Gesetzestext

 

(1) Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung sind der Gegenpartei zuzustellen.

(2) 1Der Vorsitzende oder das Berufungsgericht kann der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Berufungserwiderung und dem Berufungskläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Berufungserwiderung setzen. 2§ 277 gilt entsprechend.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Das Zustellungserfordernis (Abs 1) besteht sowohl für die Berufungsschrift (§ 519) als auch für den die Berufungsbegründung enthaltenden Schriftsatz (§ 520 III 1). Es hat den Sinn, den Berufungsbeklagten (§ 511 Rn 57) von der Einleitung des Berufungsverfahrens und dem Ziel des Berufungsklägers zu unterrichten. Dadurch soll er in die Lage versetzt werden, seine Verteidigung von Anfang an auf das Wesentliche zu konzentrieren. Auch soll der Berufungsbeklagte abwägen können, ob er aus einem zu seinen Gunsten für vorläufig vollstreckbar erklärten erstinstanzlichen Urt (§§ 708 ff) die Zwangsvollstreckung betreiben soll, ohne sich der Gefahr einer Schadensersatzpflicht nach § 717 II auszusetzen.

 

Rn 2

Die Möglichkeit zur Fristsetzung (Abs 2) dient der Beschleunigung des Berufungsverfahrens. In der Praxis wird von ihr beinahe ausnahmslos Gebrauch gemacht. Auch hierfür ist die Zustellung der Berufungsbegründungsschrift notwendig, weil ohne sie die Einhaltung der gesetzten Fristen nicht ohne weiteres überprüft werden kann.

B. Zustellung (Abs 1).

 

Rn 3

Die Zustellung der Berufungsschrift und der Berufungsbegründungsschrift erfolgt vAw (§ 166 II). Sie ist kein Erfordernis für die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Auch ohne Zustellung der Berufungsschrift ist die Berufung mit ihrem Eingang bei dem Berufungsgericht wirksam eingelegt. Die fehlende Zustellung des die Berufungsbegründung enthaltenden Schriftsatzes hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Berufungsbegründung.

 

Rn 4

Nach § 172 II 1 muss die Berufungsschrift dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten zugestellt werden. Ist kein Prozessbevollmächtigter bestellt, weil der Berufungsbeklagte den Rechtsstreit in der 1. Instanz selbst geführt hat, ist ihm die Berufungsschrift zuzustellen (§ 172 II 3). Hat er bereits einen Prozessbevollmächtigten für die Vertretung in der 2. Instanz bestellt, muss diesem die Berufungsschrift zugestellt werden (§ 172 II 2).

 

Rn 5

Adressat der Zustellung des Berufungsbegründungsschriftsatzes ist ebenfalls der Berufungsbeklagte selbst, sein erstinstanzlicher oder sein zweitinstanzlicher Prozessbevollmächtigter. Hierfür gilt das in Rn 4 Gesagte.

 

Rn 6

Wurde an den Berufungsbeklagten selbst statt an seinen erst- oder zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten oder an eine andere Person zugestellt, ist die Zustellung unwirksam; eine nach Abs 2 gesetzte Frist wird nicht in Lauf gesetzt (BGH NJW-RR 07, 356 [BGH 28.11.2006 - VIII ZB 52/06]). Der Zustellungsmangel ist allerdings in dem Zeitpunkt geheilt, in welchem die Berufungsschrift oder der die Berufungsbegründung enthaltende Schriftsatz dem richtigen Adressaten tatsächlich zugegangen ist (§ 189). Die Heilung tritt auch ein, wenn der Berufungsbeklagte ihn nicht in der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht rügt (§ 295 I).

 

Rn 7

Sind auf der Seite des Berufungsgegners mehrere – einfache oder notwendige – Streitgenossen (§§ 59 ff) beteiligt, müssen die Zustellungen an jeden von ihnen erfolgen, wenn sie keinen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten haben. Dasselbe gilt bei notwendiger Streitgenossenschaft auf der Seite des Berufungsklägers.

 

Rn 8

Dem Nebenintervenienten (§ 66) sowohl auf der eigenen als auch auf der gegnerischen Seite sind die Berufungsschrift und der Berufungsbegründungsschriftsatz ebenfalls zuzustellen.

C. Fristsetzung (Abs 2 S 1).

 

Rn 9

Die Fristsetzung für die Berufungserwiderung und für die Replik des Berufungsbeklagten hierauf führt im Ergebnis zu einem schriftlichen Vorverfahren, wie es in § 276 für das erstinstanzliche Verfahren vorgesehen ist. Zuständig für die Fristsetzung sind der Vorsitzende der Berufungskammer bzw des Berufungssenats und das Berufungsgericht selbst, also der gesamte Spruchkörper.

 

Rn 10

Die Voraussetzungen für die Fristsetzung ergeben sich nicht aus dem Gesetz. Sie ist in das nicht nachprüfbare Ermessen des Vorsitzenden bzw des Berufungsgerichts gestellt. Die Fristsetzung ist immer dann angezeigt, wenn sie zur Beschleunigung des Berufungsverfahrens beiträgt. Daran fehlt es, wenn das Berufungsgericht die Verwerfung des Rechtsmittels nach § 522 erwägt. In diesem Fall ist die sofortige Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung und dessen Abhaltung weniger zeitaufwändig.

 

Rn 11

Die Frist für die Berufungserwiderung und die Replik beträgt jeweils mindestens zwei Wochen (S 2 iVm § 277 III, IV). Jedenfalls für die Berufungserwiderung ist das zu kurz. Da dem Berufungskläger für die Einlegung des Rechtsmittels eine Frist von einem Monat (§ 517) und für die Begründung eine Frist von mindestens einem weiteren Monat § 520 II 1) zur Verfügung steht, sollte die Frist für die Berufungserwiderung aus Gründen der Chancengleichheit ebenfalls mindestens ei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt HSO FV Sachsen online Kompaktversion. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen