Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung der Krankenkasse zur Übernahme der Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung trotz Ruhens des Leistungsanspruchs des Versicherten - elektronische Gesundheitskarte

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch des Krankenhauses auf Vergütung einer stationären Behandlung des Versicherten richtet sich nach §§ 109 Abs. 4 S. 3 SGB 5, 7 Abs. 1 KHEntgG, 17b Abs. 1 KHG i. V. m. der maßgeblichen Pflegesatzvereinbarung.

2. Hat die Krankenkasse ein Ruhen des Leistungsanspruchs nach § 16 Abs. 3a SGB 5 festgestellt, aber durch den Nichteinzug der elektronischen Gesundheitskarte des Versicherten bzw. der fehlenden Kennzeichnung des ruhenden Leistungsanspruchs gemäß § 291 Abs. 2 S. 2 SGB 5 in den Versicherten-Stammdaten und zusätzlich die Bestätigung eines vollumfänglichen Versicherungsschutzes im Wege des Datenträgeraustauschs einen Rechtschein dahin gesetzt, dass ein umfassendes Versicherungsverhältnis besteht, so darf das Krankenhaus auf diesen Rechtschein vertrauen.

3. In einem solchen Fall kann sich die Krankenkasse auf die Tatbestandswirkung der Feststellung des ruhenden Leistungsanspruchs nicht berufen. Dies hat zur Folge, dass sie verpflichtet ist, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses zu erfüllen.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 27.625,47 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 16.11.2018 zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 27.625,47 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kosten stationärer Krankenhausbehandlung in Höhe von 27.625,47 EUR bezüglich des Versicherten Herrn D.. Im Kern geht es um die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist die Kosten für den stationären Krankenhausaufenthalt zu übernehmen, obwohl der Leistungsanspruch des Versicherten gem. § 16 Abs. 3a SGB V ruhte.

Die Klägerin betreibt das A. welches in den Krankenhausplan des Freistaats Bayern eingetragen ist. In diesem behandelt sie auch Patienten der Beklagten, einer gesetzlichen Krankenkasse.

Unter anderem behandelte sie in der Zeit vom 02.05.2017 - 05.05.2017 den bei der Klägerin versicherten Herrn R. D.. Mit Bescheid vom 08.04.2015 hatte die Beklagte ein Ruhen des Leistungsanspruchs gegenüber Herrn D. festgestellt. Dennoch war er im Besitz einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK), aus der sich das Ruhen des Leistungsanspruchs nicht ergab. Der Versicherte begab sich am 02.05.2017 unter Vorlage seiner eGK und einer Verordnung des HNO-Arztes Herrn S.T. vom 28.04.2017 in stationäre Behandlung der Beklagten. Die eGK wies den Status "1" auf und enthielt keinen Hinweis in den Versichertenstammdaten, dass der Leistungsanspruch des Versicherten eingeschränkt sei. Der Patient wurde am 02.05.2017 aufgenommen und am 03.05.2017 wurde ein Cochlea-Implantat eingesetzt. Die Klägerin versandte am 02.05.2017 per Datenträgeraustausch (DTA) die Aufnahmeanzeige mit der Diagnose H90.5 an die Beklagte. Am 03.05.2017 erklärte die Beklagte ebenfalls per DTA die Kostenübernahme für die stationäre Krankenhausbehandlung. Eine Einschränkung der Kostenübernahme auf akute Notfälle wurde nicht erklärt. Die Beklagte teilte der Klägerin bezüglich des Versicherungsverhältnisses den Schlüssel "01" mit. Am 18.05.2017 stellte die Beklagte den streitgegenständlichen Betrag in Höhe von 27.625,47 EUR in Rechnung. Sie legte der Abrechnung die DRG D01B zugrunde.

Danach wandte sich die Beklagte an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und beauftragte diesen mit einer Prüfung. Die Frage lautete: "Bestand die Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung?" Als Auffälligkeiten wurde geschildert: "Prüfgegenstand sekundäre Fehlbelegung. Kein Leistungsanspruch. War die Krankenhausbehandlung lebensbedrohlich?" Am 22.05.2017 fand eine sozialmedizinische Fall-Beratung mit dem MDK im Haus der Klägerin statt. Nach Einschätzung des MDK handle es sich um eine nicht lebensbedrohliche Erkrankung, es liege kein Notfall vor und die Behandlung sei auch nicht unaufschiebbar. Es handle sich um einen elektiven Eingriff. Es sei daher eine Rückforderung möglich. Daraufhin lehnte die Beklagte eine Übernahme der Kosten ab. Die Klägerin stornierte die Rechnung und erstellte eine Rechnung an den Patienten. Am 25.10.2018 stellte die Klägerin den Betrag in Höhe von 27.625,47 EUR erneut in Rechnung. Auf diese Rechnung zahlte die Beklagte nicht.

Am 10.05.2019 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Nürnberg.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte wird verurteilt einen Betrag in Höhe von 27.625,47 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.11.2018 zu bezahlen.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich darauf, dass der Leistungsanspruch des Patienten nach § 16 Absatz 3 a SGB V zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Krankenhausbehandlung geruht habe und aus diesem Grund kein Vergütungsanspruch bestehe.

Die Klägerin erwidert, da...

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