1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist seit Inkrafttreten des SGG im Wesentlichen unverändert geblieben. Lediglich durch Gesetz vom 10.8.1965 (BGBl. I S. 735) wurde Abs. 3 um die Worte "oder einen Sonnabend" ergänzt.

"Frist" ist im Gegensatz zum Termin jeder begrenzte und bestimmte Zeitraum, mit dem ein Zeitpunkt gemeint ist (Hommel, in: Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl., 10/2010, § 64 Anm. 1). Die Norm bezieht sich auf die den Beteiligten für Prozesshandlungen vorgegebenen eigentlichen Fristen (echte Fristen). Das sind gesetzliche und richterlich gesetzte Fristen. Zu den gesetzlichen Fristen rechnet z. B. die Klageerhebungsfrist (§ 87), die Wartefrist nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG (hierzu ausführlich Frehse, S. 1156 ff.) oder die Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG (hierzu Frehse, S. 1166 ff.). Zu den richterlich gesetzten Fristen zählt z. B. die Äußerungsfrist (§ 104 Satz 3). Die Dauer der gesetzlichen Frist wird vom Gesetz, die der richterlichen Frist vom Richter bestimmt. Gesetzliche Fristen lassen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu, richterliche Fristen können verlängert werden (Hommel, in: Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 64 Anm. 1). Materiell-rechtliche Fristen sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, nach §§ 183 ff. BGB zu berechnen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, § 64 Rn. 2). Die Norm erfasst nicht die uneigentliche Fristen; das sind solche, die dem Gericht die Vornahme einer Amtshandlung vorgeben (vgl. BSG, Beschluss v. 17.2.2009, B 2 U 189/08 B, SozR 4-1750 § 547 Nr. 2).

2 Rechtspraxis

2.1 Fristbeginn

 

Rz. 2

Gesetzliche Fristen beginnen nach Maßgabe der jeweiligen Norm (hierzu Frehse, S. 1157). Richterliche Fristen beginnen nach der getroffenen Anordnung, Zustellung, Eröffnung oder Verkündung. Ist allerdings eine Zustellung vorgeschrieben, setzt eine Verkündung oder Eröffnung die Frist nicht in Lauf. Der Tag, in welchen das für den Fristenablauf maßgebende Erereignis fällt, bleibt außer Betracht (Hommel, in: Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 64 Anm. 2). So beginnt die Frist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG mit dem Eingang der Verzögerungsrüge als Ereignis beim Ausgangsgericht am Folgetag um 0.00 Uhr (hierzu Frehse, S. 1157). Soweit eine Zustellung vorgeschrieben ist, beginnt der Lauf der Frist mit dem Tag nach der Zustellung, unabhängig davon, ob es sich hierbei um einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend handelt. Ansonsten beginnt der Lauf der Frist mit dem Tag nach der Eröffnung, d. h. der mündlichen oder schriftlichen Mitteilung oder der Verkündung, d. h. der formellen mündlichen Bekanntgabe in einem Termin. Die Verkündung setzt ebenso wie die Eröffnung die Frist nur in Gang, wenn das Gesetz nicht darüber hinaus noch die Zustellung vorsieht. Kommt es bei einer schriftlichen Bekanntgabe auf den Zugang an, ist wie für den Zugang von Willenserklärungen maßgeblich, wann das Schriftstück so in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass unter normalen Umständen mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden konnte.

Die wirksame Zustellung der Entscheidung (Urteil, Gerichtsbescheid, Beschluss), der Lauf der Frist für die Einlegung des Rechtsmittels und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung richten sich bei einem blinden Rechtsmittelführer nicht allein nach dem SGG. Ein Verstoß gegen z. B. § 4 Abs. 2 der Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Personen im gerichtlichen Verfahren (Zugänglichmachungsverordnung – ZMV) v. 26.2.2007 (BGBl. I S. 215), zuletzt gändert durch Art. 20 des Gesetzes v. 10.10.2013 (BGBl. I S. 3786), führt dazu, dass die Jahresfrist (§ 66 Abs. 2) maßgeblich und ggf. Wiedereinsetzung (§ 67) zu gewähren ist (BSG, Urteil v. 3.3.2009, B 1 KR 69/08 B, SozR 4-1500 § 160a Nr. 23).

 

Rz. 3

Ein schriftlicher Verwaltungsakt gilt bei der Übermittlung durch die Post im Inland auch dann am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, wenn dieser Tag auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt (BSG, Urteil v. 6.5.2010, B 14 AS 12/09 R, NJW 2011 S. 1099; hierzu Rieker, ASR 2011, 16 und jurisPR-SozR 22/2010 Anm. 6; a. A. BFH, Urteil v. 14.10.2003, IX R 68/98, BFHE 203, 26). Bei einem Zugang des Verwaltungsaktes nach dem dritten Tage gilt die Fiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X hingegen nicht (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X; vgl. auch BSG, Urteil v. 19.3.1957, 10 RV 609/56, BSGE 5, 53). Entsprechendes ist maßgebend, wenn sich aus den Behördenakten nicht der Tag der Aufgabe zur Post ergibt (BSG, Urteil v. 3.3.2009, B 4 AS 37/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 15; BSG, Urteil v. 28.11.2006, B 2 U 33/05 R, BSGE 97, 279). Hat eine Behörde die förmliche Zustellung gewählt, sind nach § 85 Abs. 3 Satz 2 SGG die §§ 2 bis 10 VwZG anzuwenden. An die Stelle der Bekanntgabe tritt für den Beginn der Klagefrist die Zustellung des Widerspruchsbescheides nach dem VwZG. Die Vermutung der Zustellung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 HS 1 VwZG greift auch dann ein, wenn der für die Zustellung maßgebende dritte Tag nach der Aufgabe zur Post auf einen Sonnabend, Sonntag od...

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