Leitsatz

Eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG liegt auch dann vor, wenn bereits bei Beginn des Dienstverhältnisses ein Ersatzanspruch für den Fall der betriebsbedingten Kündigung oder Nichtverlängerung des Dienstverhältnisses vereinbart wird (Abweichung vom Urteil vom 27.2.1991, XI R 8/87, BStBl II 1991, S. 703).

 

Sachverhalt

Im Rahmen der Neuordnung des N-Konzerns, bei dem er seit 1972 als Arbeitnehmer der G-AG beschäftigt war, wechselte der Kläger (geb. 1940) zur B-AG. Die G-AG sagte ihm die Zahlung einer Abfindung für den Fall zu, dass sein künftiger Dienstvertrag vor Vollendung seines 60. Lebensjahrs beendet werden sollte. Mit der B-AG schloss er einen befristeten Anstellungsvertrag als Geschäftsführer vom 1.4.1989 bis 31.3.1994. Soweit Rechte von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhingen, sollte die vorangegangene Tätigkeit innerhalb des N-Konzerns angerechnet werden. Änderungen und Ergänzungen des Dienstvertrags bedurften der Schriftform. Vereinbart war außerdem, dass ein Jahr vor Vertragsablauf mit dem Kläger ein Gespräch über eine Vertragsverlängerung geführt werden sollte. Das Gespräch fand im März 1993 statt. Am 30.12.1993 wurde allerdings vereinbart, das Dienstverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 31.3.1994 zu beenden. Für den Verlust des Arbeitsplatzes sollte der Kläger eine Abfindung von 450000 DM erhalten. Das Finanzamt unterwarf den vollen Abfindungsbetrag dem regulären Einkommensteuertarif. Da das Dienstverhältnis vertragsgemäß zum 31.3.1994 ausgelaufen sei, ersetze die Abfindung keine entgehenden Einnahmen.

Im Klageverfahren hatte ein Zeuge das Vorbringen des Klägers bestätigt, der Aufsichtsratsvorsitzende habe ihm im März 1993 eine Vertragsverlängerung um weitere fünf Jahre zugesagt. Das FG gab der Klage teilweise statt. Es versagte die Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG, wandte aber einen nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigten Steuersatz auf 300000 DM an. Den Restbetrag beurteilte es als Erfüllungsleistung für bereits erdiente Ansprüche und wandte insoweit § 34 Abs. 3 EStG an.

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf die Revision des Klägers auf und gewährte den begünstigten Steuersatz auf den vollen Abfindungsbetrag. Auch wenn die Zahlung der Abfindung bereits beim Abschluss des Dienstvertrags als Geschäftsführer für den Fall der vorzeitigen Entlassung vereinbart worden sei, beruhe sie doch auf einer neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage und sei Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Denn auch der unter der Voraussetzung einer Kündigung oder einer Nichtverlängerung eines Dienstvertrags entstehende Ersatzanspruch beruhe – verglichen mit dem bisherigen Anspruch auf Erfüllung von Gehaltsforderungen – auf einem neuen Rechtsgrund. Die Abfindung sei deshalb eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1a EStG. Ebenso wie das FG verneinte der BFH allerdings eine teilweise Steuerfreiheit der Abfindung nach § 3 Nr. 9 EStG. Die Voraussetzungen dafür seien beim Auslaufen eines befristeten Dienstvertrags zu dem vorgesehenen Termin nicht erfüllt, weil die Auflösung dann nicht durch den Arbeitgeber veranlasst sei, sondern auf der früheren Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Befristung beruhe.

 

Praxishinweis

Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung geändert. Im Urteil vom 27.2.1991[1] hatte der BFH nämlich noch entschieden, dass eine bereits bei Abschluss oder während des Arbeitsverhältnisses vereinbarte Abfindung, die für den Fall der Kündigung gezahlt werden sollte, keine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1a EStG sei. Die Zahlung – so der BFH damals – beruhe nicht auf einer neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage, sondern sei eine Erfüllungsleistung aus dem bisherigen Rechtsverhältnis. Mit der gleichen Argumentation hatte der BFH auch die Tarifbegünstigung eines nach Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses gezahlten Übergangsgeldes abgelehnt[2]. Daran hält der BFH nun ausdrücklich nicht mehr fest. Eine Erfüllungsleistung kann – so der BFH jetzt – nur vorliegen, wenn bzw. solange das Dienstverhältnis fortbesteht. Der Zeitpunkt der Vertragsbeendigung ist entscheidend dafür, ob mit der Leistung bestehende Ansprüche erfüllt oder Ersatzleistungen erbracht werden sollen. Wird beim Abschluss eines Arbeitsverhältnisses vereinbart, dass im Falle der Auflösung eine Abfindung gezahlt werden soll, handelt es sich somit um die Vereinbarung einer Ersatzleistung. Diese beruht – verglichen mit dem Erfüllungsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis – auf einer anderen (neuen) Rechtsgrundlage.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 10.9.2003, XI R 9/02

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