Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Mutterschaftsgeld. laufende Einnahme oder einmalige Einnahme. Gewährung des vor- und des nachgeburtlichen Mutterschaftsgeldes in zwei Teilleistungen in einem größeren als monatlichen Zeitabstand. Anwendung von § 11 Abs 2 S 3 SGB 2. zusätzliche Satzungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. SchwangerschaftPLUS-Paket. Erstattung von Kosten für die Selbstbeschaffung eines Magnesiumpräparats. zweckbestimmte Leistung

 

Leitsatz (amtlich)

1. An eine Leistungsbezieherin nach dem SGB II ausgezahltes Mutterschaftsgeld gemäß § 19 Abs 1 MuSchG und § 24i Abs 1 SGB V ist nicht deshalb eine laufende Einnahme iS des § 11 Abs 2 SGB II, weil ihm Lohnersatzfunktion zukommt. Es ist auch nicht deshalb eine laufende Einnahme, weil Mutterschaftsgeld, das für die nachgeburtliche Schutzfrist iS von § 3 Abs 2 MuSchG gezahlt wird, gemäß § 3 Abs 1 S 1 Nr 1 BEEG auf das Elterngeld angerechnet wird (aA LSG Chemnitz vom 20.11.2019 - L 2 AS 693/15 = juris RdNr 63). Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist, ob Mutterschaftsgeld wiederkehrend geleistet, mithin regelmäßig ausgezahlt wird.

2. Es spricht vieles dafür, dass ausgezahltes Mutterschaftsgeld iS des § 19 Abs 1 MuSchG und § 24i Abs 1 SGB V eine einmalige Einnahme iS des § 11 Abs 3 SGB II darstellt. Fließt das von der gesetzlichen Krankenkasse in ständiger Verwaltungspraxis in zwei Teilleistungen gewährte Mutterschaftsgeld in einem größeren als monatlichen Zeitabstand zu, findet § 11 Abs 2 S 3 SGB II Anwendung, ohne dass es darauf ankommt, ob das Mutterschaftsgeld eine einmalige Leistung ist oder nicht.

3. Kostenerstattungen der gesetzlichen Krankenversicherung aus dem in deren Satzung vorgesehenen SchwangerschaftPLUS-Paket für von der Versicherten selbstbeschaffte, nicht verschreibungspflichtige, apothekenpflichtige Arzneimittel mit dem Wirkstoff Magnesium sind keine als Einkommen anzurechnende Einnahme iS des § 11 SGB II.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22. Januar 2020 abgeändert.

Der Bescheid vom 2. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2018 wird aufgehoben, soweit der Beklagte mit diesem die Leistungsbewilligung aus dem Änderungsbescheid vom 18. Juni 2018 für den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis 31. Juli 2018 um mehr als 0,21 EUR aufgehoben und die Erstattung von mehr als 0,21 EUR verlangt hat.

Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides des Beklagten vom 02.08.2018 in der Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 30.10.2018. Mit diesem hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Juli 2018 ganz im Umfang von 324,57 EUR auf und verlangte von der Klägerin die Erstattung.

Die 1983 geborene Klägerin bezog im Jahr 2018 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom Beklagten. Auf ihren Antrag vom 12.10.2017 bewilligte dieser ihr mit Bescheid vom 07.11.2017 sowie mit den weiteren bestandskräftigen Änderungsbescheiden vom 25.11.2017 und zuletzt vom 18.06.2018 endgültig Leistungen unter anderem für Juli 2018 i.H.v. insgesamt 324,57 EUR. Der Beklagte berücksichtigte die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 220,86 EUR. Zudem bewilligte er neben dem Regelbedarf aufgrund angezeigter Schwangerschaft einen Mehrbedarf für werdende Mütter. Ausweislich der aktenkundigen Bestätigung des Beklagten vom 07.06.2018 über die Vorlage des Mutterpasses war danach der voraussichtliche Entbindungstermin für den 10.09.2018 vorgesehen. Dem Gesamtbedarf wurde ausgehend von den letzten bekannten Gehaltsabrechnungen bedarfsmindernd Erwerbseinkommen i.H.v. von brutto 766,00 EUR/ netto 616,21 EUR angerechnet. Die Leistungen für Juli 2018 wurden der Klägerin im Voraus ausgezahlt.

Mit Schreiben vom 04.07.2018, das die Klägerin dem Beklagten am 16.07.2018 zusandte, informierte die AOK Plus als zuständige Krankenkasse die Klägerin über den anstehenden Bezug von Mutterschaftsgeld ab dem 30.07.2018 i.H.v. maximal 13,00 EUR pro Tag. Am 23.07.2018 stellte der Beklagte deshalb die Zahlungen vorläufig ein, hob die Verfügung aber aufgrund eines Gespräches mit der Klägerin vom 27.07.2018 wieder auf.

Die Krankenkasse bewilligte der Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2018 ankündigungsgemäß für die letzten sechs Wochen vor der Geburt - mithin vom 30.07.2018 bis 09.09.2018 - Mutterschaftsgeld i.H.v. 13,00 EUR kalendertäglich. Der Gesamtbetrag i.H.v. 546,00 EUR (42x 13,00 EUR) wurde der Klägerin am 30.07.2018 auf ihrem Konto gutgeschrieben. Bereits am 23.07.2018 erstattete die Krankenkasse der Klägerin Kosten für den Kauf eines Medikaments „Magnesiocard Retard“ i.H.v. 31,55 EUR. ...

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