Gesetzestext

 

(1) 1Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines durch eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 des Strafgesetzbuches) Verletzten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde. 2Das gilt nicht, soweit das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. 3Die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche mit einer öffentlichen Hauptverhandlung verbunden sein können, sind dabei zu berücksichtigen. 4Entsprechendes gilt bei volljährigen Personen, die als Kinder oder Jugendliche durch die Straftat verletzt worden sind.

(2) 1Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, soweit in Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184k des Strafgesetzbuchs) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuchs), wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuchs ein Zeuge unter 18 Jahren vernommen wird. 2Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(3) 1Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn die Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. 2Für die Schlussanträge in Verfahren wegen der in Absatz 2 genannten Straftaten ist die Öffentlichkeit auszuschließen, ohne dass es eines hierauf gerichteten Antrags bedarf, wenn die Verhandlung unter den Voraussetzungen der Absätze 1 oder 2 oder des § 172 Nummer 4 ganz oder zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 darf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, dem Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen.

(5) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 4 sind unanfechtbar.

 

Rn 1

Die Vorschrift dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Prozessbeteiligten, dessen Belange gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens abgewogen werden muss. Die Entscheidung über den Ausschluss der Öffentlichkeit steht im Falle des Abs 1 S 1 im Ermessen des Gerichts und ist vAw zu treffen. Der Ausschluss unterliegt der Disposition des Betroffenen und darf nicht gegen seinen Willen angeordnet werden, Abs 4. Der Ausschluss der Öffentlichkeit auf Antrag gem Abs 3 ist zwar zwingend, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Angesichts des unbestimmten Rechtsbegriffs im Tatbestand bleibt immer noch Spielraum für die Abgrenzung, ob schutzwürdige Interessen verletzt oder nur berührt würden. Die Entscheidung des Gerichts kann nicht angefochten werden (Abs 5).

 

Rn 2

Die öffentliche Erörterung der persönlichen Umstände iSd Abs 1 müssen geeignet sein, den Betroffenen bloßzustellen, sein Ansehen herabzuwürdigen oder auch seine Ehre oder berufliche Stellung zu gefährden und deshalb ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Öffentlichkeit zu begründen. Die Belange des Betroffenen überwiegen das Interesse der Allgemeinheit an einer öffentlichen Verhandlung nicht, wenn die öffentliche Erörterung dem Betroffenen lediglich peinlich oder unangenehm ist (BSG NZS 07, 670).

 

Rn 3

Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist für sämtliche Abschnitte der Hauptverhandlung möglich, auch für die Verlesung des Anklagesatzes (BGH NJW 12, 3113 [BGH 21.06.2012 - 4 StR 623/11]). Er darf nur erfolgen, soweit er erforderlich ist; er ist mithin idR auf bestimmte Verfahrensabschnitte (etwa die Vernehmung eines bestimmten Zeugen) zu beschränken (BGH NStZ 02, 207 [BGH 09.08.2001 - 1 StR 211/01]), umfasst aber alle Verfahrensvorgänge, die mit diesem in enger Verbindung stehen oder sich aus ihm entwickeln und die daher zu diesem Verfahrensabschnitt gehören (BGH 5.9.18 – 2 StR 454/17). Der Beschl gilt bis zur Entlassung des Zeugen (vgl § 174 Rn 2). Vor der Fortsetzung der Verhandlung ist die Öffentlichkeit wieder herzustellen (BGH, Beschl v 31.5.17 – 2 StR 428/16). Abs 3 S 2 geht von einem einheitlichen und unteilbaren Verfahrensbegriff aus. Für den Ausschluss der Öffentlichkeit für die Schlussvorträge ist nicht zwischen den einzelnen Verfahrensbeteiligten oder dem Prozessstoff zu differenzieren (BGH 28.9.17 – 4 StR 240/17).

 

Rn 4

Nach Abs 5 sind die Entscheidungen nach Abs 1 bis 4 unanfechtbar. Die Verletzung des § 171b GVG ist daher kein Revisionsgrund. Zwar liegt gem § 547 V ZPO ein absoluter Revisionsgrund vor, wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind. Die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Öffentlichkeitsausschluss vorgelegen haben, ist aber, anders als bei den §§ 172 ff GVG, der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen (zum Strafverfahren: BGH StV 98, 364 zu der Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes gem § 338 Nr 6 StPO; offen gelassen vom BSG NZS 07, 670 hinsichtlich §...

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