende - sonstige Leistungen oder als (bloße) Lieferungen von Speisen zu qualifizieren sind. Auch im letztgenannten Fall wäre auf diese Umsätze der allgemeine Steuersatz anzuwenden, weil es sich dann um Lieferungen von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 2 und 3 UStG gehandelt hätte.

Sog. Restaurationsumsätze (Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr) sind nach der Rechtsprechung des EuGH[2] als Dienstleistungen i.S. von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG und damit als sonstige Leistungen i.S. des § 3 Abs. 9 UStG anzusehen. Der BFH ist dieser Rechtsprechung gefolgt[3]. Selbst wenn man aber zugunsten der Klägerin annehmen würde, sie habe nicht sonstige Leistungen, sondern Lieferungen ausgeführt, würde es sich dabei um Lieferungen zum Verzehr an Ort und Stelle[4] gehandelt haben. Die von der Klägerin verkauften Speisen mit Ausnahme der sog. "Außer-Haus-Verkäufe" waren i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG nach den Umständen dazu bestimmt, an einem Ort -nämlich am Imbissstand - verzehrt zu werden, der mit dem Ort der Lieferung in einem räumlichen Zusammenhang stand. Die Klägerin hielt ferner i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 UStG besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereit. Als solche sind jedenfalls die Stehtische und die Ablagebretter an den Seiten des Standes mit den feststehenden Fenstern anzusehen, die von den Kunden genutzt wurden, um die Porzellanteller während des Verzehrs abzustellen und nach Bedarf Senf aus den dort bereitstehenden Senfschalen zum Verzehr der Wurst zu entnehmen.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 16.3.2000 - V R 27/99

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