Gesetzestext

 

(1) Der Gerichtsvollzieher ist befugt, die Wohnung und die Behältnisse des Schuldners zu durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert.

(2) Er ist befugt, die verschlossenen Haustüren, Zimmertüren und Behältnisse öffnen zu lassen.

(3) Er ist, wenn er Widerstand findet, zur Anwendung von Gewalt befugt und kann zu diesem Zweck die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachsuchen.

A. Ratio und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Die Regelung ist die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Durchsuchung als Zwangseingriff des GV gegen die Wohnung und Behältnisse des Schuldners (Abs 1, 2) sowie die Befugnis zur Gewaltanwendung bei Widerstand gegen dessen Person (Abs 3; MüKoZPO/Heßler § 758 Rz 1; Behr NJW 92, 2125). In bestimmten Fällen müssen zusätzlich zu den Voraussetzungen des § 758 die des § 758a vorliegen. Soweit es um die Vollstreckung in dessen Wohnung geht und eine Einwilligung des Schuldners dazu nicht erteilt wurde, muss diese zusätzlich den Anforderungen des § 758a I bis III, V genügen; bei einer Vollstreckung zur Nachtzeit oder an Sonn- und Feiertagen kommt auch § 758a IV zur Anwendung (Schuschke/Walker/Walker § 758 Rz 1). Der Vollstreckungszugriff darf dann ohne richterliche Durchsuchungsanordnung nicht stattfinden und regelt auch die Duldungspflicht Dritter. Wenn dagegen außerhalb der Wohnung des Schuldners vollstreckt wird oder § 758a II einschlägig ist, richten sich die Befugnisse des GV unmittelbar nach § 758. Die Vorschrift gilt für jede Art der Zwangsvollstreckung durch den GV, mithin neben der Pfändung von beweglichen Sachen für die Herausgabevollstreckung bei beweglichen (§§ 883, 884) und unbeweglichen Sachen (§ 885) sowie für die Verhaftung des Schuldners nach § 802g (ThoPu/Seiler § 758 Rz 1).

B. Tatbestand.

I. Durchsuchung von Wohnung und Behältnissen des Schuldners (Abs 1).

1. Begriff der Durchsuchung.

 

Rn 2

Nach der Definition, die das BVerfG für Art 13 II GG geprägt hat, bezeichnet Durchsuchen das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung freiwillig nicht offen legen oder herausgeben möchte (BVerfGE 51, 97, 106 f = NJW 79, 1539 [BVerfG 03.04.1979 - 1 BvR 994/76]). Ist der GV zur Durchsuchung befugt, beinhaltet diese das Recht, die Wohnung zu betreten (Schuschke/Walker/Walker § 758 Rz 2) und dort Handlungen vorzunehmen (BVerfG NJW 87, 2499). Um eine Durchsuchung handelt es sich nicht, wenn dem GV der Zutritt zur Wohnung vom Schuldner aus freien Stücken erlaubt worden ist (Musielak/Lackmann § 758 Rz 3), ebenso wenig, wenn der GV im Erinnerungsverfahren angewiesen wurde, die Vollstreckung durchzuführen (KG DGVZ 83, 72). Wohl aber liegt eine Durchsuchung vor, wenn Vollstreckungsorgane eine Wohnung betreten, um dort dem Inhaber der Wohnung ein Kind wegzunehmen (BVerfG NJW 00, 943 [BVerfG 19.11.1999 - 1 BvR 2017/97]). Nicht nur das Betreten der Wohnung zum Zwecke der Pfändung, sondern auch das zur Abholung der gepfändeten Sache ist eine Durchsuchung (VG Köln NJW 77, 825). Verschafft sich der GV zwangsweise Zutritt zur Wohnung des Schuldners, um dort den Gas- oder Stromzähler abzuschalten, wird nicht nach etwas gesucht. Soweit Art 13 I GG eine richterliche Gestattung verlangt, ist diese in einem gegen den Schuldner gerichteten Zutrittstitel inbegriffen (BGH NJW 06, 3352; Scheidacker NZM 07, 591 [BGH 10.08.2006 - I ZB 126/05]; s § 758a Rn 7). Die Durchsuchung der Wohnung nach § 758 muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (s § 758a Rn 4; LG Hannover Rpfleger 95, 471). Regelmäßig ist die Wohnungsdurchsuchung auch wegen der Vollstreckung einer geringfügigen Forderung zulässig (LG Konstanz NJW 80, 297; aA LG Hannover, NJW-RR 86, 1256; s § 758a Rn 4). Zur Verhältnismäßigkeit der Anwesenheit des Gläubigers während der Durchsuchung s § 758a Rn 13.

2. Gegenstände der Durchsuchung.

a) Wohnung.

aa) Weiter Wohnungsbegriff.

 

Rn 3

§ 758 I erlaubt dem GV die Durchsuchung von Behältnissen und der Wohnung des Schuldners. Der Begriff der Wohnung nach dieser Vorschrift entspricht dem in Art 13 I GG, § 758a. Er ist weit auszulegen (BVerfGE 32, 54 = NJW 71, 2299 [BVerfG 12.10.1971 - 2 BvR 65/71]) und umfasst sämtliche Räumlichkeiten, die von ihrem Inhaber häuslichen oder beruflichen Zwecken gewidmet sind. ›Wohnung‹ idS sind auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume (BVerfGE 97, 228, 265 [BVerfG 17.02.1998 - 1 BvF 1/91]; Hambg NJW 84, 2898 [OLG Hamburg 05.06.1984 - 2 Ss 149/83]). Sie müssen sich nicht zwingend in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang mit den privaten Wohnräumen befinden. Es genügt auch, wenn sie in reinen Geschäftshäusern oder auf einem ausschließlich industriell genutzten Grundstück belegen sind. Auch Hof und Garten des Schuldners können durchsucht werden (Schuschke/Walker/Walker § 758 Rz 3), ebenso Nebenräume zur Wohnung, Wohnwagen, Hausboote und Zimmer in Hotels. PKWs und verlassene Räume sind dagegen keine Wohnung iSd Vorschrift (Musielak/Lackmann § 758 Rz 2). Auch die Taschenpfändung ist keine Durchsuchung iSv § 758 I (s § 758a Rn 2).

bb) Gewahrsamsverhältnisse an der Wohnung.

 

Rn 4

Auch wenn die Voraussetzungen des § 758a gegeben sind, gestattet § 758 nur die Durchsuchung der Wohnung des Schuldners, nicht...

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