Das steht im Urteil

Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung an eine Bank sind nur dann "hinreichend veranlasst", wenn eine über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende erhöhte Wahrscheinlichkeit dargelegt wird, unbekannte Steuerfälle zu entdecken.

 

Der Sachverhalt

Eine Bank (A-Bank) hatte Kunden, die Inhaber von Aktien der Deutschen Telekom AG waren, Bonusaktien aus dem sog. zweiten und dritten Börsengang zugeteilt und in deren Depots aufgenommen. Die Kunden wurden darauf hingewiesen, dass Zuteilungen aus Treue-Aktienprogrammen der Einkommensteuerpflicht unterliegen.

Die Steuerfahndungsstelle des beklagten Finanzamts stellte bei einem Kunden der A-Bank fest, dass dieser die Einkünfte aus der Zuteilung von fünf Treueaktien der Telekom (43,40 EUR pro Treueaktie) in seiner Steuererklärung 2000 nicht angegeben hatte. – Die Steuerfahndung eines anderen Finanzamts führte bei zwei Banken Prüfungen durch und übermittelte etwa 2.000 Kontrollmitteilungen über den Bezug von Treueaktien der Telekom durch Kunden dieser Banken an die zuständige Oberfinanzdirektion. Die Auswertung dieser Kontrollmitteilungen führte zu dem Ergebnis, dass zehn Kunden dieser Banken Selbstanzeige erstatteten und dass gegen sechs Kunden steuerstrafrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden. Dabei belief sich das durchschnittliche steuerliche Mehrergebnis an Einkommen- und Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlagauf etwa 190 EUR.

Die Steuerfahndung des beklagten Finanzamts hat an die A-Bank daraufhin ein Sammelauskunftsersuchen gerichtet; die Steuerfahndung wollte Auskunft darüber, welchen Bankkunden Treueaktien der Telekom aus den Tranchen II und III zugeteilt wurden. Die gegen dieses Auskunftsersuchen gerichtete Klage der A-Bank hatte Erfolg. Das Finanzgericht kam zu dem Ergebnis, dass für die Einholung der strittigen Auskünfte kein hinreichender Anlass bestanden habe.

 

Die Meinung des BFH

Diese Auffassung teilt auch der BFH. Das Gesetz (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AO) sieht zwar eine allgemeine Verpflichtung zur Auskunftserteilung vor. Demgemäß kann eine Finanzbehörde verlangen, dass ihr Auskünfte erteilt werden "die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts" erforderlich sind. Solche Auskunftsersuchen darf auch eine Steuerfahndungsstelle i.R. ihres Aufgabenbereichs (u.a. "Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle"; § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) ausbringen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO). – Es kann auch nicht bezweifelt werden, dass das strittige Auskunftsersuchen i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 1 AO auf einen "für die Besteuerung erheblichen Sachverhalt" zielt. Der Finanzverwaltung ist es nicht verwehrt, der Frage nachzugehen, ob die ihrer Ansicht nach steuerpflichtigen Einnahmen aus dem Bezug von Bonusaktien von den Steuerpflichtigen erklärt worden sind. – Ein Sammelauskunftsersuchen der hier vorliegenden Art setzt allerdings einen "hinreichenden Anlass" voraus. Die allgemeine Lebenserfahrung, dass Steuern nicht selten verkürzt und insbesondere Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht erklärt werden und dass das Auskunftsersuchen möglicherweise zur Aufdeckung bisher unbekannter Steuerfälle führen könnte, genügt hierfür nicht. Ein hinreichender Ermittlungsanlass liegt nur vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt. Dazu bedarf es der Darlegung einer über die allgemeine Lebenserfahrung hinausgehenden erhöhten Wahrscheinlichkeit, unbekannte Steuerfälle zu entdecken. Dies erfordert eine Prognoseentscheidung – also eine vorweggenommene Beweiswürdigung –, dass Ermittlungsmaßnahmen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Daran fehlt es, wenn sich solche Ermittlungen als bloße "Ausforschung", als Rasterfahndung oder Ermittlung "ins Blaue hinein" darstellen. – Im Streitfall sieht der BFH keinen hinreichenden Anhaltspunkt für die Prognose, dass Einkünfte aus dem Bezug der Treueaktien gerade von Kunden der A-Bank hinterzogen worden sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.01.2009, VII R 25/08v. 16.1.2009, VII R 25/08

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