Gesetzestext

 

1Der Gläubiger kann auf die durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung erworbenen Rechte unbeschadet seines Anspruchs verzichten. 2Die Verzichtleistung erfolgt durch eine dem Schuldner zuzustellende Erklärung. 3Die Erklärung ist auch dem Drittschuldner zuzustellen.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift ermöglicht dem Gläubiger, auf die durch Pfändung und Überweisung erworbenen Rechte zu verzichten. Wegen der mit einer Forderungspfändung verbundenen Risiken, wie der Ersatzpflicht aus § 842 oder einer Drittwiderspruchsklage nach § 771, kann es für den Pfändungsgläubiger sinnvoll sein, die Rechte aufzugeben. § 316 III AO sieht eine entspr Anwendung vor.

B. Verfahren.

 

Rn 2

Verzichtet werden kann auf die Rechte aus Pfändung und Überweisung der Forderung. Zulässig ist der Verzicht bereits nach der Pfändung, also nicht erst nach der Überweisung. Bedeutsam ist die Regelung nur bei einer zur Einziehung überwiesenen Forderung. Bei einer Überweisung der Forderung an Zahlungs statt ist der Verzicht wegen der nach § 835 II eingetretenen Befriedigung vollstreckungsrechtlich folgenlos. Er kann dann aber eine materiell-rechtliche Erklärung beinhalten.

 

Rn 3

Die Verzichtserklärung erfolgt durch eine einseitige Prozesshandlung des Pfändungsgläubigers. Als Prozesshandlung ist der Verzicht bedingungsfeindlich (auflösende Bedingung München OLGR 99, 277, 278), aber bis zum Wirksamwerden der Erklärung widerruflich (Wieczorek/Schütze/Lüke § 843 Rz 3; enger München OLGR 97, 94f). Ein Teilverzicht, etwa um dem Schuldner einen über die Pfändungsfreigrenzen hinausgehenden Betrag zu belassen, ist im Verhältnis zwischen Gläubiger und Drittschuldner wirksam, wenn keine Gesetzesumgehung bezweckt wird. Die Konsequenzen ergeben sich jedoch nicht aus § 843. Im Verhältnis zu einem nachpfändenden Gläubiger ist aber das Pfändungspfandrecht des vorrangigen Gläubigers in dem Zeitpunkt erloschen, in dem bei voller Ausschöpfung des pfändbaren Lohnanteils seine Forderungen beglichen gewesen wären (BAG NJW 75, 1575, 1576). Ein einstweiliger Verzicht auf die Wirkungen des Pfandrechts, ohne die mit der Pfändung bewirkte Verstrickung aufzuheben, ist unzulässig (BGH WM 16, 133 Rz 7; FG Baden-Württemberg ZInsO 16, 2051).

 

Rn 4

Wirksam wird der Verzicht nach S 2 mit Zustellung an den Schuldner (RGZ 139, 172, 175f), die im Parteibetrieb nach den §§ 191 ff durchzuführen ist. Zusätzlich sieht S 3 eine Zustellung an den Drittschuldner vor, doch ist diese Ordnungsvorschrift für einen wirksamen Verzicht weder wesentlich noch ausreichend. Hinreichend geschützt ist der Drittschuldner durch § 409 BGB. Da die Zustellung nach S 2, 3 Beweisschwierigkeiten vermeiden soll, kann der Gläubiger auch ohne die dort vorgesehenen Förmlichkeiten wirksam auf die Rechte verzichten (BGH NJW 83, 886, 887 [BGH 26.01.1983 - VIII ZR 258/81]; 02, 1788, 1789; MüKoZPO/Smid § 843 Rz 3; krit St/J/Würdinger § 843 Rz 4). Ein Formzwang in Gestalt einer schriftlichen Erklärung wird nicht begründet. Zulässig ist eine mündliche Erklärung (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Plücker § 843 Rz 3; aA Brox/Walker Rz 626). Dann muss der Verzicht, angelehnt an die Regeln über empfangsbedürftige Willenserklärungen, unzweideutig erklärt und dem Schuldner zugegangen sein (BGH NJW 02, 1788, 1789 [BGH 07.03.2002 - IX ZR 293/00]; Gottwald/Mock § 843 Rz 3). Ein Ratenzahlungsvergleich begründet daher grds noch keinen Verzicht (Stöber/Rellermeyer Rz B.341). Den Drittschuldner schützt § 836 II.

C. Wirkungen.

 

Rn 5

Die Erklärung des Gläubigers beendet das Vollstreckungsverfahren. Die Rechte aus Pfändung und Überweisung entfallen ohne Beteiligung eines Vollstreckungsorgans, namentlich ohne Aufhebung der Beschlüsse (Wieczorek/Schütze/Lüke § 843 Rz 1). Hat der Gläubiger die Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgegeben, kann aber zur Klarstellung beim Vollstreckungsgericht die Aufhebung des Beschl beantragt werden (BGH NJW 02, 1788 [BGH 07.03.2002 - IX ZR 293/00]). Verzichtet der Gläubiger auf die Rechte aus der Pfändung, erlöschen auch die Rechte aus der Überweisung, während ein zulässiger Verzicht allein auf die Einziehungsbefugnis auf diese beschränkt sein kann (B/L/H/A/G/Nober § 843 Rz 1). Der leistende Drittschuldner wird durch § 836 II geschützt. Der titulierte Anspruch des Gläubigers bleibt unberührt. Der Schuldner kann daher weiter vollstrecken und sogar dieselbe Forderung gegen den Drittschuldner erneut pfänden (AG Berlin-Neukölln DGVZ 86, 78, 79; Stöber/Rellermeyer Rz B.340; B/L/H/A/G/Nober § 843 Rz 5). Verzichtet der Gläubiger auf die titulierte Forderung (LAG Berlin RdA 66, 200), erlischt das Pfändungspfandrecht, doch bleibt der Anschein der Verstrickung bestehen und muss ggf gem § 767 beseitigt werden (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Plücker § 843 Rz 1).

 

Rn 6

Erklärt der Gläubiger den Verzicht auf die Rechte aus der Pfändung und Überweisung im Prozess gegen den Drittschuldner, so gilt § 265 (St/J/Würdinger § 843 Rz 6). Eine nach § 842 begründete Ersatzpflicht entfällt durch den Verzicht nur für die Zukunft (Musielak/Voit/Flock...

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