Leitsatz (amtlich)

a) Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Art. 29 EGBGB ist dessen Anwendung auf die genannten Vertragstypen beschränkt und eine Analogie insoweit nicht zulässig.

b) Zwingende Normen i.S.d. Art. 34 EGBGB sind Bestimmungen, die beanspruchen, einen Sachverhalt mit Auslandsberührung ohne Rücksicht auf das jeweilige Vertragsstatut zu regeln. Diese Voraussetzung erfüllen nur Vorschriften, die nicht nur dem Schutz und Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragsparteien und damit reinen Individualbelangen dienen, sondern daneben zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgen.

c) Das deutsche Verbraucherkreditgesetz zählt danach nicht zu den zwingenden Vorschriften des Art. 34 EGBGB, da es dem Schutz des einzelnen Verbrauchers dient, während Belange der Allgemeinheit nur reflexartig mitgeschützt werden.

 

Normenkette

EGBGB Art. 29, 34

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 17.02.2005; Aktenzeichen 12 U 169/03)

LG Berlin (Urteil vom 08.05.2003; Aktenzeichen 9 O 421/02)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des KG in Berlin vom 17.2.2005 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine in der Schweiz ansässige Bank, nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte, ein in Deutschland lebender Steuerberater, nahm, vermittelt durch die S. OHG bzw. die U. GmbH (nachfolgend: Vermittler), mit Vertrag vom 1.2.1991 bei der Klägerin einen Kredit über 101.466 CHF (= 117.778 DM) zu 7,125 % Zinsen "während der ersten Laufzeit des Kredites" bei einer Auszahlung von 90 % auf, um ein seinerseits der Wohnungsbau-... (W., heute: I.) gem. § 17 BerlinFördG gewährtes Darlehen (sog. "Berlin-Darlehen") über 100.000 DM zu finanzieren. Gleichzeitig schloss der Beklagte eine Kapitallebensversicherung ab und trat seine Ansprüche daraus sowie aus dem Berlin-Darlehen sicherungshalber an die Klägerin ab. In dem formularmäßigen Kreditvertrag heißt es u.a.:

"3. Die Kreditlaufzeit beträgt 10 Jahre ab Auszahlungsdatum, d.h. bis zum 31.12.2000.

8.1 Sofern vor Ablauf der Vertragsdauer nicht schriftlich eine Verlängerung dieses Vertrages oder ein neuer Vertrag abgeschlossen wird, wird der Kredit bei Fälligkeit (gem. Ziff. 3 Kreditlaufzeit) ohne weitere Kündigung in einem Betrag zum Nominalwert von 100 % zur Rückzahlung fällig. ...

9.1 Die Bank erklärt sich bereit, den Kredit nach dessen Ablauf um eine weitere Periode von bis zu 5 Jahren zu verlängern ...

9.2 ... Die Bank behält sich zum Zeitpunkt der Verlängerung des Kredits allfällige Änderungen des Vertrages (insb. der Zinskonditionen) vor.

14. Dieser Vertrag unterliegt Schweizerischem Recht. ..."

Am 19.12.2000 bot die Klägerin dem Beklagten unter Hinweis auf die unmittelbar bevorstehende Fälligkeit des Darlehens eine Vertragsverlängerung zu einem Zinssatz von 8,7 % p.a. bei sonst unveränderten Kreditkonditionen für fünf Jahre an und verlangte gleichzeitig die Zahlung rückständiger Zinsen i.H.v. 1.454,90 CHF. Nachdem die Klägerin ihn in der Folgezeit wiederholt ergebnislos an die Unterzeichnung ihres Angebots erinnert hatte und trotz mehrerer Mahnungen weitere Zinsrückstände aufgelaufen waren, kündigte sie im September 2001 das Darlehen und verwertete anschließend die sicherungshalber abgetretene Kapitallebensversicherung.

