Gesetzestext

 

(1) Ein Schriftstück kann an einen Anwalt, einen Notar, einen Gerichtsvollzieher, einen Steuerberater oder an eine sonstige Person, bei der auf Grund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, eine Behörde, eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden.

(2) 1An die in Absatz 1 Genannten kann das Schriftstück auch durch Telekopie zugestellt werden. 2Die Übermittlung soll mit dem Hinweis ›Zustellung gegen Empfangsbekenntnis‹ eingeleitet werden und die absendende Stelle, den Namen und die Anschrift des Zustellungsadressaten sowie den Namen des Justizbediensteten erkennen lassen, der das Dokument zur Übermittlung aufgegeben hat.

(3) 1An die in Absatz 1 Genannten kann auch ein elektronisches Dokument zugestellt werden. 2Gleiches gilt für andere Verfahrensbeteiligte, wenn sie der Übermittlung elektronischer Dokumente ausdrücklich zugestimmt haben. 3Das Dokument ist auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a Absatz 4 zu übermitteln und gegen unbefugte Kenntnisnahme Dritter zu schützen. 4Die in Absatz 1 Genannten haben einen sicheren Übermittlungsweg für die Zustellung elektronischer Dokumente zu eröffnen.

(4) 1Zum Nachweis der Zustellung nach den Absätzen 1 und 2 genügt das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis, das an das Gericht zurückzusenden ist. 2Das Empfangsbekenntnis kann schriftlich, durch Telekopie oder als elektronisches Dokument (§ 130a) zurückgesandt werden. 3Die Zustellung nach Absatz 3 wird durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen. 4Das elektronische Empfangsbekenntnis ist in strukturierter maschinenlesbarer Form zu übermitteln. 5Wird vom Gericht hierfür mit der Zustellung ein strukturierter Datensatz zur Verfügung gestellt, ist dieser zu nutzen. 6Andernfalls ist das elektronische Empfangsbekenntnis abweichend von Satz 4 als elektronisches Dokument (§ 130a) zu übermitteln.

A. Normzweck und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

§ 174 schafft eine erleichterte Möglichkeit der Zustellung an Zustellungsadressaten, bei denen aufgrund ihres Berufes mit hinreichender Sicherheit erwartet werden kann, dass sie das Empfangsbekenntnis unverzüglich zurücksenden. Neben den in Abs 1 beispielhaft aufgezählten Personen kommen für die Zustellung nach § 174 auch Wirtschaftsprüfer, Hochschullehrer, Regierungsmitglieder oder Bürgermeister in Betracht. Unerheblich ist es, in welcher Funktion der Person zugestellt wird, ob zB an einen RA als ProzBev, Partei oder gesetzlichen Vertreter. Ob eine Zustellung nach § 174 erfolgen soll, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des (weisungsgebundenen, § 168) Urkundsbeamten. An andere Personen, deren Zuverlässigkeit nicht durch ihren Beruf ausgewiesen ist, kann nicht nach § 174 zugestellt werden; Heilung ist aber nach § 189 möglich. Anwendbar auch auf Parteizustellung unter Beachtung des § 195. Für das arbeitsgerichtliche Verfahren s §§ 11, 50 II ArbGG.

B. Zustellung im Schriftverkehr (Abs 1).

 

Rn 2

Neben den allgemeinen Zustellungsvoraussetzungen (s § 166 Rn 6 ff) erfordert § 174, dass der Zustellungsadressat das zuzustellende Schriftstück persönlich entgegennimmt mit der Bereitschaft, dieses als zugestellt anzunehmen (BGH NJW 06, 1206, 1207 [BGH 18.01.2006 - VIII ZR 114/05]; NJW 12, 2117 [BGH 19.04.2012 - IX ZB 303/11] Rz 6; NJW-RR 15, 953 Rz 7). Eine Ersatzzustellung ist nicht möglich. Entgegengenommen hat der Zustellungsadressat das Dokument, wenn er daran derart Gewahrsam erlangt hat, dass er von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Es genügt nicht, dass ein RA das Schriftstück tatsächlich erhalten oder hiervon Kenntnis genommen hat (BGH NJW 89, 1154 [BGH 22.11.1988 - VI ZR 226/87]). Vielmehr muss er empfangsbereit sein, was er durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis dokumentiert (BVerfG NJW 01, 1563, 1564 [BVerfG 27.03.2001 - 2 BvR 2211/97]; BGH NJW 07, 600, 601 [BGH 20.07.2006 - I ZB 39/05]; NJW-RR 15, 953 Rz 7). Hat er das Schriftstück in dieser Weise entgegengenommen, ist es unerheblich, ob er tatsächlich Kenntnis von seinem Inhalt genommen hat (vgl BGH MDR 20, 1393 Rz 7). Ein RA ist nicht verfahrensrechtlich, sondern allenfalls standesrechtlich zur Entgegennahme verpflichtet (BGHZ 30, 299, 305 f; AnwG Köln BRAK-Mitt 14, 82; nach BGH NJW 15, 3672 Rz 6 ff und AnwG Ddorf BRAK-Mitt 14, 204 auch keine standesrechtliche Pflicht). Fehlende Empfangsbereitschaft kann nicht nach § 189 geheilt werden (vgl BGH NJW-RR 15, 953 [BGH 13.01.2015 - VIII ZB 55/14] Rz 7, 12 mN; BVerwG NJW 15, 3386 [BVerwG 27.07.2015 - BVerwG 9 B 33.15] Rz 5).

 

Rn 3

Der Zustellungswille wird idR durch die Übersendung des vorbereiteten Empfangsbekenntnisses oder die Bitte um Übersendung eines solchen zum Ausdruck gebracht (BGHZ 14, 342, 344).

 

Rn 4

Das Empfangsbekenntnis ist auch nach neuem Recht Wirksamkeitsvoraussetzung der Zustellung (BTDrs 14/4554, 18; BGH MDR 20, 1393 [BGH 15.09.2020 - VI ZR 544/19] Rz 7; NJW 05, 3216, 3217; Eyinck MDR 11, 1389, 1390). Es muss (auf Kosten des Zustellungsadressaten) in der Form des Abs 4 vom Zustellungsadressaten persö...

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