Leitsatz (amtlich)

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Muss der Empfänger von Dienstleistungen, der gemäß Art. 21 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG Steuerschuldner und als solcher in Anspruch genommen worden ist, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG eine nach Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/ EWG ausgestellte Rechnung besitzen?
  2. Falls diese Frage zu bejahen ist: Welche Angaben muss die Rechnung enthalten? Ist es schädlich, wenn statt der Gestellung von Personal die mit Hilfe dieses Personals erstellten Gewerke als Leistungsgegenstand bezeichnet werden?
  3. Welche Rechtsfolgen hätten nicht behebbare Zweifel daran, dass der Rechnungsaussteller die berechnete Leistung erbracht hat?
 

Sachverhalt

Der Kläger betreibt ein Bauunternehmen. Er setzte im Streitjahr 1995 englische Bauarbeiter ein. Diese waren ihm unter der Firma X-Bau Ltd. Building Contractors zur Verfügung gestellt worden, die in Holland eine Kontaktadresse unterhielt. Tatsächlich gab es eine am 21.5.1992 in das englische Handelsregister eingetragene "X-Building Contractors Ltd.", deren eingetragener Sitz sich bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unter der Adresse "A" befunden haben soll; dabei handelte es sich um eine "Sitzgesellschaft" ohne Eintragungen in den lokalen Telefonverzeichnissen. Die von den Bauarbeitern verrichteten Arbeiten wurden dem Kläger unter der oben genannten Firma in Rechnung gestellt; die Rechnungen wiesen eine englische USt-Identifikationsnummer und ein deutsches Bankkonto aus. In ihnen wurde keine USt ausgewiesen; vielmehr enthielten sie den Vermerk "Nullregelung § 52 UStDV vereinbart". Die Rechnungen gaben zunächst die Adresse "A" und später die Adresse "B" an. Das Finanzamt ging davon aus, dass die in Rechnung gestellten Leistungen nicht von der dort genannten Ltd., sondern von einem dritten unbekannten Unternehmen ausgeführt worden seien, und nahm den Kläger für die USt dieses Unternehmers gemäß § 55 UStDV in Haftung. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt[1]. Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und legte dem EuGH die genannten Rechtsfragen zur Entscheidung vor.

 

Entscheidungsgründe

Zwar ist das Abzugsverfahren nach den §§ 51ff. UStDV möglicherweise nicht in vollem Umfang gemeinschaftsrechtskonform. Gleichwohl hält der Senat die Haftungsvorschrift des § 55 UStDV für anwendbar, soweit der Leistungsempfänger gemäß Art. 21 der Richtlinie 77/388/ EWG Steuerschuldner ist, und die Vorschrift des § 52 Abs. 2 UStDV (Nullregelung) für anwendbar, soweit der Leistungsempfänger (und Steuerschuldner) außerdem noch entsprechend den Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG den Vorsteuerabzug geltend machen kann.

Der Senat geht mit dem Finanzamt davon aus, dass die streitbefangenen Dienstleistungen von einem im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen erbracht wurden. Es kann dahinstehen, ob diese Dienstleistungen unter Art. 9 Abs. 2 Buchst. a (Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück) oder unter Art. 9 Abs. 2 Buchst. e (Gestellung von Personal) der Richtlinie 77/388/EWG fallen. In jedem Fall liegt der Ort dieser Dienstleistungen in Deutschland. Im Fall des Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG war Deutschland gemäß § 21 Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG berechtigt, im Fall des Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG gemäß Art. 21 Nr. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG verpflichtet, den Kläger (Empfänger der Dienstleistungen) als Steuerschuldner zu behandeln. Gleichzeitig ist der Kläger gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG befugt, die für die Dienstleistungen geschuldete Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen. Da er die von ihm bezogenen Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet hat, kann er die für diese Dienstleistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer von der von ihm geschuldeten Steuer (für seine Bauleistungen) abziehen.

Der Senat hat aber Zweifel, ob der Empfänger der Dienstleistungen, wenn er gemäß Art. 21 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG Steuerschuldner ist und als solcher in Anspruch genommen wurde, gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG eine nach Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ausgestellte Rechnung besitzen muss, um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können. Nach dem Wortlaut der zitierten Bestimmungen scheint eine derartige Rechnung zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug auch dann erforderlich zu sein, wenn der Empfänger der Dienstleistungen als solcher Steuerschuldner ist und als solcher in Anspruch genommen wird. Für die steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen verlangt Art. 21 Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ausdrücklich, dass die von dem nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellte Rechnung Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG entspricht. Andererseits geht Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG ersichtlich davon aus, dass der Empfänger der gelieferten Gegenst...

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