Der Beklagte hält den Darlehensrückzahlungsanspruch mangels wirksamer Kündigung des Kreditvertrages nicht für fällig. Überdies hat er ggü. der Klageforderung mit der Begründung aufgerechnet, dass der Darlehensvertrag den strengen Anforderungen des deutschen Verbraucherkreditgesetzes nicht genüge und wegen der daraus resultierenden Ermäßigung des vereinbarten Zinssatzes auf 4 % p.a. eine Überzahlung von insgesamt 63.990,99 DM vorliege.

Das LG hat der Klage unter Berücksichtigung von Zahlungen der I. auf das Darlehenskonto und des Verwertungserlöses aus der Kapitallebensversicherung i.H.v. 107.096,54 CHF abzgl. am 18.11.2002 gezahlter 29.547,81 CHF zzgl. Zinsen und Mahnkosten stattgegeben sowie die auf Ersatz des durch die vorzeitige Kündigung der Kapitallebensversicherung entstandenen Schadens gerichtete Feststellungswiderklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage unter Berücksichtigung von Beträgen, die die Klägerin aus dem an sie abgetretenen Berlin-Darlehen erhalten hat, i.H.v. 19.556,19 CHF nebst Zinsen stattgegeben, i.H.v. 28.325,56 CHF die Erledigung der Hauptsache festgestellt und die erweiterte Widerklage abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht - zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seine Klageabweisungs- und Widerklageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der Darlehensvertrag der Parteien unterliege aufgrund der Rechtswahlklausel in Ziff. 14 der Geschäftsbedingungen schweizerischem Recht. Die Rechtswahl sei auch unter Berücksichtigung der Art. 29 und 34 EGBGB wirksam. Der von der Klägerin gewährte Kredit gehöre nicht zu den in Art. 29 EGBGB genannten Vertragstypen. Nach dem Vertragsinhalt diene er nicht der Finanzierung einer Waren- oder Dienstleistung, deren Empfänger der Beklagte als Verbraucher gewesen sei. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheide aus, da der Gesetzgeber keine umfassende kollisionsrechtliche Schutznorm beabsichtigt habe. Das deutsche Verbraucherkreditgesetz sei auch nicht gem. Art. 34 EGBGB anwendbar. Zwar falle die Kreditvergabe nach deutschem Recht in den Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes, auch sei der erforderliche Inlandsbezug wegen der im Inland erfolgten Kreditvermittlung gegeben. Die Regelungen des Verbraucherkreditgesetzes seien aber nicht zwingend i.S.d. Art. 34 EGBGB, weil sie primär die individuellen Interessen des Verbrauchers schützten, während der auf internationaler Ebene maßgebliche Schutz der Gemeinwohlinteressen in den Hintergrund trete. Der in Art. 120 des Schweizer Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) normierte Rechtswahlausschluss komme schon deshalb nicht zum Tragen, weil es sich bei dem von den Parteien geschlossenen Darlehensvertrag nicht um einen solchen über Leistungen des "üblichen Verbrauchs" im Sinne dieser Vorschrift handele.

In der Sache habe das LG die Darlehensrückzahlungsforderung der Klägerin unter Zugrundelegung des maßgebenden schweizerischen Rechts zu Recht für fällig erachtet und einen Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen Verwertung der sicherungshalber übertragenen Kapitallebensversicherung verneint. Da der gewährte Kredit befristet und die zehnjährige Laufzeit verstrichen sei, komme es auf die Wirksamkeit der Kündigung nicht entscheidend an. Mangels Annahme eines Verlängerungsangebotes der Klägerin zum Zinssatz von 8,7 % p.a. sei der Vertrag auch nicht in modifizierter Form fortgesetzt worden und der Sicherungsfall wegen des Zahlungsverzuges des Beklagten eingetreten. Sofern Ziff. 9 der Geschäftsbedingungen dem Beklagten ein einseitiges Optionsrecht auf eine Vertragsverlängerung einräume, sei dieses nicht ausgeübt worden. Außerdem sei die Klausel gem. Art. 18 OR dahin auszulegen, dass die Klägerin sich lediglich zur Abgabe eines Verlängerungsangebots zu einem marktüblichen Zinssatz verpflichtet habe. Dieser Pflicht sei sie nachgekommen, da sie von dem säumigen Beklagten hinsichtlich der Zinsen einen Risikozuschlag von 3 % habe fordern dürfen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

