Leitsatz (amtlich)

Ist der Steuerpflichtige als Grundstückseigentümer Inhaber eines dinglichen Rechts an einem Nachbargrundstück, dessen Bebaubarkeit dadurch eingeschränkt wird, und verzichtet er gegen Entgelt endgültig auf dieses Recht, so gehört das Entgelt nicht zu den Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist als Rechtsnachfolger seines verstorbenen Vaters Eigentümer eines Grundstücks. Nach einer Eintragung im Servitutenbuch durfte der Stall des Nachbargrundstücks "dicht" an das heute dem Kläger gehörende Grundstück "angebaut" werden. Dafür hatte sich der Eigentümer des Nachbargrundstücks verpflichtet, diesen Bau nie zu erhöhen und keine Änderungen vorzunehmen, die das Lichtrecht des dem Kläger gehörenden Grundstücks beeinträchtigen. Nach einem Rechtsstreit schloss der Eigentümer des Nachbargrundstücks mit dem Vater des Klägers eine Vereinbarung, nach der dieser sich gegen Zahlung von 200 000 DM verpflichtete, keine Einwendungen mehr gegen einen geplanten Neubau auf dem Nachbargrundstück zu erheben und auf zivilrechtliche Ansprüche zu verzichten. Das Finanzamt erfasste das Entgelt als Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab[1]. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt.

 

Entscheidungsgründe

Ist der Steuerpflichtige als Grundstückseigentümer Inhaber eines dinglichen Rechts an einem Nachbargrundstück, dessen Bebaubarkeit dadurch eingeschränkt wird, und verzichtet er gegen Entgelt endgültig auf dieses Recht, so gehört das Entgelt nicht zu den Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG. Es handelt sich um eine nicht steuerbare private Vermögensumschichtung. Das Recht am Nachbargrundstück steht zwar nur dem Steuerpflichtigen als Grundstückseigentümer zu und kann nicht losgelöst von seinem Grundstück übertragen werden. Es handelt sich aber um eine vermögenswerte Rechtsposition, die - über das Eigentum am eigenen Grundstück hinaus - ein zusätzliches dingliches Recht am Nachbargrundstück umfasst und dessen Bebauung beschränkt. Dieses dingliche Recht am Nachbargrundstück, das gesondert begründet und aufgehoben werden kann, ist ein selbständiges Wirtschaftsgut, dessen Aufgabe gegen Entgelt einen veräußerungsähnlichen Vorgang darstellt.

Ein solches dingliches Recht am Nachbargrundstück ergibt sich im Streitfall aus der Eintragung im Servitutenbuch. Das Servitut ist eine nach gemeinem Recht entstandene Grunddienstbarkeit, die seinerzeit durch formlosen Vertrag begründet werden konnte. Sie ist nach dem InKraft-Treten des BGB mit ihrem früheren Inhalt und Rang bestehen geblieben; für ihre Ausübung gelten nunmehr die Vorschriften der §§ 1020 bis 1028 BGB[2].

Die dem Vater des Klägers in Bezug auf das Nachbargrundstück zustehende Grunddienstbarkeit zur Begrenzung der Bauhöhe stellte, auch wenn sie nicht für sich allein übertragbar war, ein eigenständiges Wirtschaftsgut dar, das der Vater des Klägers in seiner Substanz endgültig aufgegeben hat. Das Finanzamt wendet dagegen zu Unrecht ein, das Servitut bestehe fort, weil die entsprechenden Eintragungen nicht gelöscht oder berichtigt worden seien. Der zwischen dem Vater des Klägers und dem Eigentümer des Nachbargrundstücks schriftlich vereinbarte Verzicht auf etwaige dem Bauvorhaben entgegenstehende zivilrechtliche Ansprüche umfasste auch die - formfrei mögliche - Aufgabeerklärung hinsichtlich des Servi-tuts[3]. Die Aufgabe dieser einen eigenständigen Vermögenswert bildenden Rechtsposition war endgültig. Mithin liegt eine Vermögensumschichtung vor, die nicht unter § 22 Nr. 3 EStG fällt.

Dadurch, dass der Vater des Klägers gegen Entgelt auf die Grunddienstbarkeit am Nachbargrundstück verzichtet und damit eine "abtrennbare Rechtsposition" aufgegeben hat, unterscheidet sich der Streitfall von anderen durch den BFH beurteilten Fallgestaltungen, in denen der Steuerpflichtige sich verpflichtet hatte, sein eigenes Grundstück in bestimmter Weise zu nutzen oder eine bestimmte Nutzung zu dulden[4].

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 19.12.2000 - IX R 96/97

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