Leitsätze (amtlich)

  1. Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist von einer unzulässigen Rasterfahndung auszugehen, wenn die Steuerfahndung ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren in einem Kreditinstitut mit einem bestimmten Auftrag dazu benutzt, ohne Rücksicht auf einen etwaigen Zusammenhang mit diesem Auftrag bestimmte Verhaltensweisen von Kunden dieses Kreditinstituts möglichst vollständig zu erfassen (hier: Inhaber von Tafelpapieren) mit dem Ziel, in allen Fällen undifferenziert, d.h. unabhängig von der Höhe der festgestellten Beträge oder von sonstigen Besonderheiten, die Vorgänge auf ihre steuerlich korrekte Erfassung einer Überprüfung zu unterziehen.
  2. Die Inhaberschaft von Tafelpapieren verbunden mit der Einlieferung solcher Papiere in die (legitimationsgeprüfte) Sammeldepotverwaltung eines Kreditinstituts begründet keinen steuerstrafrechtlichen Anfangsverdacht. Daher werden in einem solchen Fall auch die Ermittlungsbefugnisse der Steuerfahndung hinsichtlich der Feststellung der Verhältnisse anderer als der von der Prüfung unmittelbar betroffenen Personen im Bankenbereich durch die Spezialvorschrift des § 30a Abs. 3 AO 1977 begrenzt.
 

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist eine Kundin der Sparkasse (S). Nachdem bei der X-Landesbank beschlagnahmte Unterlagen den Verdacht begründeten, unter Hilfestellung von Mitarbeitern der S seien Vermögenstransfers nach Luxemburg in einer Größenordnung von ca. 900 Mio. DM erfolgt, erwirkte das Finanzamt im Rahmen eines von ihm eingeleiteten Ermittlungsverfahrens gegen namentlich noch unbekannte Mitarbeiter der S wegen Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung zugunsten namentlich ebenfalls noch nicht bekannter Anleger einen Beschluss des Amtsgerichts vom 19.1.1998. Darin ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung aller Grundstücke und Gebäude der S sowie die Beschlagnahme von Unterlagen an, welche seit 1992 entstanden sind. Im Laufe der mehrwöchigen Durchsuchung ließen sich die Fahnder des Finanzamts von S auch Unterlagen über sämtliche Tafelgeschäfte der Jahre 1992 und 1993 vorlegen. Nach Durchsicht der bankinternen Konten für Eigen- und für Botengeschäfte gelang es den Fahndern, im Abgleich mit zur gleichen Zeit erfolgten Barabhebungen von Kundenkonten in ca. 360 Fällen (Aufklärungsquote: 25 %) die Person, für die S das Tafelgeschäft abgewickelt hatte, zu identifizieren. Des weiteren sichteten die Fahnder auch von S zum Wertpapiergeschäft angelegte Ordner ("Wp-Ein- und Ausgangsbelege"). Auf diese Weise ermittelten die Fahnder ca. 700 weitere Tafelpapierinhaber. In dieser Gruppe befand sich auch die Antragstellerin, die effektive Stücke in Höhe von ca. 36 000 DM zur Depotverwahrung eingeliefert hatte. Im einzelnen kopierten die Fahnder die den Buchungen zuzuordnenden Jahresdepotkonten, ergänzten sie um die Anschriften der Kunden, die sich aus den Einlieferungsbelegen ergaben, und kennzeichneten die eingelieferten Stücke durch Unterstreichen der Wertpapierkennnummern. Die vom Finanzamt angeschriebene Antragstellerin hält die Vorgehensweise des Finanzamts für rechtswidrig. Nachdem beim Finanzamt vorgebrachte Einwendungen nichts fruchteten, ersuchte die Antragstellerin das FG, dem Finanzamt im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Abschluss des Hauptverfahrens zu untersagen, die ihre Person betreffenden anlässlich der Durchsuchung der S beschlagnahmten Unterlagen zu verwerten. Das FG gab dem Antrag statt[1]. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der BFH als unbegründet zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die Aufgabenerfüllung der Steufa nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hat erst dann einzusetzen, wenn für ein Tätigwerden ein hinreichender Anlass besteht. Ermittlungen "ins Blaue hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig. Die gesamten Umstände des Falles sprechen dafür, dass das Finanzamt seine steuerstrafrechtlich veranlassten Ermittlungen bei S zielgerichtet dazu benutzt hat, alle bei oder von Kunden der S in den Jahren 1992 und 1993 getätigten Tafelgeschäfte aufzuspüren, und zwar unabhängig davon, ob in dem einzelnen Fall zwischen dem Tafelgeschäft bzw. der Inhaberschaft von Tafelpapieren und dem Zu- oder Abfluss von Geld oder Wertpapieren nach Luxemburg überhaupt ein Zusammenhang in Betracht kommen konnte. Der Senat sieht in diesem Vorgehen den typischen Fall einer unzulässigen Rasterfahndung. Die hohe Zahl der betroffenen Kunden belegt die Absicht des Finanzamts, möglichst alle Fälle zu erfassen. Angesichts dessen fällt es bereits schwer, von Zufallsfunden bei sog. Vorfeldermittlungen zu sprechen, bei denen regelmäßig die bloße Möglichkeit einer steuerlichen Verkürzung für ein Tätigwerden der Steufa im Rahmen ihrer Aufgabenzuweisung ausreicht. Die Steufa hat sich nicht mit der Ermittlung solcher Tafelgeschäfte begnügt, welche die S für ihre Kunden getätigt hat. Es ging ihr vielmehr darum, anlässlich der Durchsuchung bei S alle Personen festzustellen, die - unabhängig von einem durchgeführt...

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