1. Rechtsfehlerfrei ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass gegen die uneingeschränkte Wirksamkeit der formularmäßigen Rechtswahlklausel über die Geltung schweizerischen Rechts für den Darlehensvertrag der Parteien keine Bedenken bestehen. Art. 29, 34 EGBGB ändern daran nichts; eine Rückverweisung nach Art. 120 des Schweizer Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) kommt nicht in Betracht (Art. 35 EGBGB).

a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 29 EGBGB sind, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht gegeben.

aa) Der Begriff der "Erbringung von Dienstleistungen" i.S.d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB ist zwar nach dessen Schutzzweck weit auszulegen. Er umfasst tätigkeitsbezogene Leistungen aufgrund von Dienst-, Werk-, Werklieferungs- und Geschäftsbesorgungsverträgen (BGH v. 26.10.1993 - XI ZR 42/93, BGHZ 123, 380 [385]; v. 19.3.1996 - VIII ZR 316/96, BGHZ 135, 124 [130 f.] = MDR 1997, 630). Notwendig ist aber, dass die Leistung ggü. dem Vertragsgegner als Verbraucher erbracht wird (BGH v. 26.10.1993 - XI ZR 42/93, BGHZ 123, 380 [385]; vgl. auch Art. 5 Abs. 1 des EG-Übereinkommens vom 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, EuSchVÜ, BGBl. 1986 II, 809 [813], der Art. 29 EGBGB zugrunde liegt). Das ist hier nicht der Fall.

(1) Vortrag, dass die Klägerin im Rahmen des Darlehensvertrages vom 1.2.1991 für den Beklagten eine "Dienstleistung" gem. Art. 29 EBGBG erbringen sollte, die nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (BGH v. 19.3.1996 - VIII ZR 316/96, BGHZ 135, 124 [131] = MDR 1997, 630), fehlt. Der zwischen dem Beklagten und der W. geschlossene Vertrag über das sog. "Berlin-Darlehen", dessen Finanzierung der bei der Klägerin aufgenommene Kredit diente, ist nicht auf eine tätigkeitsbezogene Leistung an den Beklagten als Verbraucher gerichtet. Die W. schuldet ihm lediglich die Rückzahlung des "Berlin-Darlehens".

(2) Ein durch die Kreditvergabe der Klägerin finanzierter Dienstleistungsvertrag i.S.d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB liegt - anders als die Revision meint - auch nicht in der Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Vermittler der Kapitalanlage. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser für seine Leistungen aus dem streitgegenständlichen Darlehen ganz oder teilweise entlohnt werden sollte. Dagegen spricht, dass die Klägerin nach Ziff. 5.2 des Kreditvertrages den gesamten Nettokreditbetrag direkt an die W. zu überweisen hatte.

(3) Das von der Klägerin gewährte Darlehen ist nach dem Konzept der Initiatoren zwar fester Bestandteil des dem "Berlin-Darlehen" zugrunde liegenden steuersparenden Kapitalanlage- und Steuersparmodells. Dieser Umstand reicht aber - worauf das Berufungsgericht zu Recht hingewiesen hat - für sich genommen nicht aus, um die verschiedenen Einzelverträge nach dem maßgebenden Willen der Vertragsschließenden als eine einheitliche Dienstleistung i.S.d. Art. 29 Abs. 1 EGBGB anzusehen. Dass dabei wesentlicher Prozessstoff außer Acht gelassen wurde, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

bb) Auch eine entsprechende Anwendung des Art. 29 EGBGB kommt nicht in Betracht.

