Leitsatz

Fehlende Reaktionen auf bereits eingetretene hohe Verluste und das unveränderte Beibehalten eines verlustbringenden Geschäftskonzepts sind gewichtige Beweisanzeichen für die fehlende Gewinnerzielungsabsicht. An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen.

 

Sachverhalt

S betätigte sich in den Streitjahren 1992 bis 1996 als Möbeleinzelhändlerin. Das Geschäftslokal und die davon räumlich getrennten Ausstellungs- und Lagerräume hatte sie von ihrem Ehemann gemietet, der zugleich ihr einziger Arbeitnehmer war. S erzielte seit 1983 ununterbrochen Verluste. Ab 1999 unterhält sie keine Lagerräume mehr. Die Kunden suchen seitdem Möbel nach Prospekten und Katalogen aus. Im November 1999 löste sie das Arbeitsverhältnis mit ihrem Ehemann. Finanzamt und -gericht erkannten die Verluste in den Streitjahren mangels Gewinnerzielungsabsicht nicht mehr an. Die Revision hatte Erfolg; der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zurück.

 

Entscheidung

Die bisherigen Feststellungen des FG reichen für die Entscheidung, ob die streitigen Verluste aus privaten Neigungen und Motiven in Kauf genommen wurden, nicht aus.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH lässt bei Tätigkeiten, die typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet sind, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen, allein das Erzielen langjähriger Verluste noch nicht den Schluss auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht zu. Vielmehr muss bei längeren Verlustperioden aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt. Allerdings ist bei langjährigen Verlusten das Unterlassen geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen im Hinblick auf das darin liegende nicht marktgerechte Verhalten als gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu werten. An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz überwiegender Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind deshalb in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen.

Das FG wird bei der erneuten Verhandlung u.a. der Frage nachzugehen haben, ob familiäre Gründe die Steuerpflichtige zur Fortführung ihres Unternehmens bewogen haben, z.B. preisgünstiger Krankenversicherungsschutz für den Arbeitnehmer-Ehegatten, Abziehbarkeit der Arbeitgeberbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung des Ehemanns als Betriebsausgaben und Fortführung des Unternehmens aus Gründen der Familientradition.

 

Praxishinweis

Das Besprechungsurteil liegt auf der Linie der ständigen, durch den Großen Senats eingeleiteten Rechtsprechung des BFH[1], wonach bei Tätigkeiten, die nicht in der Nähe zum Hobbybereich angesiedelt sind, das Erzielen langjähriger Verluste für sich allein noch keinen zwingenden Schluss auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht zulässt (sog. subjektiver Liebhabereibegriff). Hat der Steuerpflichtige diesen langjährigen Verlusten aber nicht durch betriebswirtschaftlich sinnvolle (Umstrukturierungs-)Maßnahmen entgegengewirkt, ist die Schwelle für die Feststellung solcher privater Motive nach dem Besprechungsurteil relativ niedrig anzusetzen.

Dem ist m. E. zuzustimmen: Hat jemand – wenn auch in einem typischen "Brotberuf" – langjährige hohe Verluste erwirtschaftet, ohne aus diesem Umstand ökonomisch vernünftige Konsequenzen zu ziehen, nämlich entweder das verlustträchtige Engagement zu beenden oder Erfolg versprechende Umstrukturierungs- oder Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen, so liegt in diesem nicht marktgerechten Verhalten ein gewichtiges Beweisanzeichen dafür, dass er die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen in Kauf nimmt.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 17.11.2004, X R 62/01

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