Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung des Verbrauchergerichtsstands. Verschulden bei Vertragsschluss wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Schadensersatz. Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit. Vertragliche Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstands. Abweichung nach Abschluss der Vereinbarung bei Streitigkeiten. Zusätzliche Klagemöglichkeiten. Erbringung einer Dienstleistung. Werbung. Zuständigkeitsbegründung durch rügelose Einlassung in die Klageerwiderung
Leitsatz (amtlich)
a) Für die Begründung des Verbrauchergerichtsstands gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I ist es nicht erforderlich, dass die Initiative zur Unterbreitung eines Angebots vom Unternehmer ausgegangen ist. Die Bestimmung lässt es genügen, dass dem Verbraucher vor dem Vertragsabschluss ein Angebot unterbreitet worden ist, ohne danach zu differenzieren, auf wessen Veranlassung dies geschehen ist.
b) Das auf Verschulden bei Vertragsschluss wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten gestützte Schadensersatzbegehren kann als Klage "aus" einem Vertrag i.S.d. Art. 13 Abs. 1 LugÜ I zu qualifizieren sein, sofern es zu einem Vertragsabschluss zwischen den Parteien gekommen ist.
Normenkette
Lugano-Übk I Art. 13 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 823 Abs. 2; KWG § 32; LugÜ Art. 14 Abs. 1 Alt 2, Art. 15, 18 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Teilurteil des 5. Zivilsenats des OLG München vom 28.5.2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die in München wohnhafte Klägerin nimmt die Beklagten, Gesellschaften mit Sitz in Zürich, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Vermögensverwaltungsverträgen und einem Hedgefondsgeschäft auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Die Beklagte zu 1) und die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2) (nachfolgend: Beklagte zu 2)) boten die Verwaltung fremder Vermögen gegen Entgelt an. Die Beklagte zu 3) legte den Fonds "P. Focus Hedge 125 %" (nachfolgend: Focus Fonds) auf, dessen Laufzeitende auf Dezember 2013 bestimmt ist. Mit Vertrag vom 24.2.2003 beauftragte sie die Beklagte zu 1) mit dem Vertrieb ihrer Produkte. Die Beklagte zu 4) ist eine Schweizer Bank. Keine der Beklagten verfügte über eine Erlaubnis nach § 32 Kreditwesengesetz.
Rz. 3
Die Klägerin war von ihrem langjährigen Vermögensberater S. auf die von der Beklagten zu 1) angebotene Vermögensverwaltung und den von der Beklagten zu 3) aufgelegten Fonds hingewiesen worden. Am 4.3.2004 bevollmächtigte sie die Beklagte zu 1), sie gegenüber der Beklagten zu 4) bei der Verwaltung ihrer "dort deponierten Vermögenswerte" zu vertreten. Zugleich unterzeichnete sie einen "Letter of Intent", in dem sie "unwiderruflich" "Focus Notes 125 %" "zeichnete", den zur Investition überwiesenen Betrag mit 155.000 EUR angab, die Beklagte zu 1) zur Investion gemäß ihrer gewählten Strategie beauftragte und ihr die "aktive Vermögensverwaltung" übertrug. Außerdem wies sie die Beklagte zu 1) an, die Versendung der für eine Kontoeröffnung bei der Beklagten zu 4) erforderlichen Unterlagen an sie zu veranlassen. Die Beklagte zu 4) übersandte der Klägerin daraufhin per Post einen Konto- und Depotführungs- sowie einen Kreditrahmenvertrag, die die Klägerin am 22.3.2004 in München unterschrieb und an die Beklagte zu 4) zurücksandte.
Rz. 4
Die Beklagte zu 1) zeichnete in der Folge für die Klägerin Beteiligungen an dem genannten Fonds, nachdem diese insgesamt 142.673,71 EUR in Teilbeträgen von 5.034,49 EUR am 30.4.2004, 30.962,51 EUR am 7.5.2004 und 106.676,71 EUR am 10.5.2004 auf ihr Konto bei der Beklagten zu 4) eingezahlt hatte. Zusätzlich gewährte die Beklagte zu 4) der Klägerin Kredite i.H.v. 121.000 EUR, 310.000 EUR und 272.000 EUR zum Erwerb weiterer Fondsanteile.
Rz. 5
Im November 2005 kündigte die Klägerin den Vermögensverwaltungsvertrag mit der Beklagten zu 1). Sie übertrug der Beklagten zu 2) die Verwaltung ihres Depots bei der Beklagten zu 4) und bevollmächtigte sie entsprechend. Die hierfür notwendigen Formulare hatte die Beklagte zu 2) der Klägerin per Post nach München übersandt, wo die Klägerin sie am 28.11.2005 unterzeichnete; die Beklagte zu 2) zeichnete am 16.1.2006 in der Schweiz gegen.
Rz. 6
Die Verträge mit der Beklagten zu 1), zu 2) und zu 4) enthielten jeweils Klauseln, wonach alle Rechtsbeziehungen mit der Klägerin dem Schweizer Recht unterstehen und Erfüllungsort ebenso wie ausschließlicher Gerichtsstand Zürich sein sollten.
