1 Zweck der Regelung

 

Rz. 1

Eines der zentralen Anliegen des Gesetzgebers im Kontext der Genossenschaftsnovelle 2006 gründete in dem Bemühen, die Bedingungen der Kapitalbeschaffung und -erhaltung zugunsten der Genossenschaften zu verbessern und es auch denjenigen Genossenschaften, die in Zukunft nach den internationalen Rechnungslegungsstandards IAS bilanzieren werden, zu ermöglichen, ihre Geschäftsguthaben weiterhin im Hinblick auf IAS 32 als Eigenkapital auszuweisen. Zwar weist die Genossenschaft im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften (AG und GmbH) kein gesetzliches Mindestkapital auf, doch soll ihr die (Neu-) Regelung des § 8 a ermöglichen, in der Satzung ein Mindestkapital festzusetzen, das nicht unterschritten werden darf. Trifft die Satzung eine entsprechende Regelung, so ist die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens ausgesetzt, solange durch die Auszahlung das Mindestkapital unterschritten würde (§§ 8 a Abs. 2, 73 Abs. 2 S. 1). Der Genossenschaft eröffnet sich hierdurch die Möglichkeit, ihre Kreditfähigkeit zum Teil erheblich zu verbessern (Regierungsbegründung BT-Drucks. 16/1025 zu Nr. 10 – § 8 a). Insofern korrespondiert die Regelung hinsichtlich ihrer Funktion in gewisser Weise mit der Beschränkung des Abfindungsanspruchs gem. § 73 Abs. 4 (vgl. dort). Ebenso wie dort dürfte die Einführung einer entsprechenden Satzungsregelung wegen der möglichen Beeinträchtigung des Auseinandersetzungsanspruchs (§ 73 Abs. 2 S. 1) nicht nur eine erhebliche Überzeugungsarbeit gegenüber den (Alt-) Mitgliedern erforderlich machen, sondern zugleich auch die Werbung von Neumitgliedern deutlich erschweren; zumal die Auseinandersetzungsregelungen des GenG wegen des Ausschlusses der Beteiligung am Firmenwert und den stillen Reserven (§ 73 Abs. 2 S. 3) ohnehin schon deutlich hinter den Vorgaben des Kapitalgesellschaftsrechts zurückbleiben. Insofern gilt es bei der Festsetzung des Mindestkapitals sicherzustellen, dass die aus den durchschnittlich zu erwartenden Mitgliederbewegungen folgenden Abfindungsansprüche grundsätzlich bedient werden können. Weitergehende Abfindungsbeschränkungen kommen allenfalls in der (Liquiditäts-) Krise der Genossenschaft zur Vermeidung einer Insolvenz bzw. im Rahmen einer Sanierungsvereinbarung oder im Zusammenhang mit einem Insolvenzplan in Betracht.

2 Eigenkapitalausweis nach IAS 32

 

Rz. 2

Kapitalmarktorientierte Unternehmen unter Einbeziehung von Genossenschaften, die zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind und für die bis zum jeweiligen Bilanzstichtag die Zulassung eines Wertpapiers im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 WpHG zum Handel an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG im Inland beantragt worden ist, haben ihren Konzernabschluss gem. § 315 a Abs. 2 HGB nach den internationalen Rechnungslegungsstandards IAS (International Accounting Standards) und IFRS (International Financial Reporting Standards) aufzustellen. Dies schließt auch den IAS Standard 32 über Ausweis- und Anhangsangaben für Finanzinstrumente ein, der zugleich Kriterien für den Eigen- oder Fremdkapitalcharakter von Finanzinstrumenten enthält. In Übereinstimmung mit IAS 32.18 (b) sind Geschäftsanteile von Genossenschaften wegen der – unabdingbaren – Befugnis der Mitglieder, ihre Mitgliedschaft durch Kündigung zu beenden (§§ 65 ff.) und des mit dem Ausscheiden verbundenen Abfindungsanspruchs (§ 73 Abs. 2 S. 2) grundsätzlich als Fremdkapital auszuweisen und zwar unabhängig des Umstandes, ob die Kündigungsbefugnis ausgeübt wurde und wie das Abfindungsguthaben zu berechnen ist, bzw. wie die Kündigungsfristen ausgestaltet sind (Leuschner/Weller WPg 2005, S. 261 ff., 264; Spanier/Weller, ZfG 2004, S. 269 ff., 272; Bauer § 8 a RN 4). Eine Ausnahme besteht im Lichte der im Rahmen der EU verbindlichen Auslegungsgrundsätze (siehe hierzu ABl. EU 2005 Nr. L 175/3) des International Financial Reporting Interpretation Committee (IFRIC) nur unter der Voraussetzung,

a) dass der eG ein uneingeschränktes Recht zukommt, die Rückzahlung zu verweigern, beispielsweise durch einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt des Vorstands oder der Generalversammlung gem. § 73 Abs. 4 (siehe hierzu IFRIC 2.7) bzw.
b) soweit der Umfang des Abfindungsanspruchs der ausscheidenden Mitglieder aufgrund eines gesetzlich oder durch die Satzung bestimmten Mindestkapitals beispielsweise nach Maßgabe von § 8 a beschränkt ist (siehe hierzu IFRIC 2.8 und 2.9).
 

Rz. 3

Angesichts des Fehlens entsprechender Gestaltungsmöglichkeiten im (bisherigen) Genossenschaftsgesetz entsprach es dem Anliegen der Genossenschaftsnovelle 2006, durch die Einführung der Regelungen des § 8 a sowie des § 73 Abs. 4 über die Stärkung der Kreditfähigkeit der genossenschaftlichen Unternehmen hinaus, den Eigenkapitalausweis der Geschäftsguthaben auch dort zu ermöglichen, wo die Genossenschaft – sei es aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder in fakultativer Weise – nach Maßgabe der IAS/IFRS bilanziert.

3 Festsetzung des Mindestkapitals

 

Rz. 4

Die – nachträgliche – Einführung eines Mindestkapitals kann ausschließlich im Wege einer Satzungsänderung durch einen (qua...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt WohnungsWirtschafts Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen