Gesetzestext

 

1Der Nebenintervenient muss den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der er sich zur Zeit seines Beitritts befindet; er ist berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, insoweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. 2Für ihn gelten die §§ 141 und 278 Absatz 3 entsprechend.

A. Rechtsstellung des Streithelfers.

 

Rn 1

Die Bestimmung befasst sich mit den dem Streitgenossen im Verhältnis zu der Hauptpartei verliehenen prozessualen Befugnissen. Den streitgenössischen Nebenintervenienten stattet § 69 weitergehend mit zusätzlichen Rechten aus. Der Nebenintervenient, der weder Partei des Hauptprozesses noch Vertreter der Hauptpartei ist, agiert in einem fremden Prozess neben der Hauptpartei als Dritter. Kraft eigenen Rechts ist er befugt, den fremden Rechtsstreit der Hauptpartei im eigenen rechtlichen Interesse zu fördern (BGH NJW 86, 257; 81, 2062 [BGH 16.12.1980 - VI ZR 308/79]). Der Streithelfer, der dem prozessualen Wahrheitsgebot unterliegt (BGH NJW 82, 281f [BGH 08.10.1981 - VII ZR 341/80]), handelt in eigenem Namen und aus eigenem Recht, begehrt aber nicht im eigenen Interesse Rechtsschutz und kann daher nicht zu eigenen Gunsten eine Verurteilung erstreiten (BGH NJW 95, 198f). Mangels Parteistellung kann gegen den Streithelfer kein Antrag gestellt und ihm nichts zu- oder aberkannt werden (BGH NJW 95, 198f [BGH 04.10.1994 - VI ZR 223/93]). Der Nebenintervenient ist nicht befugt, Zwischenfeststellungsklage oder Widerklage zu erheben. Umgekehrt ist eine parteierweiternde Widerklage gegen den Streithelfer zulässig, auch wenn er dem Bekl beigetreten ist (BGHZ 131, 76, 78 = NJW 96, 196). Die Rechte des Nebenintervenienten werden durch das Verhalten der unterstützten Partei begrenzt. Der Streithelfer wird nicht als Partei, sondern als Zeuge vernommen (BayObLGZ 87, 253). Zwecks einer gütlichen Einigung kann das persönliche Erscheinen des Streithelfers angeordnet werden (S 2 iVm § 141, § 278 Abs 3). Der Tod des Streithelfers oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen führen nicht zur Verfahrensunterbrechung (Naumbg OLGR 03, 478; Ddorf MDR 85, 504). Nebenintervenienten eines ausgesetzten Ausgangsverfahren können gemäß § 11 KapMuG iVm § ZPO § 67 Hs 2 ZPO auch im Kapitalanleger-Musterverfahren die Rechte der unterstützten Partei wahrnehmen (BGH NJW 17, 3718 [BGH 19.09.2017 - XI ZB 13/14] Rz 7 ff).

B. Befugnisse des Nebenintervenienten.

I. Gewährung rechtlichen Gehörs.

 

Rn 2

Als Verfahrensbeteiligtem ist dem Streithelfer, der zum Rechtsstreit zuzuziehen ist (§ 71 III), rechtliches Gehör zu geben. Dem Streithelfer sind die Schriftsätze der Parteien mitzuteilen, damit er im Interesse der von ihm unterstützten Hauptpartei auf den Prozess sachlich einwirken kann. Zwecks Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sind ihm die Termine bekanntzugeben. Wird der Nebenintervenient nicht ordnungsgemäß geladen, darf gegen die unterstützte Hauptpartei weder ein Versäumnisurteil (§ 335 I Nr 2) noch ein nachteiliges kontradiktorisches Urt ergehen, sondern die Sache ist zu vertagen. Selbstverständlich darf bei Abwesenheit des Streithelfers zugunsten der von ihm unterstützten Hauptpartei entschieden werden. Der Partei zuzustellende fristsetzende Verfügungen sind dem Streithelfer gem § 329 II 1 formlos mitzuteilen. Entsprechendes gilt für der Vorbereitung oder Fortsetzung des Verfahrens dienende gerichtliche Entscheidungen und Urteile. Rechtsmittelfristen berechnen sich nach dem Zustellungszeitpunkt an die Hauptpartei (BGH NJW 90, 190). Der Nebenintervenient hat dafür Sorge zu tragen, dass er – etwa durch eine Anfrage an die Geschäftsstelle – von dem Zustellungsdatum Kenntnis erlangt. Eine in der Person der Hauptpartei verwirklichte Präklusion hat der Nebenintervenient hinzunehmen (Schulze NJW 81, 2663f). Zu Lasten der Partei kann eine Präklusion mangels einer Zurechnungsnorm nicht auf ein Verschulden des Streithelfers gestützt werden (Fuhrmann NJW 82, 978f). Freilich kann ein Eigenverschulden der Partei darin liegen, dass sie dem Streithelfer die Prozessführung überlassen hat. Präklusion scheidet aus, wenn die Hauptpartei verspätet, der Nebenintervenient fristgerecht vorträgt.

II. Vornahme von Prozesshandlungen.

1. Angriffs- und Verteidigungsmittel.

 

Rn 3

Der Streithelfer kann, wobei Hs 2 Angriffs- und Verteidigungsmittel lediglich beispielhaft benennt, alle der Partei zustehenden Prozesshandlungen wirksam vornehmen. In der mündlichen Verhandlung ist der Streithelfer zur Entgegennahme für die Hauptpartei bestimmter Prozesshandlungen berechtigt. Die Vornahme oder Entgegennahme einer Prozesshandlung durch ihn wirkt, wie wenn die Partei selbst gehandelt hätte (BGH NJW 85, 2480 [BGH 28.03.1985 - VII ZR 317/84]). Durch sein Erscheinen in der mündlichen Verhandlung kann der Streithelfer den Erlass eines Versäumnisurteils gegen die Hauptpartei verhindern (BGH ZIP 94, 787f). Der Streithelfer kann zur Begründung oder Abwehr der Klage Tatsachen behaupten oder bestreiten, Beweisanträge stellen, Beweiseinreden erheben, einem Dritten den Streit verkünden, für die Hauptpartei Richter ...

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