Rn 19

Als isolierte Drittwiderklage bezeichnet man die Widerklage, die der Bekl (Widerkl) ausschließlich gegen eine bislang nicht am Rechtsstreit beteiligte Partei (Drittwiderbekl, der auch Streithelfer sein kann, vgl BGHZ 131, 76, 78) erhebt (vgl BGHZ 147, 220; NJW 07, 1753; Zö/Schultzky Rz 26; Musielak/Heinrich Rz 26; zu prozesstaktischen Überlegungen im Zusammenhang mit isolierten Drittwiderklagen vgl Leube JR 16, 39). Ob und unter welchen Voraussetzungen diese Form der Drittwiderklage zulässig ist, ist umstr. Nach der Rspr des BGH ist eine isolierte Drittwiderklage grds unzulässig (so schon BGHZ 40, 185, 187 f; 147, 220, 221 f; NJW 07, 1753; NJW 14, 1670: NJW 19, 1610). In besonders gelagerten Sachverhalten hat der BGH jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen. So hat er die Zulässigkeit einer isolierten Widerklage gegen Gesellschafter einer klagenden Gesellschaft bejaht, wenn das auf die Drittwiderklage ergehende Urt für die Gesellschaft verbindlich ist und damit für die Zahlungsklage vorgreiflich sein kann (BGHZ 91, 132, 134f). Des Weiteren hat er eine isolierte Drittwiderklage gegen einen Abtretenden (Zedenten) für zulässig gehalten, wenn deren Gegenstand sich mit dem Gegenstand einer hilfsweise ggü der Klage des Abtretungsempfängers (Zessionars) zur Aufrechnung gestellten Forderung deckt (BGHZ 147, 220, 222). Im Rahmen eines Verkehrsunfallprozesses hat der BGH die Zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage bejaht, wenn ein Abtretungsempfänger (Zessionar) eine Schadensersatzforderung aus dem Verkehrsunfall geltend macht und der beklagte Unfallgegner wegen seiner aus dem Unfall resultierenden Schadensersatzforderung gegen den am Prozess bisher nicht beteiligten Abtretenden (Zedenten) Widerklage erhebt (BGH NJW 07, 1753 [BGH 13.03.2007 - VI ZR 129/06]). Zuletzt hat der BGH eine isolierte Drittwiderklage gegen den Abtretenden (Zedenten) der Klageforderung für zulässig erachtet, mit der die Feststellung beantragt wird, dass dem Zedenten keine Ansprüche zustehen (negative isolierte Feststellungsdrittwiderklage; BGH NJW 08, 2852, 2854 [BGH 13.06.2008 - V ZR 114/07]; NJW 19, 1610 [BGH 11.10.2018 - I ZR 114/17]; zu den kostenrechtlichen Folgen vgl Dresd VersR 14, 724 mit Anm Lehmann; vgl auch Rn 21). Der BGH geht bei der Frage der Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage vom Normzweck des § 33 I aus (BGH NJW 07, 1753 [BGH 13.03.2007 - VI ZR 129/06]; 08, 2852, 2854 [BGH 13.06.2008 - V ZR 114/07]; zum Normzweck s näher Rn 2). Diesem Zweck kann mit der isolierten Drittwiderklage jedenfalls dann genügt werden, wenn die Dinge tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und keine schutzwürdigen Interessen des Widerbekl verletzt werden (BGH NJW 07, 1753; 08, 2852, 2854 [BGH 13.06.2008 - V ZR 114/07]; 7.2.13 – IX ZR 186/11 Tz 5; BGH NJW 14, 1670 mit Anm K. Schmidt JuS 14, 752; NJW 19, 1610; vgl für das FamFG jetzt auch BGH FamRZ 18, 681). Das hat der BGH aber bei der Geltendmachung von Ansprüchen verneint, die auf verschiedenen Vertragsverhältnissen beruhen (vgl BGH 7.2.13 – IX ZR 186/11; BGH NJW 14, 1670 mit Anm K. Schmidt JuS 14, 752). Dennoch steht zu vermuten, dass der BGH mit der vorgenannten Formel auch weitere Fallgestaltungen zur isolierten Drittwiderklage in der Zukunft entscheiden wird (ebenso Beck WRP 11, 414, 416; Dauner-Lieb FS Schilken, S 223, 226, 229f). Dabei könnten folgende Fallgestaltungen für eine zulässige isolierte Drittwiderklage in Betracht kommen: vergleichbar den Fällen der Zession bei der Geltendmachung von Rechten in gewillkürter Prozessstandschaft (vgl Rüßmann AcP 172, 548 ff; Rüßmann/Eckstein-Puhl JuS 98, 443; Schumann FS Musielak, 485 f; Zö/Schultzky Rz 26); die Fälle der Rechtskrafterstreckung, und zwar der Rechtskrafterstreckung des Urteils der Hauptklage auf den Dritten wie der Rechtskrafterstreckung des Urteils bzgl der Widerklage auf die bisherige Partei (vgl Zö/Schultzky Rz 24 mwN). Ob und inwieweit dabei dem Aspekt der Ausschaltung von Zeugen eine ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann, hat der BGH offengelassen (BGH NJW 07, 1753, 1754). Angesichts der erweiterten Möglichkeit zur informatorischen Anhörung von Parteien (vgl dazu etwa BGH NJW 03, 2527, 2528 [BGH 24.06.2003 - VI ZR 327/02]; NJW-RR 06, 61, 63 [BGH 27.09.2005 - XI ZR 216/04] mwN zur Rspr des EGMR und des BVerfG; vgl auch Zö/Schultzky Rz 27) dürfte dies zweifelhaft sein. Allerdings hat der BGH zuletzt betont, dass die schutzwürdigen Interessen des Kl (Widerbekl) berührt sein können, wenn sich der Prozessstoff ausweitet und das Verfahren länger dauern kann (BGH NJW 14, 1670 [BGH 07.11.2013 - VII ZR 105/13]). Weitere Voraussetzungen einer zulässigen isolierten Drittwiderklage sind: die allg und besonderen Prozessvoraussetzungen einer Widerklage (vgl BGHZ 147, 220, 225 zum Sachzusammenhang) und die Voraussetzungen einer wirksamen Klageänderung, also die Einwilligung des Drittwiderbekl in die Widerklage oder die Sachdienlicherklärung durch das Gericht (BGHZ 147, 220, 225; vgl auch BGH NJW 07, 1753, 1...

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