Rz. 7
Am 5.7.2007 kündigte die Klägerin ihre Beteiligung. Ihr wurde ein Betrag i.H.v. 53.160,10 EUR ausgezahlt. Mit ihrer auf Verstöße gegen das Kreditwesengesetz, verschwiegene Rückvergütungen und Prospekthaftung gestützten Klage macht sie die Differenz zum Anlagebetrag i.H.v. 142.673,71 EUR, d.h. 89.513,61 EUR, nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend.
Rz. 8
Das LG hat die Beklagte zu 1) im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt, die Klage gegen die Beklagte zu 2) als unzulässig und die Klage gegen die Beklagten zu 3) und 4) als unbegründet abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte zu 1) Berufung eingelegt. Nachdem über das Vermögen der Beklagten zu 1) das Konkursverfahren eröffnet worden ist, hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin durch Teilurteil zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren gegen die Beklagten zu 2) bis 4) weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 9
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in WM 2010, 1463 veröffentlicht ist, hält die Klagen gegen die Beklagten zu 2) bis 4) für nicht zulässig, weil die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gegeben sei. Die Klagen seien - ihre Zulässigkeit unterstellt - aber auch unbegründet.
Rz. 10
1. Für die Klage gegen die Beklagte zu 2) könne sich die Klägerin nicht auf einen deliktischen Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16.9.1988 (LugÜ I) berufen. Dieser Gerichtsstand setze voraus, dass das schädigende Ereignis in Deutschland eingetreten sei oder dort einzutreten drohe. Bei Abschluss des Vertrags mit der Beklagten zu 2) habe sich das angeblich geschädigte Vermögen jedoch bereits bei der Beklagten zu 4) in der Schweiz befunden. Jedenfalls aber sei der deliktische Gerichtsstand wirksam derogiert. Der Wirksamkeit der zwischen den Parteien geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung stehe das Derogationsverbot in Verbrauchersachen gem. Art. 15 LugÜ I nicht entgegen. Dem Vertragsschluss sei keine Werbung und kein ausdrückliches Angebot i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I vorausgegangen. Die Zusendung des Vertragsformulars sei lediglich als Aufforderung zur Abgabe eines Vertragsangebots anzusehen, was für die Annahme von Werbemaßnahmen im Sinne der genannten Bestimmung nicht genüge. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund, dass der Vermögensberater der Klägerin, der ihrem Lager zuzurechnen sei, aktiv nach einem neuen Vermögensverwalter gesucht und sich zu diesem Zweck an die Beklagte zu 2) gewandt habe. Jedenfalls aber gelte das Derogationsverbot des Art. 15 LugÜ I nicht für die auf deliktische Anspruchsgrundlagen gestützte Klage gegen die Beklagte zu 2).
Rz. 11
Die Klage gegen die Beklagte zu 2) sei auch unbegründet. Die Klägerin habe nicht schlüssig vorgetragen, weshalb die Beklagte zu 2) für eine vor ihrem Eintreten getroffene Anlageentscheidung haften solle.
Rz. 12
2. Für die Klage gegen die Beklagte zu 3) sei die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ebenfalls nicht gegeben. Der deliktische Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 LugÜ I komme nicht in Betracht, da der Schadensort in der Schweiz gelegen sei. Die Klage wäre auch unbegründet. Die Beklage zu 3) habe einer Erlaubnis nach § 32 KWG nicht bedurft, da sie keine Tätigkeit in Deutschland entfaltet habe. Für etwaige Prospekthaftungsansprüche, die als vertragliche Ansprüche anzusehen seien, fehle ein deutscher Gerichtsstand, weil der Vermögensberater der Klägerin in die Schweiz gereist sei und ihm der Prospekt dort hätte übergeben werden müssen. Ansprüche aus Prospekthaftung habe die Klägerin auch erst in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz geltend gemacht, so dass ihr Vorbringen gem. § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen sei. Etwaige vertragliche Aufklärungspflichten seien in der Schweiz zu erfüllen gewesen, so dass für diesbezügliche Schadensersatzansprüche die dortigen Gerichte zuständig seien. Abgesehen davon sei das Vorbringen der Klägerin durch die Einwendung der Beklagten zu 4) entkräftet worden, bei den Zahlungen an die Beklagte zu 1) habe es sich nicht um Rückvergütungen sondern um das Entgelt für deren Verwaltungstätigkeit gehandelt. Ansprüche wegen sittenwidriger Schädigung durch Verschweigen der aus der Fremdfinanzierung des Anteilserwerbs resultierenden Risiken bestünden ebenfalls nicht, weil die Klägerin den Nachweis schuldig geblieben sei, dass die Beklagte zu 3) von dieser Gestaltung gewusst habe.
Rz. 13
3. Auch für die Klage gegen die Beklagte zu 4) sei die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gegeben. Der Wirksamkeit der geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung stehe das Derogationsverbot des Art. 15 LugÜ I nicht entgegen, da es gegenüber deliktischen Ansprüchen nicht gelte. Abgesehen davon würden Verträge zur Finanzierung von Wertpapierkäufen von Art. 13 LugÜ I nicht erfasst. Aus Art. 5 Nr. 3 LugÜ I könne eine Zuständigkeit nicht hergeleitet werden, da es an einem Schadensort in Deutschland fehle.
