Leitsatz

Für die nach dem Bilanzstichtag anfallenden Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen, zu der das Unternehmen nach § 257 HGB und § 147 AO verpflichtet ist, ist im Jahresabschluss eine Rückstellung zu bilden.

 

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige, eine KG, bildete in ihrer Handels- und Steuerbilanz zum 31.12.1993 eine Rückstellung für die mit der Aufbewahrung der Bank- und Kassenbelege verbundenen Kosten. Das Finanzamt erkannte die Rückstellung nicht an. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab[1]. Auf die Revision der Steuerpflichtigen hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidung

Die Verpflichtung, die in § 257 HGB und § 147 AO genannten Geschäftsunterlagen 6 und 10 Jahre lang aufzubewahren, ist eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die zur Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten berechtigt. Diese Verpflichtung ist bereits im Streitjahr (1993) wirtschaftlich verursacht. Dabei kann dahinstehen, ob sie rechtlich erst im folgenden Jahr oder schon mit Ablauf des Streitjahres entstanden ist. Wirtschaftliche Verursachung (Entstehung i. S. des Rückstellungsbegriffs) setzt voraus, dass der Tatbestand, an den das Gesetz die Verpflichtung knüpft, im wesentlichen verwirklicht ist. Den wesentlichen Tatbestand in diesem Sinne bildet die Entstehung der Unterlagen. Demgegenüber kommt künftigen Auswirkungen der Aufbewahrung (etwa für spätere Rechtsstreitigkeiten) nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die genannte Verpflichtung erfüllt überdies die zusätzlichen Voraussetzungen, die an die Bildung einer Rückstellung für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen gestellt werden:

  • Die Verpflichtung ist hinreichend konkretisiert.
  • Sie bezieht sich auf einen bestimmten Zeitraum in der Nähe des Geschäftsjahres, in dem die Rückstellung zu bilden ist.
  • Die Pflicht zur Aufbewahrung ist in der Weise sanktionsbewehrt, dass sich die Steuerpflichtige ihrer Verpflichtung nicht entziehen konnte[2].

Das FG wird nunmehr prüfen, ob die Höhe der von der Steuerpflichtigen gebildeten Rückstellung gerechtfertigt ist. Maßgebend ist dafür der voraussichtliche Erfüllungsbetrag. Bei der hier gegebenen Sachleistungsverpflichtung sind die Vollkosten anzusetzen.

 

Praxishinweis

Soweit ersichtlich, hat der BFH erstmals zur Frage der Rückstellungsbildung für die Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen Stellung genommen. Dabei geht es um eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit wegen einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung. Für deren Bildung verlangt die ständige Rechtsprechung des BFH neben den allgemeinen Voraussetzungen für jede Verbindlichkeitsrückstellung die in der vorstehenden Entscheidung geprüften und zutreffend bejahten zusätzlichen Erfordernisse.

Die genannte Rückstellung ist in der Handelsbilanz wie in der Steuerbilanz gleichermaßen zu bilden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.08.2002, VIII R 30/01

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