(1) Der BGH (BGH v. 19.3.1996 - VIII ZR 316/96, BGHZ 135, 124 [133 ff.] = MDR 1997, 630) hat eine analoge Anwendung bereits für den Fall abgelehnt, dass weder das konkrete Rechtsgeschäft zu den in Art. 29 Abs. 1 EGBGB aufgeführten Vertragstypen gehört noch ein Inlandsbezug nach den Nrn. 1 bis 3 vorliegt. Wie sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm ergibt, ist sie als Ausnahme von Art. 27, 28 EGBGB unabhängig von dem Inlandsbezug des konkreten Falles einer Analogie auf andere als die genannten Vertragstypen nicht zugänglich (Martiny in MünchKomm/BGB/EGBGB, 4. Aufl., Art. 29 Rz. 14; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2004, Einl. zu §§ 491 ff. Rz. 51; Staudinger/Magnus, BGB, EGBGB, 13. Bearb., Art. 29 Rz. 28, 45; Gößmann in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/410; v. Westphalen in v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, VerbrKrG, 2. Aufl., Anh. § 1 Rz. 21; Gerfried Fischer in FS für Großfeld, S. 277, 283 f.; Backert, Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz im Mosaik der Sonderanknüpfungen des deutschen internationalen Schuldvertragsrechts, S. 149-152; a.A. Baumert, Europäischer ordre public und Sonderanknüpfung zur Durchsetzung von EG-Recht, S. 228; Moritz, WuB IV B., Art. 29 EGBGB 1.98).

(2) Zwar stand der Verbraucherschutz in Deutschland und in Europa bei Abschluss des EuSchVÜ im Jahre 1980 sowie der Inkorporation in das EGBGB von 1986 noch am Anfang (Gerfried Fischer in FS für Großfeld, S. 280; Moritz, WuB IV B., Art. 29 EGBGB 1.98). Die detaillierte Aufzählung der einzelnen Vertragstypen in Art. 29 EGBGB zeigt aber, dass der Gesetzgeber die Rechtswahlfreiheit zum Schutz der wirtschaftlich schwächeren Partei nur in bestimmten Fallkonstellationen beschränken und damit eine Entscheidung gegen einen allumfassenden kollisionsrechtlichen Verbraucherschutz treffen wollte (Backert, Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz im Mosaik der Sonderanknüpfungen des deutschen internationalen Schuldvertragsrechts, S. 152; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2004, Einl. zu §§ 491 ff. Rz. 51). Nimmt man hinzu, dass die Verbraucherschutzregelung des Art. 5 Abs. 1 EuSchVÜ anlässlich der Übereinkommen vom 18.5.1992 über den Beitritt von Spanien und Portugal sowie vom 29.11.1996 über den Beitritt von Österreich, Finnland und Schweden zum EuSchVÜ nicht geändert wurde, obwohl Österreich eine Erweiterung ihres Anwendungsbereichs vorgeschlagen hatte (Erläuternder Bericht zu dem Beitrittsübereinkommen 97/C 191/02, ABl. EG Nr. C 191/11 vom 23.6.1997), so deutet nichts auf eine für eine entsprechende Anwendung des Art. 29 EGBGB erforderliche Regelungslücke hin.

cc) Die von der Revision in diesem Zusammenhang angeregte, im Ermessen des Senats stehende Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gem. Art. 2 des Ersten Brüsseler Protokolls betreffend die Auslegung des am 19.6.1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (BGBl. 1995 II, 916) ist nicht veranlasst. Da der Darlehensvertrag der Parteien vom 1.2.1991 bereits vor In-Kraft-Treten des EuSchVÜ am 1.4.1991 (s. Fundstellennachweis B zu BGBl. II 2000, 599) geschlossen wurde, unterliegt er - trotz des Gebotes der einheitlichen Auslegung (Art. 36 EGBGB) - gem. Art. 17 EuSchVÜ ausschließlich den Vorschriften des EGBGB.