Rz. 14
Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet. Die Beklagte zu 4) habe keine eigenen Aufklärungspflichten verletzt. Umstände, die ausnahmsweise eine Aufklärungspflicht des Kreditgebers über die Risiken aus der geplanten Kreditverwendung nach sich zögen, lägen nicht vor. Eine Verpflichtung zur Aufklärung über Innenprovisionen habe ihr nicht oblegen. Jedenfalls sei das Vorbringen der Klägerin durch die Einwendung der Beklagten zu 4) entkräftet worden, bei den Zahlungen an die Beklagte zu 1) habe es sich nicht um Rückvergütungen sondern um das Entgelt für deren Verwaltungstätigkeit gehandelt. Die Tätigkeit der Beklagten zu 4) sei auch nicht nach § 32 KWG erlaubnispflichtig gewesen; die bloße Versendung der Vertragsunterlagen genüge hierfür nicht.
II.
Rz. 15
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die deutschen Gerichte für die gegen die Beklagten zu 2) bis 4) erhobenen Klagen international zuständig.
Rz. 16
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz zu prüfen ist (vgl. BGH, Urt. v. 2.3.2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rz. 7; v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, WM 2010, 2163 Rz. 8), nach dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - geschlossen in Lugano am 16.9.1988 - (LugÜ I) bestimmt. Dieses ist in Deutschland am 1.3.1995 und in der Schweiz am 1.1.1992 in Kraft getreten (BGBl. II 1995, 221) und findet gem. Art. 54b Abs. 2 Buchst. a LugÜ I mit Vorrang vor dem nationalen Prozessrecht Anwendung (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 9; BGH, Urt. v. 21.11.1996 - IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127, 133; Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl., Vorb. EG-Verordnungen, Rz. 13). Die Regeln über die internationale Zuständigkeit im Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (LugÜ II) sind im Streitfall noch nicht anwendbar, da die Klage erhoben wurde, bevor dieses Übereinkommen am 1.1.2010 für die Europäische Gemeinschaft in Kraft trat (BGBl. I 2009, 2862; Art. 63 Abs. 1 LugÜ II).
Rz. 17
Die Auslegung des Lugano Übereinkommens I obliegt den deutschen Gerichten. Eine Auslegungszuständigkeit des EuGH besteht nicht (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2008 - VI ZR 69/07, BGHZ 176, 342 Rz. 9; v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, WM 2010, 2163 Rz. 10; EuGH, Gutachten vom 7.2.2006 - C-1/03 - Slg. 2006 I, 1145, Rz. 19). Es gelten im Wesentlichen dieselben Auslegungsgrundsätze wie für die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 (EuGVÜ), da sich die Unterzeichnerstaaten zu einer möglichst einheitlichen Auslegung der Bestimmungen beider Abkommen verpflichtet haben (vgl. Präambel und Art. 1 des Protokolls Nr. 2 über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens; BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O.; EuGH, Gutachten vom 7.2.2006 - C-1/03 -, a.a.O.; BAG, Urt. v. 20.8.2003 - 5 AZR 45/03, NZA 2004, 58, 61). Dabei ist zu beachten, dass die im Übereinkommen verwendeten Begriffe grundsätzlich autonom, d.h. ohne Rückgriff auf die lex fori oder lex causae auszulegen sind, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um die einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2008 - VI ZR 69/07, a.a.O., Rz. 11; v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 13; vgl. zum EuGVÜ: EuGH, Urt. v. 11.7.2002 - Rs. C-96/00, Slg. 2002 S. I-6367, Gabriel, Rz. 37; vom 20.1.2005 - Rs. C-27/02, Slg. 2005 S. I-499, Engler, Rz. 33).
Rz. 18
2. Für das von der Klägerin in der Revisionsinstanz gegen die Beklagte zu 2) allein weiterverfolgte Schadensersatzbegehren aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1 Alt. 2 LugÜ I (Zuständigkeit für Verbrauchersachen).
Rz. 19
a) Der Anwendung dieser Bestimmungen steht nicht entgegen, dass die Parteien in dem zwischen ihnen zustande gekommenen Vermögensverwaltungsvertrag als ausschließlichen Gerichtsstand Zürich vereinbart haben. Denn gem. Art. 15 LugÜ I kann von den Vorschriften über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen im Wege der Vereinbarung nur dann abgewichen werden, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird, dem Verbraucher lediglich zusätzliche Klagemöglichkeiten eröffnet oder die Gerichte des Staates für zuständig erklärt, in dem beide Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Rz. 20
b) Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1 Alt. 2 LuGÜ I kann ein Verbraucher eine Klage aus einem Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung vor den Gerichten des Vertragsstaates erheben, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, sofern dem Vertragsabschluss in diesem Staat ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b). Unter einem Verbraucher ist dabei gem. Art. 13 Abs. 1 LugÜ I eine Person zu verstehen, die zu einem Zweck tätig wird, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
Rz. 21
c) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
Rz. 22
aa) Die Klägerin hat den Vermögensverwaltungsvertrag mit der Beklagten zu 2) als Verbraucherin i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I abgeschlossen. Der Vertrag diente der Anlage und Verwaltung ihres privaten Vermögens und kann deshalb nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden.
