Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. Start- und Endpunkt des versicherten Weges: Durchschreiten der Außentür zum Wohnbereich. sachlicher Zusammenhang. Richtungsänderung. Holen eines im Auto vergessenen Schlüssels. Schlüssel für die Außenhaustür

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Durchschreiten der Außenhaustür des Wohnbereichs im Einfamilienhaus des Versicherten stellt grundsätzlich den Start- und Endpunkt des versicherten Weges und zugleich die Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen Lebensbereich und dem versicherten Arbeitsweg dar (vgl BSG vom 31.8.2017 - B 2 U 2/16 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 61).

2. Eine Richtungsänderung des Versicherten unterbricht den Versicherungsschutz nicht, wenn diese in einem inneren Zusammenhang mit der Zurücklegung des versicherten Weges steht (vgl BSG vom 29.1.1959 - 2 RU 198/56 = SozR Nr 11 zu § 543 RVO).

3. Einen solchen inneren Zusammenhang nimmt der Senat in Anschluss an die Rspr des BSG (vgl BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 24/06 R = SozR 4-2700 § 8 Nr 24; vgl BSG vom 11.8.1988 - 2 RU 80/87= HV-INFO 1988, 2015) für das Holen eines im KfZ des Versicherten vergessenen Schlüssel für die Außenhaustür an, weil der Schlüssel zum Öffnen der Haustür erforderlich war, um den Weg von der Arbeitsstätte nach Hause überhaupt abschließen zu können. Ein dabei erlittener Unfall stellt einen Arbeitsunfall dar.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 21. August 2018 sowie der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2018 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 28. April 2017 ein Arbeitsunfall ist.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen eines versicherten Arbeitsunfalls i.S.v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) streitig.

Laut Unfallanzeige vom 19.06.2017 befand sich die Klägerin am 28.04.2017 auf dem direkten Nachhauseweg von ihrer Dienststelle an der Technischen Universität C…. zu ihrer Wohnung in Z…. Um zu ihrer Haus- bzw. Wohnungstür zu gelangen, musste sie eine Außentreppe benutzen. Als sie die Treppe hinauflief, bemerkte sie, dass sie den Haustürschlüssel im Auto vergessen hatte, woraufhin sie abrupt die Richtung änderte, um den Schlüssel zu holen. Dabei geriet die Klägerin ins Straucheln und landete auf das rechte Knie, wobei sofort ein stechender Schmerz entstand. Am Folgetag begab sich die Klägerin zur Durchgangsärztin Dr. Y...., die bei positiven Meniskuszeichen nach Steinmann I und II eine Prellung am rechten Knie diagnostizierte. Ausweislich des MRT vom 08.05.2017 wurde ein Zustand nach Kniegelenkstrauma mit ausgedehnter typischer kräftig markierter knöchernen Kontusionszone im lateralen Femurkondylus sowie auch im gesamten dorsalen Tibiakopf, eine traumatische Läsion des medialen Kollateralbandapparates, eine traumatische Läsion des medialen Meniskus mit mindestens auch partieller Ruptur und kräftiger Reizgussbildung, eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes des Kniegelenks und eine Distorsion des Sprunggelenkes diagnostiziert. Unter dem 19.06.2017 zeigte die Technische Universität C…. bei der Beklagten den Unfall der Klägerin an. Am 16.07.2017 erfolgte eine Arthroskopie und die Refixation des vorderen Kreuzbandes im rechten Knie.

Mit Bescheid vom 06.10.2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall auf der Basis des von der Klägerin in der Unfallanzeige mitgeteilten Sachverhaltes ab. Zwar sei die Klägerin auf dem Heimweg grundsätzlich gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versichert gewesen. Ein Versicherungsschutz habe jedoch nicht mehr bestanden, als sie auf der Treppe umgedreht sei und sich in entgegengesetzte Richtung treppab bewegt habe, um den vergessenen Haustürschlüssel zu holen. In diesem Augenblick sei der zunächst zurückgelegte und versicherte Weg unterbrochen worden. Ist der Weg zu oder von der Arbeitsstelle unterbrochen, bestehe während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2018 zurück. Wie bereits dargelegt, sei der versicherte Heimweg zum Unfallzeitpunkt unterbrochen worden. Es habe sich auch nicht um eine lediglich geringfügige unbeachtliche Unterbrechung gehandelt. Zur Begründung wurde auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ im Urteil vom 17.02.1999 - B 2 U 26/07 R - verwiesen.

Am 19.03.2018 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben. Zwar sei auf dem Heimweg eine geringfügige Richtungsänderung erfolgt. Diese sei jedoch nicht in eigenwirtschaftlichem Interesse geschehen, sondern letztendlich um die Wohnung zu erreichen. Ihr Auto habe vor der Treppe gestanden. Der Abstand zur Treppe habe weniger als zwei Meter betragen. Es habe sich also nur um eine sehr kurze Strecke gehandelt und der zusätzliche Zeitbe...

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