b) Eine Anwendung des deutschen Verbraucherkreditgesetzes ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht aus Art. 34 EGBGB herzuleiten.

aa) Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aus einem generellen Vorrang des Art. 29 EGBGB ggü. Art. 34 EGBGB (Mankowski, RIW 1993, 453 [460 ff.]; Ebke, IPRax 1998, 263 [268 f.]; Junker, IPRax 2000, 65 [71]). Ein derartiger Vorrang ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn Art. 29 Abs. 1 EGBGB - wie hier - keine Anwendung findet und somit keine Ausschlusswirkung entfalten kann (BGH v. 19.3.1996 - VIII ZR 316/96, BGHZ 135, 124 [135] = MDR 1997, 630).

bb) Indessen ist den Regelungen des deutschen Verbraucherkreditgesetzes hier, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht der für Verträge mit Auslandsberührung notwendige zwingende Schutzcharakter beizumessen.

(1) Ob es sich bei dem deutschen Verbraucherkreditgesetz um zwingende Vorschriften i.S.d. Art. 34 EGBGB handelt, wird von einem Teil der Literatur verneint (Martiny in MünchKomm/BGB/EGBGB, 4. Aufl., Art. 34 Rz. 112; Sonnenberger in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., Einl. IPR Rz. 57, 62; Spickhoff in Bamberger/Roth, BGB, EGBGB, Art. 34 Rz. 13, 22; Kropholler, Internationales Privatrecht, 5. Aufl., S. 494; Kreuzer/Wagner in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Rz. R 158; Freitag in Leible, Das Grünbuch zum Internationalen Vertragsrecht, S. 167, 178 f.), von einem anderen bejaht (Erman/Hohloch, BGB, EGBGB, 11. Aufl., Art. 34 Rz. 15; Soergel/v. Hoffmann, BGB, EGBGB, 12. Aufl., Art. 34 Rz. 61; v. Westphalen in v. Westphalen/Emmerich/v. Rottenburg, VerbrKrG, 2. Aufl., Anh. § 1 Rz. 26; Bülow, EuZW 1993, 435 [437]; Gerfried Fischer in FS für Großfeld, S. 286; Roth, RIW 1994, 275 [278]). Der erkennende Senat, der die Streitfrage bislang offen gelassen hat (BGH, Urt. v. 3.11.1998 - XI ZR 346/97, WM 1998, 2463), schließt sich jedenfalls für den Fall, dass der in Rede stehende Darlehensvertrag zwar von dem deutschen Verbraucherkreditgesetz, nicht aber von der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. EG Nr. L 42/48 vom 12.2.1987, "Verbraucherkreditrichtlinie") erfasst wird, der erstgenannten Ansicht an.

(2) Zwingende Normen i.S.d. Art. 34 EGBGB sind Bestimmungen, die beanspruchen, einen Sachverhalt mit Auslandsberührung ohne Rücksicht auf das jeweilige Vertragsstatut zu regeln. Nicht alle nach deutschem Recht zwingenden Vorschriften sind zugleich gem. Art. 34 EGBGB unabdingbar (BAGE 100, 130 [139]; Martiny in MünchKomm/BGB/EGBGB, 4. Aufl., Art. 34 Rz. 8). Fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des allumfassenden Geltungsanspruchs einer Norm, so ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob sie nach ihrem Sinn und Zweck ohne Rücksicht auf das nach den sonstigen Kollisionsnormen anzuwendende Recht eines anderen Staates international gelten soll (BAGE 63, 17 [25]; BAGE 80, 84 [92]; BAGE 100, 130 [139]; Martiny in MünchKomm/BGB/EGBGB, 4. Aufl., Art. 34 Rz. 9, 127; Staudinger/Magnus, BGB, EGBGB, 13. Bearb., Art. 34 Rz. 52, 53).