Rz. 23
bb) Der Vermögensverwaltungsvertrag ist als Vertrag i.S.d. Art. 13 Abs. 1 LugÜ I zu qualifizieren. Art. 13 Abs. 1 LugÜ erfasst nur solche Verträge, in denen die Parteien synallagmatische Verpflichtungen eingegangen sind (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 14; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 15 Rz. 25 zur inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ: EuGH, Urteile vom 11.7.2002, a.a.O., Gabriel, Rz. 49; vom 20.1.2005, a.a.O., Engler, Rz. 34). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da sich die Klägerin zur Zahlung eines Entgelts für die von der Beklagten zu 2) zu erbringenden Leistungen verpflichtet hat.
Rz. 24
cc) Der Vertrag war auf die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet. Der Begriff der "Erbringung einer Dienstleistung" in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I ist in Anlehnung an Art. 5 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 (BGBl. II 1986, 810, nachfolgend: EVÜ) weit auszulegen (vgl. Schweizerisches BG, BGE 133 III 295 Ziff. 8.1; BGH, Urt. v. 26.10.1993 - XI ZR 42/93, BGHZ 123, 380, 385; EuGH, Urt. v. 11.7.2002 - Rs. C-96/00 -, a.a.O., Gabriel, Rz. 42; Geimer in Geimer/Schütze, a.a.O., Rz. 45; Senff, Wer ist Verbraucher im internationalen Zivilprozess?, 2001, S. 258). Er schließt Dienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, Werk- und Werklieferungsverträge sowie Geschäftsbesorgungsverhältnisse ein und erfasst damit alle Verträge, in denen dem Verbraucher - wie im Streitfall - eine tätigkeitsbezogene Leistung versprochen wird (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1993 - XI ZR 42/93, BGHZ 123, 380, 385; v. 19.3.1997 - VIII ZR 316/96, BGHZ 135, 124, 130 f.; v. 13.12.2005 - XI ZR 82/05, BGHZ 165, 248, 253).
Rz. 25
dd) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind auch die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b LugÜ I erfüllt.
Rz. 26
(1) Die beiden spezifischen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b LugÜ I sollen gewährleisten, dass eine enge Verbindung zwischen dem fraglichen Vertrag und dem Staat besteht, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Sie erfassen die Fälle, in denen der Unternehmer in Form von Werbung oder Angeboten Schritte unternommen hat, um seine beweglichen Sachen oder Dienstleistungen in dem Land zu verkaufen, in dem sich der Verbraucher aufhält (vgl. zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ: EuGH, Urteil vom 11.7.2002, a.a.O., Gabriel, Rz. 41 ff.).
Rz. 27
(2) Der Begriff "Werbung" i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a LugÜ I umfasst alle Formen der Werbung in dem Vertragsstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, unabhängig davon, ob sie allgemein verbreitet oder unmittelbar an den Empfänger gerichtet wird (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 14; vgl. zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ: EuGH, Urteil vom 11.7.2002, a.a.O., Gabriel, Rz. 44). Der Begriff "ausdrückliches Angebot" ist nicht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen. Er setzt kein Vertragsangebot gem. § 145 BGB voraus, sondern erfasst auch eine invitatio ad offerendum (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 17; Geimer in Geimer/Schütze, a.a.O., Rz. 51; Teuber, Die internationale Zuständigkeit bei Verbraucherstreitigkeiten, 2003, S. 36; Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 2007, S. 153, jeweils m.w.N.; vgl. zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ: vgl. EuGH, Urteile vom 11.7.2002, a.a.O., Gabriel, Rz. 52; vom 20.1.2005, a.a.O., Engler, Rz. 36).
Rz. 28
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist es nicht erforderlich, dass die Initiative zur Unterbreitung eines Angebots vom Unternehmer ausgegangen ist. Eine solche Voraussetzung sieht Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I nicht vor. Die Bestimmung lässt es genügen, dass dem Verbraucher vor dem Vertragsabschluss ein Angebot unterbreitet worden ist, ohne danach zu differenzieren, auf wessen Veranlassung dies geschehen ist. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I über den Wortlaut hinaus auf die Fälle, in denen der Unternehmer dem Verbraucher von sich aus ein Angebot übermittelt hat, stände im Widerspruch zu dem mit der Vorschrift verfolgten Ziel, dem Verbraucher als dem gegenüber seinem beruflich oder gewerblich handelnden Kontrahenten wirtschaftlich schwächeren und rechtlich weniger erfahrenen Vertragspartner einen angemessenen Schutz zu sichern (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Darmon vom 27.10.1992 - Rs. C-89/91, Slg. 1993 I-00139, Shearson Lehmann Hutton, Rz. 83 ff.; EuGH, Urteile vom 11.7.2002, a.a.O., Gabriel, Rz. 39; vom 20.1.2005, a.a.O., Engler, Rz. 39). Der enge Inlandsbezug zwischen dem abgeschlossenen Vertrag und dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers, den die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b LugÜ I gewährleisten sollen, ist auch dann gegeben, wenn dem im Wohnsitzstaat des Verbrauchers abgegebenen Angebot des Unternehmers eine Kontaktaufnahme durch den Verbraucher vorausgegangen ist. Im Interesse eines effizienten Verbraucherschutzes erfasst Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I deshalb auch die Fälle, in denen der Verbraucher die Initiative ergriffen und den Unternehmer um Übersendung eines Angebots oder von Informationsmaterial gebeten hat (vgl. Geimer in Schütze/Geimer, a.a.O., A I Art. 15 Rz. 55; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Art. 13 EuGVÜ Rz. 10; Schlosser, FS Steindorff (1990), S. 1379, 1385 f.; a.A. Hausmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., Anh. I § 40 Art. 13, Rz. 18).
