Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Ablehnung der Auszahlung der gesamten Rentennachzahlung durch den Rentenversicherungsträger wegen einem Erstattungsanspruch eines Jobcenters. abgelehnter Überprüfungsantrag des Rentenberechtigten. Erstattungsanspruch des Jobcenters nur in geringerem Umfang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X ist (insoweit) kein Raum, soweit ein Träger seine Leistungen auch bei (rechtzeitiger) Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen (vgl § 104 Abs 1 S 2 und 3 SGB X).

2. § 34a SGB II (idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) entbindet vom Erfordernis der Personenidentität und erweitert damit die zu erstattenden Leistungen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.01.2019; Aktenzeichen B 5 R 298/18 B)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 26.08.2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.06.2013 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, unter Abänderung des Bescheids vom 20.09.2010 den im Bescheid vom 27.08.2010 genannten Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von 359,90 Euro an die Klägerin auszuzahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte erstattet der Klägerin 1/10 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine von der Beklagten festgestellte Rentennachzahlung in Höhe von (iHv) 8.396,70 Euro der Klägerin zusteht oder an den Beigeladenen im Rahmen eines Erstattungsverfahrens auszuzahlen war.

1. Die am ... 1963 geborene Klägerin stellte am 27.05.2009 bei dem beklagten Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. In diesem Antrag gab sie an, seit dem 01.03.2008 Alg-II-Leistungen von dem beigeladenen Jobcenter zu beziehen.

2. Der Beigeladene hatte der Klägerin und ihrer am ... 1990 geborenen Tochter u.a. auch für die Zeit vom 01.10.2009 bis zum 30.09.2010 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bewilligt. Im Einzelnen handelt es sich dabei u.a. um folgende Bescheide:

- Bescheid vom 03.04.2009 in der Gestalt (idG) der Änderungsbescheide vom 06.06.2009 und 27.08.2009 betreffend die Zeit vom 01.05.2009 bis 31.10.2009

- Bescheid vom 05.10.2009 idG des Änderungsbescheids vom 20.01.2010 idG des Bescheids vom 01.02.2010 betreffend die Zeit vom 01.11.2009 bis 31.04.2010

- Bescheid vom 24.03.2010 idG der Änderungsbescheide vom 04.06.2010 und 07.09.2010 betreffend die Zeit vom 01.05.2010 bis 31.10.2010.

Mit Bescheid vom 14.09.2010 hob der Beigeladene die Bescheide vom 24.03.2010 und 07.09.2010 über die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab 01.10.2010 auf, da ab dem 01.10.2010 ein Anspruch auf Wohngeld und daher keine Hilfebedürftigkeit mehr bestehe. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 08.10.2010 hob der Beigeladene die Bescheide vom 24.03.2010 und 04.06.2010 über die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vom 01.09.2010 bis 30.09.2010 teilweise iHv 155,20 Euro gegenüber der Klägerin auf und forderte diese zur Erstattung dieses Betrags auf. Die Hilfebedürftigkeit habe sich, da die Tochter der Klägerin während des genannten Zeitraums Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit erzielt habe, reduziert.

3. Für die Zeit vom 01.09.2010 bis 31.08.2011 wurde der Klägerin mit Bescheid der Stadt L... vom 14.09.2010 Wohngeld in Höhe von monatlich 121 Euro bewilligt.

4. Mit Bescheid vom 27.08.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.10.2009 bis zum 31.10.2011. Für die Zeit ab dem 01.10.2009 wurde der Rentenzahlbetrag auf monatlich 699,73 Euro beziffert und ab dem 01.10.2010 monatlich ausgezahlt. Gleichzeitig wurde für die Zeit vom 01.10.2009 bis zum 30.09.2010 eine Nachzahlung von 8.396,76 Euro festgestellt. Die Nachzahlung wurde vorläufig nicht ausgezahlt. Zunächst seien Ansprüche anderer Stellen zu klären. Sobald die Höhe der Ansprüche bekannt sei, rechne man die Nachzahlung ab.

Mit Schreiben vom 07.09.2010 machte der Beigeladene einen bereits am 30.06.2010 angemeldeten Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten iHv 13.891,46 Euro geltend. Bis zum 30.09.2010 seien Leistungen iHv 5.774,00 Euro Arbeitslosengeld II, 6.394,32 Euro Kosten der Unterkunft, 1.507,41 Euro Krankenversicherungsbeiträge und 215,73 Euro Pflegeversicherungsbeiträge gezahlt worden, die nun wegen der bereits ab dem 01.10.2009 zustehenden Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Beklagten zu erstatten seien.

Unter Berücksichtigung dieses Erstattungsantrags des Beigeladenen rechnete die Beklagte mit an die Klägerin adressiertem Schreiben vom 20.09.2010 die Rentennachzahlung in der Weise ab, dass sie aufgrund de...

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