(3) Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (BAGE 63, 17 [32]; BAGE 80, 84 [92]; BAGE 100, 130 [139]) und einer in der Literatur (Kropholler, Internationales Privatrecht, 5. Aufl., S. 494; Kreuzer/Wagner in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, S. 22; Looschelders, Internationales Privatrecht, Art. 34 EGBGB Rz. 10; Staudinger/Magnus, BGB, EGBGB, 13. Bearb., Art. 34 Rz. 57, m.w.N.; Junker, IPRax 2000, 65 [70]; Klauer, Das europäische Kollisionsrecht der Verbraucherverträge zwischen Römer-EVÜ und EG-Richtlinien, S. 236, m.w.N.) weit verbreiteten Ansicht ist für die Anwendung des Art. 34 EGBGB grundsätzlich erforderlich, dass die betreffende Vorschrift nicht nur dem Schutz und Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragsparteien und damit reinen Individualbelangen dient, sondern daneben zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt.

(4) Diese Voraussetzung, gegen deren Berechtigung die Revision keine Einwendungen erhebt, erfüllt das deutsche Verbraucherkreditgesetz nicht. Nach seiner Zielsetzung dient es dem Schutz des einzelnen Verbrauchers vor einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Interessen sowie der Korrektur der strukturellen Ungleichgewichtslage ggü. dem professionellen, in der Regel finanziell weit überlegenen Anbieter und damit dem Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien (BT-Drucks. 11/5462, 11 [13 f.]; BT-Drucks. 11/8274, 19; Kropholler, Internationales Privatrecht, 5. Aufl., S. 494; Kreuzer/Wagner in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, S. 494; Staudinger/Magnus, BGB, EGBGB, 13. Bearb., Art. 34 Rz. 71). Dass daneben auch ein öffentliches Interesse an einem privatrechtlichen Verbraucherschutz mit dem Sozialstaatsprinzip, der Marktregulierungsfunktion von Verbrauchervertragsrecht oder dem Interesse an einem funktionierenden Binnenmarkt begründet werden kann (Bitterich, Die Neuregelungen des internationalen Verbrauchervertragsrechts in Art. 29a EGBGB, S. 279 f. Fn. 1049), ändert nichts. Das Verbraucherkreditgesetz verfolgt dieses Interesse nämlich nicht. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine bloße Nebenwirkung, wie sie mit vielen Gesetzen verbunden ist, die dem Schutz einer bestimmten Bevölkerungsgruppe dienen. Ein solcher reflexartiger Schutz öffentlicher Gemeinwohlinteressen reicht für eine Anwendung des § 34 EGBGB nicht aus.

Bei der Feststellung, ob eine Norm international zwingenden Charakter hat, ist grundsätzlich Zurückhaltung geboten (Freitag/Leible, ZIP 1999, 1296 [1299]; Schwarz, ZVglRWiss 101 (2002), 45 [49]), da sonst der mit dem EuSchVÜ durch die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts bezweckte internationale Entscheidungseinklang empfindlich gestört (Soergel/v. Hoffmann, BGB, EGBGB, 12. Aufl., Art. 34 Rz. 16), das differenzierte, allseitige Anknüpfungssystem der Art. 27 ff. EGBGB partiell außer Kraft gesetzt (Hk-BGB/Staudinger, 4. Aufl., Art. 34 EGBGB Rz. 3; Looschelders, Internationales Privatrecht, Art. 34 EGBGB Rz. 13) und die Rechtsanwendung erschwert wird (Freitag/Leible, Das Grünbuch zum Internationalen Vertragsrecht, S. 167, 171). Art. 34 EGBGB darf nicht zu einer allgemeinen Ausweichklausel umfunktioniert werden, mit der das EuSchVÜ und EGBGB beherrschende Grundprinzip der Rechtswahlfreiheit der Vertragsschließenden nach Belieben beseitigt (v. Hoffmann, IPRax 1989, 261 [265]) und die einheitliche Anknüpfung des Vertragsstatus aufgelöst wird (Gerfried Fischer in FS für Großfeld, S. 285; Freitag in Leible, Das Grünbuch zum Internationalen Vertragsrecht, S. 167, 171). In Zweifelsfällen ist daher davon auszugehen, dass die betreffende Vorschrift keine international zwingende Geltung beansprucht (Freitag/Leible, Das Grünbuch zum Internationalen Vertragsrecht, S. 167, 171; Kreuzer/Wagner in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Rz. R 158; Taupitz, BB 1990, 642 [649]). Der Umstand, dass der auf den individuellen Schutz des einzelnen Verbrauchers gerichtete Zweck des deutschen Verbraucherkreditgesetzes reflexartig auch Gemeinwohlinteressen erfasst, stellt deshalb keine ausreichende Grundlage für eine Anwendung des Art. 34 EGBGB dar. Eine unzumutbare Belastung des inländischen Verbrauchers ist damit im Regelfall nicht verbunden. Denn abgesehen davon, dass der Verbraucherschutz mit den Art. 29 und 29a EGBGB weitgehend verwirklicht wird, darf der Betroffene nicht ohne weiteres auf die umfassende Geltung seines Aufenthaltsrechts vertrauen.