Rz. 29
(3) Mit "zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen" i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b LugÜ I ist jede schriftliche Rechtshandlung und jeder andere Schritt des Verbrauchers in seinem Wohnsitzstaat gemeint, in denen sein Wille, der Aufforderung des Gewerbetreibenden Folge zu leisten, zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 14; vgl. zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ: EuGH, Urteil vom 11.7.2002, a.a.O., Gabriel, Rz. 45).
Rz. 30
(4) Nach diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b LugÜ I zu bejahen. Durch die Übersendung der Vertragsunterlagen nach München hat die Beklagte zu 2) der Klägerin in deren Wohnsitzstaat ein ausdrückliches Angebot im Sinne der genannten Bestimmung unterbreitet. Dieser Beurteilung steht - wie unter dd) (2) ausgeführt - nicht entgegen, dass der Kontakt zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf die Initiative der Klägerin, nämlich deren aktive Suche nach einem geeigneten Vermögensberater, zurückzuführen ist. Mit der Unterzeichnung eines Angebots zum Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrags in München hat die Klägerin auch in ihrem Wohnsitzstaat die von ihrer Seite "zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen" vorgenommen.
Rz. 31
ee) Das von der Klägerin in der Revisionsinstanz allein weiterverfolgte Begehren aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG ist auch als Klage "aus" einem Vertrag i.S.d. Art. 13 Abs. 1 LugÜ I zu qualifizieren (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 24 ff.). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Einordnung als deliktischer Anspruch i.S.d. Art. 5 Nr. 3 LugÜ I berücksichtigt nicht, dass die im Übereinkommen verwendeten Begriffe autonom auszulegen sind (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2008 - VI ZR 69/07, a.a.O., Rz. 11; v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 13, 24; vgl. zum EuGVÜ: EuGH, Urt. v. 11.7.2002 - Rs. C-96/00, Slg. 2002 S. I-6367, Gabriel, Rz. 37; vom 20.1.2005 - Rs. C-27/02, Slg. 2005 S. I-499, Engler, Rz. 33).
Rz. 32
(1) Für die Begründung des Verbrauchergerichtsstands gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I ist nicht die Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs im engeren Sinne erforderlich. Vielmehr genügt es, dass sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 23; EuGH, Urteile vom 11.7.2002, a.a.O., Gabriel, Rz. 38, 56; vom 14.5.2009 - Rs. C-180/06 - Slg. 2009 I-3961, Ilsinger, Rz. 44, 52, 56). Diese Beurteilung wird durch die englische und französische Sprachfassung des Art. 13 LugÜ I bestätigt, die wesentlich umfassender formuliert sind als die deutsche Fassung und in denen es statt "Klagen aus einem Vertrag" "in proceedings concerning a contract" bzw. "en matière de contrat" heißt. Dies entspricht auch dem Zweck der Bestimmung, wonach der Verbraucher als der wirtschaftlich schwächere und rechtlich weniger erfahrene Vertragspartner geschützt werden soll und ihm der Entschluss zur gerichtlichen Wahrnehmung seiner Rechte nicht dadurch erschwert werden darf, dass er bei den Gerichten des Staates klagen muss, in dessen Hoheitsgebiet sein Vertragspartner seine Niederlassung hat (vgl. zum Brüsseler Abkommen EuGH, Urt. v. 19.1.1993 - Rs. 89/91 - Slg. 1993 S. 139, Shearson Lehmann Hutton, Rz. 18). Dagegen bezieht sich Art. 5 Nr. 3 LügU I nur auf alle nicht an einen Vertrag anknüpfenden Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird (vgl. EuGH, Urt. v. 27.10.1998 - Rs. C-51/97, Slg. 1998 S. I-6511, Réunion européenne, Rz. 22; vom 11.7.2002, a.a.O., Gabriel, Rz. 33; vom 20.1.2005, Engler, Rz. 29; Oberhammer in Dasser/Oberhammer, Kommentar zum Lugano - Übereinkommen (LugÜ), 2008, Art. 5 Rz. 19 f.; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht (Bearb. 2011) Art. 5 Brüssel I-VO, Rz. 78).
Rz. 33
(2) Im Streitfall weist der geltend gemachte Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG die für die Bejahung des Verbrauchergerichtsstands erforderliche enge Verbindung zu dem mit der Beklagten zu 2) abgeschlossenen Vertrag auf. Die Klägerin nimmt ihren Vertragspartner mit der Begründung auf Ersatz des ihr infolge der vereinbarten Verwaltungstätigkeit angeblich entstandenen Vermögensschadens in Anspruch, dass jener den Vertrag aufgrund eines gegen ihn gerichteten gesetzlichen Verbots nicht habe abschließen dürfen. Das Klagebegehren kann vom Vertrag nicht getrennt werden.
