Rn 2

Die Tatbestandsvariante des § 32b I Nr 1 setzt ihrem Wortlaut gemäß nur voraus, dass der geltend gemachte Schaden infolge der falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen verursacht wurde, nicht aber, dass der verfahrensgegenständliche Schaden auf eine bestimmte spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage gestützt wird (BTDrs 17/6051, 57; Zö/Schultzky § 32b Rz 4). § 32b I Nr 1 erfasst demnach zB deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche aus §§ 37b und 37c WpHG, § 823 II iVm § 264a StGB, § 400 AktG oder § 331 HGB (BTDrs 15/5091, 33), aber auch Prospekthaftungsansprüche gemäß §§ 20, 21 und 22 VermAnlG oder gemäß §§ 21, 22 und 24 WpPG (BTDrs 17/7453, 72), nicht aber Ansprüche aus sogenannter uneigentlicher (BGH NJW 2009, 513/515 Rz 18) bzw. Prospekthaftung im weiteren Sinne (BGH WM 2015, 2238 [BGH 22.10.2015 - III ZR 264/14] Rz 13), etwa wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung (§ 311 II BGB) in Bezug auf Prospektfehler, die nicht ohne weiteres die Prospektverantwortlichkeit begründen und deshalb als solche keinen Fall der Nr 1 darstellen; insoweit kommt nur Nr 2 in Betracht (BGH Beschl v 1.12.16 – X ARZ 180/16, Rz 13 – juris; München Vorlagebeschl v 11.4.16 – 34 AR 18/16, Rz 25 – juris; Beschl v 21.1.16 – 34 AR 257/15, Rz 21 – juris; Musielak/Heinrich § 32b Rz 5a; aA BeckOKZPO/Toussaint § 32b Rz 5, 5.1; Karls Urt v 25.2.14 – 17 U 242/12, Rz 19 – juris). Klagegegner kann jeder sein, der wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen materiell-rechtlich haftet. Nach stRspr haben für den Inhalt des Prospekts insbesondere diejenigen einzustehen, die für die Geschicke des Unternehmens und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind. Das sind namentlich die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management der Gesellschaft bilden oder sie beherrschen, einschließlich der so genannten ›Hintermänner‹. Darüber hinaus haften auch diejenigen, die auf Grund ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder auf Grund ihrer Fachkunde eine Art Garantenstellung einnehmen und durch ihre Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sind (BGH Urt v 17.11.11 – III ZR 103/10, Rz 17 – BGHZ 191, 310; BGH Urt v. 21.2.13 – III ZR 139/12 Rz 11 f – NJW 13, 1877; BGH Beschl v 30.7.13 – X ARZ 320/13 Rz 16 – WM 13, 1643; BGH Beschl v 1.12.16 – X ARZ 180/16, Rz 12 – juris). Dazu zählt der Treuhandkommanditist, der nicht Gründungsgesellschafter ist, nicht (BGH Beschl v 1.12.16 – X ARZ 180/16 Rz 14 f. – juris; München Vorlagebeschl v 11.4.16 – 34 AR 18/16 Rz 25 – juris; aA KG Urt v 11.5.15 – 2 U 5/15 Rz 28 f – juris; Frankf Beschl v 29.9.15 – 14 SV 12/15 Rz 15 – juris). Vertragliche Ansprüche gegen Banken, Berater oder sonstige Vermittler, die auf Grund fehlerhafter öffentlicher Informationen Empfehlungen an Kunden ausgesprochen haben, fallen nicht unter die Vorschrift, da in diesen Konstellationen etwaige Schadensersatzansprüche nicht auf Grund fehlerhafter öffentlicher Kapitalmarktinformationen entstanden sind, sondern auf Grund etwaiger sorgfaltswidriger Beratung (BGH NJW 07, 1365, 1366 [BGH 07.02.2007 - X ARZ 423/06]; Cuypers MDR 09, 657, 663; Hustedt NZG 11, 972, 974). § 32b I Nr 1 ist allerdings nicht dahingehend einschränkend auszulegen, dass die Vorschrift nur Kapitalanlagen erfasst, für die eine Prospektpflicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Vielmehr werden im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers auch Anlagen des sog ›grauen Kapitalmarktes‹ von der Vorschrift erfasst (BGH NJW 07, 1364, 1365 [BGH 30.01.2007 - X ARZ 381/06]). Ferner erfordert § 32b I Nr 1 weder, dass eine etwaige Anlagegesellschaft mitverklagt wird noch, dass die Anlagegesellschaft im Zeitpunkt der Klageerhebung noch besteht (Brandbg NZG 13, 1152f [OLG Stuttgart 17.06.2013 - 20 U 2/13]). Das Merkmal der öffentlichen Kapitalmarktinformationen ist in § 1 II KapMuG durch eine allgemeine Definition nebst einem nicht abschließenden (LG Bremen Beschl v 7.10.09 – 2 O 2354/08, Rz 3 – juris; Musielak/Heinrich § 32b Rz 2) Katalog von 6 Einzeltatbeständen legal festgelegt. Auch ein nach Inhalt und Aufmachung für eine Vielzahl potenzieller Kapitalanleger bestimmtes Exposé über eine Eigentumswohnung stellt eine öffentliche Kapitalmarktinformation iSv § 1 II KapMuG dar (BGH Beschl v 7.1.14 – X ARZ 578/13, Rz 17, NJW-RR 2014, 248). Die ›Öffentlichkeit‹ einer Kapitalmarktinformation ist auch dann zu bejahen, wenn diese einem begrenzten Personenkreis an Vermittlern mitgeteilt wurde, sofern sie dazu bestimmt war, an potentielle Anleger weitergegeben zu werden (LG Bremen Beschl v 7.10.09 – 2 O 2354/08, Rz 3 – juris). Eine Vermittlern ggü ausgesprochene Weisung, bestimmte Sachverhalte potentiellen Anlegern ggü nicht zu erwähnen, erfüllt das Tatbestandsmerkmal demnach nicht (Hustedt NZG 11, 972, 974). Ferner spielt es nach der Fassung der Legaldefinition für das Eingreifen des § 32b I Nr 1 keine Rolle, ob die Inf...

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