cc) Ein internationaler Geltungswille des deutschen Verbraucherkreditgesetzes ist schließlich auch nicht aus seinem gemeinschaftsrechtlichen Ursprung herzuleiten. Dass der Gesetzgeber eine europäische Richtlinie in nationales Recht umsetzt, bedeutet nicht, dass diese Normen international grundlegende Bedeutung haben und unabhängig von den allgemeinen Kollisionsregeln auf Fälle mit Auslandsbezug anwendbar sein sollen. Ob und inwieweit die nationalen Gerichte nach den Grundsätzen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 9.11.2000 (EuGH v. 9.11.2000 - Rs. C-381/98, Slg. I 2000, 9325 - Ingmar GB Ltd.) verpflichtet sind, bei der Wahl eines drittstaatlichen Rechts und bei hinreichendem Gemeinschaftsbezug des Sachverhalts das der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie dienende nationale Recht in richtlinienkonformer Auslegung gegen das gewählte Vertragsstatut durchzusetzen (Staudinger/Magnus, BGB, EGBGB, 13. Bearb., Art. 34 Rz. 42, 90; Freitag in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 6. Aufl., Rz. 417 f.; Bitterich, VuR 2002, 155 [157 ff.]), kann entgegen der Ansicht der Revision offen bleiben. Denn enthält die Richtlinie - wie die Verbraucherkreditrichtlinie - keine ausdrückliche kollisionsrechtliche Regelung und schreibt sie den Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung nur einen zu beachtenden Mindeststandard vor, so kann ein international zwingender Charakter der Umsetzungsnorm aufgrund der Richtlinie nur für den Mindeststandard, nicht aber für etwaige nationale Schutzverstärkungen angenommen werden (Bitterich, Die Neuregelung des Internationalen Verbrauchervertragsrechts in Art. 29a EGBGB, S. 283 Fn. 1066, S. 289; Freitag, in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 6. Aufl., Rz. 417; Nemeth/Rudisch, ZfRV 2001, 179 [182]; Pfeiffer in FS für Geimer, S. 821, 835; Schwarz, ZVglRWiss 101 (2002), 45 [71]; a.A. Hk-BGB/Staudinger, 4. Aufl., Art. 34 EGBGB Rz. 5).