Rz. 34
3. Für die gegen die Beklagte zu 3) erhobene Klage ergibt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte jedenfalls aus Art. 18 Satz 1 LugÜ I.
Rz. 35
a) Nach Art. 18 LugÜ I wird ein Gericht eines Vertragsstaats, sofern es nicht bereits nach anderen Vorschriften des Übereinkommens zuständig ist, zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt, ohne den Mangel der Zuständigkeit zu rügen, und keine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit begründet ist. Von einer Einlassung auf das Verfahren ist auszugehen, wenn der Beklagte die Zuständigkeitsrüge nicht spätestens in der Stellungnahme erhebt, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist (vgl. zu der inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 18 EuGVÜ: BGH, Urt. v. 18.9.2001 - IX ZB 75/99, NJW-RR 2002, 1357, 1358; EuGH, Urt. v. 24.6.1981 - Rs. C-150/80 - Slg. 1981 S. I 01671, Elefanten Schuh, Rz. 15 f.; OLG Düsseldorf, JR 1991, 243, 244; OLG Frankfurt, IPRax 2000, 525; OLG Hamm, RIW 1999, 540; Geimer in Geimer/Schütze, a.a.O., A1 Art. 24 Rz. 50 m.w.N.). Vor den deutschen Zivilgerichten ist danach im Gegensatz zu § 39 ZPO keine Einlassung zur Hauptsache erforderlich; zuständigkeitsbegründend ist bereits eine rügelose Einlassung in der Klageerwiderung (OLG Düsseldorf, JR 1991, 243, 244; OLG Frankfurt, IPRax 2000, 525; OLG Hamm, RIW 1999, 540; OLG Rostock OLGReport Rostock 2006, 271, 272 f.; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., VO (EG) 44/2001 Art. 24 Rz. 3; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., Art. 24 EuGVO Rz. 7; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. Art. 24 EG-VO Rz. 5; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar zum EuGVO, 9. Aufl., Art. 24 EuGVO Rz. 7, 15).
Rz. 36
b) Nach diesen Grundsätzen sind die deutschen Gerichte jedenfalls mit Eingang der Klageerwiderung der Beklagten zu 3) zuständig geworden. In dieser hat die Beklagte zu 3) Einwendungen in der Sache erhoben, ohne die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu beanstanden. Eine anderweitige ausschließliche Zuständigkeit gem. Art. 16 LugÜ I besteht nicht. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz erhobene Rüge vermochte die bereits begründete Zuständigkeit nicht zu beseitigen.
Rz. 37
4. Für das von der Klägerin in der Revisionsinstanz gegen die Beklagte zu 4) weiterverfolgte Schadensersatzbegehren aus Verschulden bei Vertragsschluss und aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1 Alt. 2 LugÜ I. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin und die Beklagte zu 4) in den zwischen ihnen zustande gekommenen Verträgen als ausschließlichen Gerichtsstand Zürich vereinbart haben. Denn die Voraussetzungen für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung in Verbrauchersachen gem. Art. 15 LugÜ I sind nicht gegeben (vgl. dazu die Ausführungen unter Ziff. 2. a).
Rz. 38
a) Die Klägerin hat sowohl den Konto- und Depotführungsvertrag als auch den Kreditvertrag als Verbraucherin abgeschlossen. Sie handelte ausschließlich zu privaten Zwecken. Die Verträge dienten der Anlage und Verwaltung ihres privaten Vermögens und können deshalb nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden. Eine andere Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Beklagten zu 4) nicht deshalb geboten, weil die Klägerin in Hedgefondsanteile investiert hat und dadurch Gewinn erzielen wollte. Denn nach der Definition des Verbrauchers in Art. 13 Abs. 1 LugÜ gilt die Bestimmung für alle Verträge, die eine Person ohne Bezug zu einer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen abschließt (vgl. EuGH, Urt. v. 21.6.1978 - Rs. C-150/77, Slg. 1978 S. I-1431, Bertrand, Rz. 16; Urt. v. 3.7.1997 - Rs. C-269/95, Slg. 1997 S. I-3767, Benincasa, Rz. 18). Auf das Bestehen oder Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Darmon, Rs. C-89/91, Slg. 1993 I-139, Shearson Lehmann Hutton, Rz. 77; Senff, a.a.O., S. 259 f.).
