Leitsatz

Schließt ein Franchisenehmer sein bisheriges Einzelhandelsgeschäft und eröffnet er an einem anderen Ort ein neues Einzelhandelsgeschäft, so führt allein der Umstand, dass das neue Geschäft zur gleichen Unternehmensgruppe gehört und der neue Franchisevertrag weitgehend dem bisherigen entspricht, noch nicht zur Unternehmensidentität i.S. von § 10a GewStG.

 

Sachverhalt

Die A-KG ist Franchisenehmer der X-KG und gehört zur X-Gruppe. Bis zum Ablauf des Wirtschaftsjahrs 1992/1993 betrieb die A-KG einen Markt in R und erzielte dort einen Gewerbeverlust von 872790 DM. Der Warenbestand des Markts in R wurde veräußert, das Anlagevermögen verschrottet. Ca. 600 km entfernt eröffnete die A-KG in F einen neuen Markt und schloss mit der X-KG am 26.7.1993 einen neuen Franchisevertrag mit einer Laufzeit von 20 Jahren. Von den Mitarbeitern in R übernahm die A-KG nur den Marktleiter. Nach einer Betriebsprüfung erkannte das Finanzamt den Gewerbeverlust von 872790 DM aufgrund fehlender Unternehmensidentität nicht als vortragsfähig an. Die dagegen erhobene Klage hatte in erster Instanz Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zwar hat sich der Gesellschafterbestand der A-KG in den Streitjahren nicht verändert, sodass Unternehmeridentität gegeben ist. Die Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 10a GewStG scheitert aber wegen der fehlenden Unternehmensidentität der A-KG.

Unternehmensidentität erfordert, dass der im Anrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch ist mit demjenigen, der im Jahr der Entstehung des Verlusts bestanden hat[1]. Denn die Gewerbesteuer erfasst den Ertrag, den der jeweilige Gewerbebetrieb an sich abwirft. Unterhält ein Unternehmer gleichzeitig mehrere selbstständige Gewerbebetriebe, unterliegt jeder dieser Gewerbebetriebe für sich der Gewerbesteuer. Entsprechendes gilt, wenn ein und derselbe Unternehmer nacheinander mehrere sachliche selbstständige Gewerbebetriebe unterhält; die bisherige sachliche Steuerpflicht endet und eine neue Steuerpflicht beginnt[2].

Für die Identität der Betätigungen kommt es auf das Gesamtbild an, das sich aus den wesentlichen Merkmalen des Gewerbebetriebs ergibt, insbesondere auf die Art der Betätigung, den Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätten sowie den Umfang und die Zusammensetzung des Aktivvermögens. Unter Berücksichtigung dieser Merkmale muss zwischen den Betätigungen ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang bestehen.

Die Nutzung der gleichen Franchisestruktur im Rahmen eines neuen Markts reicht für die Unternehmensidentität nicht aus. Insbesondere liegt keine bloße Betriebsverlegung vor. Das wäre nur der Fall, wenn die zur Fortführung des Unternehmens benötigten sachlichen und personellen Mittel weiter genutzt werden, soweit die durch die Verlegung des Betriebs veränderten Verhältnisse es zulassen. Das setzt indes voraus, dass zumindest ein Teil der Arbeitnehmerschaft weiter beschäftigt wird oder jedenfalls versucht wird, diese am neuen Standort weiter zu beschäftigen. Auch müssen die zur Erwirtschaftung des Ertrags von Unternehmen eingesetzten Betriebsmittel im Wesentlichen dieselben bleiben.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Eröffnung des Markts in F führt angesichts der großen Entfernung vom ersten Markt dazu, dass – abgesehen vom Marktleiter – eine Weiternutzung personeller Mittel typischerweise nicht in Betracht kam. Entsprechendes gilt für die sachlichen Mittel, insbesondere die Ausstattung des Markts. Durch eine bloße Vertriebsverlegung war der Standortwechsel daher typischerweise nicht durchführbar. Da angesichts der großen räumlichen Entfernung des Standorts in F zum alten Standort R auch von einer Beibehaltung des Kundenkreises nicht gesprochen werden kann und der neue Franchisevertrag lediglich dafür sorgt, dass der neue Betrieb eine ähnliche äußere Organisationsstruktur erhielt wie der frühere, ist ein organisatorischer Zusammenhang zwischen beiden Märkten nicht gegeben.

 

Praxishinweis

Der Rezensionsfall macht deutlich, dass die Beibehaltung der Franchisestruktur vor dem Verlust der Unternehmensidentität nicht schützt. Für den BFH war entscheidend, dass die A-KG wegen der Entfernung beider Standorte bis auf den Marktleiter die gesamte Arbeitnehmerschaft ausgetauscht hat, der Kundenkreis ein anderer ist und der gesamte Warenbestand des alten Markts nebst Anlagevermögen verwertet wurde. Die bloße Beibehaltung der vorhandenen Franchisestruktur im Rahmen eines neuen Markts reicht daher für die Unternehmensidentität i.S. von § 10a GewStG nicht aus. Vielmehr ist davon auszugehen, dass in solchen Fällen ein Standortwechsel typischerweise nicht in Gestalt einer bloßen Betriebsverlegung durchgeführt werden kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 7.11.2006, VIII R 30/05

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