Der Darlehensvertrag der Parteien vom 1.2.1991 über 101.466 CHF (= 117.778 DM) wird aber von dem Mindeststandard der Verbraucherkreditrichtlinie nicht erfasst, weil diese nach Art. 2 Abs. 1 lit. f auf Kreditverträge über mehr als 20.000 ECU keine Anwendung findet. Die Frage nach der Reichweite des internationalen Geltungswillens der Richtlinie ist infolgedessen nicht entscheidungserheblich und nicht gem. Art. 234 Abs. 3 EGV dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

c) Zwar hat das Berufungsgericht verkannt, dass Art. 120 IPRG von vornherein eine Anwendung des deutschen Verbraucherkreditgesetzes nicht zu begründen vermag, weil es sich dabei um von den deutschen Gerichten nicht zu beachtendes schweizerisches Kollisionsrecht handelt (Art. 35 Abs. 1 EGBGB). Daraus vermag die Revision aber nichts für sich herzuleiten, weil das Berufungsgericht das Vorliegen eines "Konsumentenkredits" im Sinne der Vorschrift verneint hat.

2. Rechtsfehlerfrei ist schließlich auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht unter Zugrundelegung schweizerischen Rechts der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen hat.

a) Der deutsche Tatrichter hat das maßgebliche ausländische Recht gem. § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. In welcher Weise er sich die notwendigen Kenntnisse verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Vom Revisionsgericht überprüft werden darf insoweit lediglich, ob er sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insb. die sich anbietenden Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles hinreichend ausgeschöpft hat (st.Rspr., BGH, Urt. v. 23.4.2002 - XI ZR 136/01, BGHReport 2002, 902 = MDR 2002, 899 = WM 2002, 1186 [1187], m.w.N.). An die Ermittlungspflicht sind dabei umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer und je fremder im Vergleich zum deutschen das anzuwendende Recht ist. Bei Anwendung einer dem deutschen Recht verwandten Rechtsordnung und klaren Rechtsnormen sind die Anforderungen geringer (BGH v. 30.4.1992 - IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151 [163] = MDR 1992, 765).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Berufungsgericht - anders als die Revision meint - kein Ermessenfehler vorzuwerfen. Ihr Einwand, das Berufungsgericht habe nicht ermittelt, welcher Erklärungswert den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin über die Verlängerung des Darlehensvertrages nach den von der schweizerischen Rechtsprechung und Literatur entwickelten Auslegungsgrundsätzen beizumessen sei, greift nicht. Das Vertragswerk enthält keinen Hinweis darauf, dass dem Beklagten das Recht eingeräumt werden sollte, den Kredit durch eine einseitige Erklärung ggü. der Klägerin zu verlängern. Davon abgesehen hat der Beklagte eine entsprechende Erklärung auch nicht abgegeben.

Das Berufungsgericht hat es entgegen der Ansicht der Revision auch nicht versäumt, der Frage nachzugehen, ob die Klägerin sich mit ihrem Angebot, den Darlehensvertrag um weitere fünf Jahre zu einem Zinssatz von 8,7 % p.a. zu verlängern, nach schweizerischem Recht vertragstreu verhalten hat oder dieses Angebot für den Beklagten inakzeptabel war. Dazu bot das Vorbringen des Beklagten keinen hinreichenden Anlass. Denn der Beklagte hat es versäumt, wesentliche Umstände vorzutragen, die eine Prüfung der Treuwidrigkeit der Klägerin erst möglich gemacht hätte. Das gilt insb. für die Marktüblichkeit des vertraglich vereinbarten Nominalzinssatzes von 7,125 % p.a. bei 90 % Auszahlung im Jahre 1991, die Entwicklung der Zinsen für Personalkredite in Schweizer Franken bis zum Jahre 2000 sowie zu seiner für die Risikoprämie der Klägerin bedeutsamen Bonität trotz mehrmonatiger Zinsrückstände mit zum Teil mehr als 1.500 CHF.

III.

Die Revision des Beklagten war daher zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1480299

NJW 2006, 762

BGHR 2006, 430

EWiR 2006, 335

JR 2006, 511

WM 2006, 373

WuB 2006, 311

ZIP 2006, 1016

EuZW 2006, 285

IPRax 2006, 272

JZ 2006, 673

RIW 2006, 389

VersR 2006, 1549

VuR 2006, 167

ZBB 2006, 150

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