Rz. 39
b) Die zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 4) abgeschlossenen Verträge sind auch als Verträge i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I zu qualifizieren. Sie enthalten synallagmatische Verpflichtungen und sind auf die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet. Sowohl in dem auf die Einrichtung und Führung eines Kontos abzielenden Zahlungsdienstrahmenvertrag als auch in dem auf die Verwahrung und Verwaltung der Fondsanteile gerichteten Depotvertrag (vgl. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 9 Rz. 7) hat die Beklagte zu 4) der Klägerin tätigkeitsbezogene Leistungen gegen Entgelt versprochen. Es kann dahinstehen, ob auch Kreditverträge als Verträge über die Erbringung einer Dienstleistung i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I anzusehen sind (verneinend: der Bericht der Kommission Schlosser zu Art. 13 EuGVÜ, ABl. EG vom 5.3.1979, Nr. C 59 Nr. 157; Loacker, Der Verbrauchervertrag im internationalen Privatrecht, 2006, S. 122; Martiny in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 6. Aufl., Rz. 808 jeweils m.w.N.; bejahend: Hoffmann/Primaczenko, WM 2007, 189, 190 f.; Mankowski, RIW 2006, 321, 322 ff.; Gaudemet-Tallon, Revue critique du droit international privé 2001, S. 143, 146; Kropholler/von Hein, a.a.O., Art. 15 Rz. 20; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 15 EuGVVO Rz. 7; MünchKomm/ZPO/Gottwald, 2. Aufl., Art. 13 EuGVÜ Rz. 7; Cour d'appel de Colmar, ZIP 1999, 1209, 1210 mit Anmerkung Reich; Cour d'appel de Versailles, RIW 1999, 884). Denn Kreditverträge fallen jedenfalls dann unter Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I, wenn sie zu anderen auf die Erbringung von Dienstleistungen gerichteten Verträgen in engem Zusammenhang stehen und die Dienstleistungen insgesamt nicht nur als untergeordnete Nebenleistungen anzusehen sind (vgl. Schweizerisches Bundesgericht, BGE 133 III 295 Ziff. 8.1; vgl. auch BGH, Urt. v. 19.3.1997 - VIII ZR 316/96, a.a.O.; v. 13.12.2005 - XI ZR 82/05, a.a.O., jeweils zu dem auf Art. 5 EVÜ zurückgehenden Art. 29 EGBGB). So verhält es sich im Streitfall. Der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 4) zustande gekommene Kreditvertrag war eng mit dem Konto- und Depotführungsvertrag verknüpft, über den die Darlehensgewährung, die Verwendung der Darlehensmittel und die Verwaltung der Fondsanteile abgewickelt wurde. Die Beklagte zu 4) hatte der Klägerin ein "Leistungspaket" zur Verfügung gestellt, in dem dienstvertragliche Pflichten erhebliches Gewicht hatten.
Rz. 40
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert eine Qualifikation des Kontoführungs- und Depotvertrags und des Kreditvertrags als Vertrag i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I auch nicht daran, dass es sich bei den mit den Kreditmitteln erworbenen Fondsanteilen um Wertpapiere handelte (vgl. zur Rechtsnatur verbriefter Fondsanteile: Schweizerisches Bundesgericht, BGE 132 III 186 S. 193). Das Berufungsgericht übersieht, dass vorliegend nicht die Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 LugÜ I, sondern die des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I in Frage steht. Die Bestimmungen in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 LugÜ I knüpfen an den Kauf beweglicher Sachen an und erfassen deshalb den (kreditfinanzierten) Kauf von Wertpapieren nicht (vgl. Kroppholler/von Hein, a.a.O., Art. 15 EuGVO Rz. 17; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., § 3 Rz. 116; vgl. zu Art. 5 EVÜ: Bericht von Giuliano/Lagarde BT-Drucks. 10/503, 55). Dies steht jedoch einer Qualifikation des abgeschlossenen Kontoführungs- und Depotvertrags und des damit in engem Zusammenhang stehenden Kreditvertrags als Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung mit besonderem Inlandsbezug i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I nicht entgegen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Darmon Rs. C-89/91, a.a.O., Shearson Lehmann Hutton, Rz. 75 ff.; Kroppholler/von Hein, a.a.O., Art. 15 EuGVO Rz. 20).
Rz. 41
c) Auch die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) und b) LugÜ I sind erfüllt. Durch die Übersendung der Vertragsunterlagen nach München hat die Beklagte zu 4) der Klägerin in deren Wohnsitzstaat ein ausdrückliches Angebot im Sinne der genannten Bestimmung unterbreitet. Mit der Unterzeichnung der Vertragsunterlagen in München hat die Klägerin in ihrem Wohnsitzstaat die von ihrer Seite zum Abschluss der Verträge erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen.
Rz. 42
d) Sowohl das auf Verschulden bei Vertragsschluss wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten als auch das auf einen Verstoß gegen das Kreditwesengesetz gestützte Schadensersatzbegehren sind als Klage "aus" einem Vertrag i.S.d. Art. 13 Abs. 1 LugÜ I zu qualifizieren.
Rz. 43
aa) Wie unter 2. c) ee) ausgeführt, genügt es für die Begründung des Verbrauchergerichtsstands gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 LugÜ I, dass sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 159/09, a.a.O., Rz. 23; EuGH, Urteile vom 11.7.2002, a.a.O., Gabriel, Rz. 38, 56; vom 14.5.2009 - Rs. C-180/06 - Slg. 2009 I-3961, Ilsinger, Rz. 44, 52, 56). Diese Voraussetzung wird in Fällen, in denen es zu einem Vertragsabschluss zwischen den Parteien gekommen ist und der Kläger Schadensersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten begehrt, regelmäßig zu bejahen sein (vgl. zu Art. 5 EuGVÜ/EuGVVO: EuGH, Urt. v. 14.5.2009 - Rs. C-180/06 - Slg. 2009 S. I-3961, Ilsinger, Rz. 44, 52, 56; vom 17.9.2002 - C-334/00, Tacconi, Slg. 2002, S. I-7357 Rz. 22; Mankowski, IPRax 2003, 127, 133 ff.; Kropholler/von Hein, a.a.O., Art. 5 Rz. 18; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht (Bearb. 2001) Art. 5 Brüssel I - VO Rz. 27; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Anh. I § 40 Art. 5 EuGVVO Rz. 5; Schmidt, Europäisches Zivilprozessrecht 2004, Rz. 84; Hausmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., Art. 5 EuGVÜ Rz. 8; Martiny, FS Geimer 2002, S. 641, 653 f.). Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Die Klägerin nimmt ihre Vertragspartnerin mit der Begründung auf Schadensersatz in Anspruch, dass diese ihr vor Abschluss der Verträge zusätzliche Informationen hätte erteilen müssen, um die mit den Verträgen verbundenen Risiken und Belastungen besser einschätzen und den Abschluss der Verträge überdenken zu können. Dieses Begehren kann von den Verträgen nicht getrennt werden.
Rz. 44
bb) Nichts anderes gilt für den Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz. Auch er kann von den zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 4) geschlossenen Verträgen nicht getrennt werden. Die Klägerin nimmt ihre Vertragspartnerin auf Ersatz des an sie transferierten und zum Fondanteilskauf verwendeten Geldbetrages in Anspruch, weil diese die Verträge aufgrund eines gegen sie gerichteten gesetzlichen Verbots nicht habe abschließen dürfen.
III.
Rz. 45
Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann mangels der erforderlichen Feststellungen nicht gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die vom Berufungsgericht hilfsweise gemachten Ausführungen zur Begründetheit der Klage gelten als nicht geschrieben und sind vom Revisionsgericht nicht zu beachten (BGH, Urt. v. 10.12.1953 - IV ZR 48/53, BGHZ 11, 222, 224; v. 25.11.1966 - V ZR 30/64, BGHZ 46, 281, 284 f.; v. 7.6.1990 - III ZR 216/89, NJW 1990, 2125, 2126; Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 563 Rz. 23, jeweils m.w.N.). Verneint das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage, so darf das Revisionsgericht auf die Begründetheit der Klage nur dann eingehen, wenn das Berufungsurteil im Übrigen einen Sachverhalt ergibt, der für die rechtliche Beurteilung eine verwertbare tatsächliche Grundlage bietet, und bei Zurückverweisung ein anderes Ergebnis nicht möglich erscheint. Diese Voraussetzung ist z.B. erfüllt, wenn der Klagevortrag in jeder Richtung unschlüssig ist und auch durch weiteres Parteivorbringen nicht schlüssig gemacht werden kann (BGH, Urt. v. 14.3.1978 - VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031; BGH, Urt. v. 10.10.1991 - IX ZR 38/91, VersR 1992, 762, 763; v. 29.9.1993 - VIII ZR 107/93, NJW-RR 1994, 175, 176; Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 563 Rz. 23).
Rz. 46
Eine derartige Fallgestaltung ist vorliegend nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat schon nicht geklärt, welches Recht auf die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisse Anwendung findet. Hierzu bestand schon deshalb Anlass, weil die Beklagten ausländische Unternehmen sind und die Klägerin ihre Ersatzansprüche auf den Erwerb einer Beteiligung an dem von der Beklagten zu 3) in der Schweiz aufgelegten Fonds stützt. Zwar wäre - wie das Berufungsgericht ohne die Frage zu erörtern angenommen hat - deutsches Recht anwendbar, wenn die Parteien im Laufe des Rechtsstreits nachträglich eine entsprechende stillschweigende und wirksame Rechtswahlvereinbarung gem. Art. 27 Abs. 2 Satz 1, Art. 42 EGBGB in der bis 16.12.2009 geltenden Fassung getroffen hätten. Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht aber nicht getroffen.
Rz. 47
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Umstand, dass die Parteien und die Vorinstanzen übereinstimmend von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgehen, den Anforderungen an eine nachträgliche Rechtswahl nicht ohne Weiteres genügt (vgl. BGH, Urt. v. 19.1.2000 - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002; v. 30.10.2008 - I ZR 12/06, NJW 2008, 1205 Rz. 19 m.w.N.). Zwar kann es für die Annahme einer nachträglichen konkludenten Rechtswahl ausreichen, wenn die Vertragsparteien im Prozess deutlich auf eine bestimmte Rechtsordnung Bezug nehmen oder diese ihren rechtlichen Ausführungen zugrunde legen. Zumindest für eine die ursprünglich geltende Rechtsordnung abändernde Rechtswahl bedarf es aber eines dahingehenden beiderseitigen Gestaltungswillens (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1990 - VIII ZR 332/89, NJW 1991, 1292, 1293; v. 30.10.2008 - I ZR 12/06, a.a.O.).
Rz. 48
Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, sich mit den in den Rechtsmittelschriften vorgebrachten Einwendungen gegen seine Beurteilung der Begründetheit der Klagen auseinanderzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 2718869 |
BGHZ 2012, 28 |
DB 2011, 8 |
NJW 2011, 2809 |
EBE/BGH 2011 |
ZIP 2011, 1382 |
ZIP 2011, 5 |
EuZW 2011, 723 |
IPRax 2013, 168 |
MDR 2011, 1198 |
RIW 2011, 636 |
WRP 2011, 1183 |
GWR 2011, 367 |
PA 2011, 163 |
ZBB 2011, 294 |